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Hinrichs: Geschichte der Rechts- und Staatsprincipien,

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„cognatum et aequalem haberi natura vult. Quae etiatn sola ratio, si
„caetera deficerent, ad amicam societatem colendam humano generi suf-
„flcit.“ Die letzten beiden Sätze lauten bei Hinrichs: „Kann uns Jemand
„weder Böses noch Gutes thun, so erfordert doch die Natur, dass wir
„ihn für unsres Gleichen halten sollen. Fehlt Alles, so fehlt aber
„die Vernunft nicht, welche allein hinreicht, dass das Menschenge-
„schlecht eine Gesellschaft sein kann “ Bewundernswerther Stil, be-
wundernswrerther Inhalt! Goldne Frucht in silberner Schaale! Hier „fehlt
in der That Alles! a Ratio kann natürlich nur „Grund“ heissen.
Das Bisherige übertrifft aber S. 112. Dort wird Grotius de jure
belli et pac. lib. 1. c. 1. §. 11. citirt, wo er sagt: „si quando brutis
„justitia tribuitur, id fit improprie et quadam in ipsis umbra rationis. An-
„vero actus ipse de quo jus naturae constituit sit nobis communis cum
„aliis animantibus, ut prolis educatio, an nobis proprius, ut Dei cultus, ad
„juris ipsam naturam nil refert.“ Diess umschreibt der Herr Verf. also:
„Wenn dem Thier Gerechtigkeit zugeschrieben wird, so ist diess unei-
„gentlich und unvernünftig zugleich. Der Akt wodurch das Na-
„turrecht entsteht, und den der Mensch mit dem Thier
„gemein hat, geht die Natur des Rechts selbst Nichts an. Er ist
„nämlich die Erziehung der Nachkommenschaft und die dem Menschen
„eigenthümliehe Verehrung Gottes.“ Was ist grösser: der Non-
sens dieser Sätze oder die darin offenbarte Unkenntniss des Lateinischen?
Actus de quo ius naturae constituit (der Akt auf den sich eine Bestim-
mung des Naturrechts bezieht, über den das Naturrecht etwas festgetzt)
soll heissen: „Der Akt wodurch dasselbe entsteht“, und ein dem Men-
schen „mit dem Thier gemeinsamer“ Akt wird die „dem Menschen ei-
genthümliche Gottesverehrung genannt, und das Alles wird Grotius auf-
gebürdet !
Der Leser wird mich matt finden, wenn ich nach solchen Gerichten
zum Nachtisch noch folgende Kleinigkeit bringe. S. 290 wird das in der
Note citirte primaeva rectitudo, d. h. die Integrität des Menschen vor dem
Fall bald mit „ursprüngliche“, bald mit „primäre Richtig-
keit verdeutscht,
Was hat sich der Verfasser für Leser gedacht? Doch nicht etwa
Gelehrte? —
Möchte Herr Hinrichs einsehen, dass ihm auf diesem Gebiete
selbst die elementarsten Grundlagen abgehen. Wir haben Nichts dagegen,
wenn er seine „Genesis des Wissens“ vollendet oder nach wie vor den
Göthe',schen Faust und die Schillefschen Gedichte am Schwänze aufzäunt.
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