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Die Gartenkunst — 11.1909

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Schneider, Camillo: Fürst Pückler und unsere Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.49259#0029

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XI, 2

DIE GARTENKUNST.

25


nachgeht, so muß man sehr bald zu der Über-
zeugung kommen, daß einmal gerade durch die
Stellung der Linde im Mittelgrund die Tiefe der Ferne
ganz bedeutend gewinnt, daß aber zum andern vor
allem der malerische Wert der ganzen Szenerie durch
diesen Baum unglaublich gesteigert wird. Sein Fall
würde eine breitere, aber auf die Dauer langweilige
Fernsicht schaffen. Dazu kommt noch, daß man auch
bedenken muß, welche
Bedeutung die Linde
für den Blick vom Park
aufs Schloß hat.
Leider befinden
sich unter den mir
vorliegenden Bildern
keine Aufnahmen, die
diese Tatsache illu-
strieren. Vielleicht
macht Herr Obergärt-
ner Boese in Cottbus,
dem wir unsere heu-
tigen Bilder zum größ-
ten Teile verdanken,
einmal diese Linde
zum Objekt seiner
Linse und stellt dar,
wie sie zur Schaffung
von Bildern so enorm
beiträgt*)- —
Die Motive, die
Pückler in Branitz, wie
ja auch in der Haupt-
sache in Muskau, ver-
wendete, entnahm er,
wie es schon in meinen
Büchern betonte, der
mitteldeutschen Auen-
landschaft mit ihren
lockeren Waldungen
aus Eichen, Linden,
Ahorn, Ulmen, Hasel-
nüssen, Hartriegel,
Pfaffenhütchen usw.
Nadelhölzer hat er —
zumal in Branitz —
sehr spärlich ange-
pflanzt. Seine Art die
Gruppen zu gliedern und wechselvolle Fern- und
Durchblicke zu schaffen, ist außerordentlich beachtens-
wert und zeugt von feinster Naturbeobachtung. Er
bringt, wenn der Ausdruck erlaubt ist, die Kunst-
formen der Bäume wundervoll zur Geltung und erzielt
mit den allereinfachsten Mitteln höchst reizvolle und
doch wuchtige Wirkungen. So wenig Branitz dendro-
*) Seite 171, Jahrgang 1908 der Gartenkunst befindet sich
ein Bild, welches den Blick vom Schloß in den Branitzer Park
wiedergibt und die sich in der davorliegenden Wasserfläche
spiegelnde Linde zeigt. H.

logisch bietet, so sehr muß man es als eine Stätte
schätzen, die zum Anschauungsunterricht über Baum-
gruppierung geeignet ist. Nach Branitz und Muskau
sollten immer wieder die jungen — und auch die
alten — Parkgestalter pilgern, um zu lernen, wie ein
Künstler sein Gehölzmaterial verwendete. Gleich wie
ein Maler die Meisterwerke der Malerei studieren muß
so gut wie die Natur und was sie belebt, so muß auch
der Jünger der Garten-
kunst an guten Bei-
spielen sehen, wie es
gemacht werden kann,
— nicht etwa wie es
gemacht werden muß.
Pücklers Anlagen
sind deshalb für das
Studium so wertvoll,
weil sie durch sach-
verständige Pfle-
ger, die im Sinne
des Schöpfers wei-
ter arbeiteten —
ich nenne nur Petzold,
Lauche, Bley er — wirk-
lich erhalten werden.
Von Sckells Anlagen
z. B., ich erinnere nur
an den englischen Gar-
ten in München, gilt
das leider nicht. Wer
Sckell nach dem heu-
tigen Zustand der
meisten seiner Anlagen
beurteilen würde, käme
wahrscheinlich zu fal-
schen Schlüssen. An-
ders in Branitz und
Muskau.
Und gerade in Bra-
nitz ist eines noch ganz
hervorragend, nämlich
die Art der Bodenbe-
wegung ! Wenn man
bedenkt, daß Branitz
früher eintönig flaches
Ackerland war, wo kein
Baumund Strauch, kein
noch so winziger Hügel und Teich dem Blicke sich dar-
bot, wenn man das bedenkt und dann mit Ernst und
Liebe beobachtet, was Pückler aus dem Nichts erstehen
ließ, so wird man leicht erkennen, daß in erster Linie
die wundervoll lebendige Bodenbewegung von feinstem
Verständnis für das „Natürliche“ zeugt. In solchen
Dingen erweist sich der geborene und intuitiv das
Richtige erfassende Gestalter.
Geht nach Branitz und Muskau, ihr Jünger der
Gartenkunst! rufe ich den Schülern in Dahlem zu.
Beide Parke stehen jedermann offen und sind in wenig

Branitz. Mondberg mit Blick zum Lieblingsplatz der Kaiserin Augusta.
 
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