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lUnabhängige Tageszeilung)

VerKündigungsblatt für Noedbaden und die angrenzenden Teile von Bayern, Hessen und Würllemberg.

Nr. 185

Dienstag, den 12. August 1919

61. Iahrgang

Das Wichtigste vom Tage

Jir Verlin habrn aestern die deutsch-polnischen
Berhandlungen hcgonnen.

Ein Dersuch türkischer Marineoffiziere. die „G ö-
hen" zu versenken, damit sie nicht in die Hände
der Engländer fiele, ist leider goscheitert.

Zwischen Deutschland und Serhien wer«
den in Kürze die diplomatischen und Han-
delsbeziehungen wieder aufgenommen.

Die Nationalversammlung beriet ge-
stern Erundwcchselgesetz und Tahaksteuer.

Das Iournal des Debats ineldet aus Brüssel,
dab mit der Niederlegung der Befesti-
gung von Antwerpen hegonnen worden sei.

Aus italienischen Quellen vcrlautet, dah Ztalien
den Dodelanesos mit Einschlusr von Rho--
dos an Eriechenland abtreten werde.

Ein Aufruf des Kaliarbeiterverban-
des wendet sich gegen den „Eeneralstreik-
Schwindel".

Der Umfthwung in Ungarn

Verzögerung der Ratifikation

Wie die „Timcs" aus Ottawa meldct. hat die
britische Ncgierung eingewilligt, das; Grohbri-
tannien die amtliche Ratif'-kation des Friedens-
vertrages bis zum Wiederzusammentriti
des kanadischen Parlaments im Sep-
tember verschiebe.

Mlan durfte bisher Muben, dah Erohbribannien
die erste Macht unter unseren bisherigen Gegnt 'rn
!sein würde, die dem 'Friedensvertrag zur interna-
tionalen Rechtsgültigkeit vorbelfen würd^. Ver-
zögert auch die britische Regierung Äie Ratisika-
tion, so wird die Hoftnung immer geringer, dah
sich bald drei Hauvtmächte zur Ratifikation bereit
finden werden, um den Friedensvertrag rechtskräf-
tig zu machen.

Dert chland und Serbien

Die Ageutur Dacia meldet aus Belgrad: Die
zwischen der deutschen und der serbischen Regie-
rung seit einigen Tagen gepflogenen Verhandlun-
gen über den Abschluh eines Kompensationsver-
-trages und die Wiederaufnahme der diplomatischen
Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind zum
Abschluh gebracht worden. Eleichzeitig wurde der
zwischen Deutschland und Serbren seit Kriegsaus-
bruch bestandene Handelsvertrag erneuert.

Der Postverkehr mit Italien

Der Berner Vund meldet, dah am Montag in
Vern ein amtliches Telegramm aus Rom einge-
- laufen sei, dah vom 15. August an die militä -
rische Zensur im Postverkehr mit der Schweiz,
Deutschland und Deutsch-Oesterreich aufgeho-
ben werde. Eine Bestätigung dieser Meldung
liegt noch nicht vor.

Deutsch-polnische Verhandlungen

Verlin, 11. Aug. Heute fand im ehemaligen
Herrenhaus die Eröffnung zwischen den Ver-
handlungen der deutschen und polni-
schen Negierung statt. Deutscherseits waren
dio Vertreter aller Neichs- und Staatsbehörden
der abzutreten-en Eebiieten erschienen. Von den
Polen waren 5 führcnde Delegierte und 40 Res-
sort-Vertreter anwesend.

Zu den Verhandlungen hat die Entente als
Vertreter Frankreichs den General Dupont be-
nannt, als Vertreter Englands General Mal -
co ! m, für Jtalien den Eeneral Doneivenga.
Weiter hat der Oberste Nat die Teilnahme eine^
lupanischen Offiziers verfügt.

Eisners Fälschungen

Die Münchener Vlätter evheiben schwere
-oorwürfe gcgen das Minifterium Hofs-
'ss Angelogeniheit der Verkür.Mnv und
laijchen Wiedergabe von Eescvndt chaftsberichten
ourch Eisner. Die ..Münchner Zeitung" schreibt

^ - -'Dsr verschwundene Oriainalbericht des Le-
v- Schoen ist bereits lange wieder
"n ^esjü der Rcgieruug. Die Negievuna mus; zu
Zeitpunkt, da die Bedautuna der Eisner-
>^on Fä.schung von Einfluh auf die Friodensbodin-
vun'gen hätte sein können, doch bereits Kenntnis
von der Fälfchung gehabt haben. Warum hat die

Die Numänen werben jetzt, wo sie mr Sieges-
taumsl sind, unbequeme Bundesge-nossen. Sie
denke-n offensichtlich garnicht davan, den Mersungen
der Vn^ente cmf Mlähigung und Znüückziehung der
Truvven zu folgen. Mie nämlich aus Bukarest
g'weldet wird, wird Rumänien Ungarn kei-
nesfalls räu m e n, ehe die Entente alle ihnen
durch den Vertvag von 1916 gcmachten Zugsständ-
nisse oinlöst. Dre rumänische Presse nimmt ein-
nriitrg gogen das Verlangen deri Entents
Stcllung, Rumänien solle Budapest rä-u'men uind
fordert dis rmnänische R^gierung auf. von ilhrom
Standpunkt nicht äbzuweichen.

Zngwischen wächst den Rumänen der Appetii
berm Essen. Sre beabsichtigen nämlrch.

auch Westungarn zu besetzen.

Bukarest, 11. Aug. Das rumänifche Presse-
büro meldet: Auf Anordnung des rmnänischen
Vesatzungskommandos in Ungarn werden die ru-
mänischen Truppen Westungarn zwecks Be-
kämpfung des kommunist.ischen Negimcs besetzen.
Die rumänischrn Truppen werden der Bildung
einex ungarischen NationalgarLe nicht entgegenl-
treten.

Mstt dem Plan-e der Bosetzung Westunigarns ge-
raten dio Rumänen ab'r nicht nur mit den
gyaren, sccndern auch mit dsn Deutschen in -Kon-
flikt.

Wien, 11. Aug. Nach Wiener Vlättern fand in
Fürsten'feld eine Massenversammlnng der Be-
vollmächtigten von 331 westungarifchcn Gemeinden
statt. Es wunde ems Entschliohung ang'Moiirmen.
in der gegen die Bestrobungen- der Schaftung eino*
wt'istulnlsarischen Autonamio vrote'stccrt wird und
ein Anschluh Wcftungarns an Deutfch-Oesterreich
durch Vvlkscvbstiimmung unter neutvaler Kvutrolls
gefordert wird. Die Entschlietzung wuvde an
Staatssekretär Mnner telographisch wsitergogebon.

So ganz einfach scheint Mrigens die Unterwer-
fung Ungarns unter die rumänische Knute doch
nicht zu Mn. Zn Paris eingelaufene Berichte be-
sagen, L>ah sich ganz Ungarn zu bcwasfnen beginnt,
urn der rumänischen Uebemnacht die Stirn zu bie-
ten. Die neuen alarmievcnden Nachrichten lassen
die Furcht vor einom neuen Krieg in Unaarn
begrllndet erschemen. Dio Ungarn weiden wahu-
scheinlich nlles Mögliche tun. nm die Rnmänen
von ihronr Boden zu vertreiben. Die nrilitärrschen
Sachverständigen in Paris glauben, datz sich das
ungarrsche Heer mit don Bauern verlemigen wird,
um den Klemkrieg zu heg'mnen und daH om 8Üvj-
pell an den ungarischen Patriotismus von
groher Mrrkung sein wird.

Französische Truppen wcrden das Banat be-
sehen. Die Serben haben eine Volksabstim-
mung ftir das Banat u'nd Tomesvar verlangt.

Die Nückwirkungen des Umschwungs

siud besonders bei ider' EnteNte zu pepspüren.
Die Friedenskonferenz ist sehr errogt
über die Lage, die überall in Mfteleurova die
Oberhand gewinnt und die unter Umständen sehr
ernste Verwicklunsen veranlassen kann. we'rl <rn-
deren Ländern dte Mvglichkeit gegehen wird wi^-
der die alten Herrscherfamilten als
NegeNten zurückzurufcn, nachdcm dio Entente etn-
mal gonehmigte, dab ein Mitglied emer alton
roväischen Dynastie als Leiter dor Geschüste in
Ungarn austritt. Mau erblickt hlerm oimm sohr

gefährlichen Präzedenzfall und glaubt,
dah.allerlei Echwi>erigkeiten bevorstehon.

Auch dis französische Presse äutzert Besorignisie.

Der .^vmps" sagt in einom Leitartvkel: Als
der Boschowismus sich in Vudapest eingerichtet
hatte, warib er Cchüler m Wien. Wiid die in V n-
dapest wieder installi>e-rts Habsbur-
gerDynastie in Wien nicht viele Erinne-
run-gen wecken? Andoreiseits ist Bndavest die
erste suroPäisch's Hauvtstadt, die vom Bolschewis-
nrus Lofteit wird. Au'f dvcsem M >se ist Ungarn
Bayern gefolgt. M/ünchen ist allerdings nicht
so woit gsgcmgen, die Wittelslbachex surückzuruftn.
Werden sich nnter dsn Deutschen, die die Erei-°
nisio in llngarn verfölgen, nicht viele finden, die
beda>uer n, dah man in München. auf hal-
bem Wege stehen geblieben ist? Wird
das Schausviel, das sich in Ungarn vollzieht, nur
im Wcisten von Budapest Eindruck h'Pvorrufen?
Gibt es nicht im Qften em ungvheures
Reich, das vön Lsm Bolschowismus Qonins zer-
seht wird, viel schl-immer als der Dolschewismus
Bsla Kuns es getan hat? Mrrden nicht alle
r-usfifchen Piatrioten genoigt sein. zu fta-
gon, indcm sr: die nngarische Wiederauftichtnng
ins Auge fasson: .LRird es bei uns eines Tases
auch so werden?" Dex „Telnps" ist d^v Ansicht,
dah Mittel- und Osteurova an einem
Wendepunkt ihrer Eeschichte ango-
komnren sind. Es könnten sich mn Lauife ^der
nächsten Monate Vcränderungsn vollzrehen, die
,auf das Schicksal des ganzen euvoväischen Konti-
nents dsn gröhten EiNfluh haben worden. Der
„Toinps" fragt znm Schluh: „Wollen wir die Er-
eignisie lenken oder folgen? HaL'M wir e'.ire Pö-
litik odor keine?"

Der „Kommunismus" der Näte-Diktatoren

Verlin, 11. Aug. D'ie Poster Qborstadtbauvt-
mannschaft veröftentlicht ei'nige Mngaben übec dis
Ergebnissei der Untersuchung, diö geoen die
verhafteten Kom >mu> nistenfüh >ver eingelei-
tet wurde. Darnach sind injsgHamt 21 Volksbeauf-
tragte, 82 Avbeiterräte und 186 Kommunistrn ver-
haftet urorden, sänrtliche wegon geineinor Verbre-
chen. Die Hausdurchsuchungen bei den Vevhafteten
habcn orlwiosen, dah sie ihre Stellung unter dor
Klommunistenherrschaft ru Unters-chlagun-
ge n mMraucht haben. So wurden in dvr Moh-
nung Be 1 a Kuns 180 000 Kronc,n in -Eold im
Wandschrank eingemauert vocgefuniden. Noch in-
twesianter gestaltete sich die ZnventarHsierung döö
Hintorlasieinschaft Szamuelijs, dic ftu Ursu-
linerklostar zu Oedenburg vorgefundrn wurde.
Seine Hinterlasimschaft besteht aus siobon grohen
Kisten und einem Vallen wertvoller Persertev-
piche. Div Kisten waren voll mit Gold- und
Silbergegenständen, unter drnen sich auch
oine grohe, auherordentlich weitvolle stlberno
Schüsiejl aus dom beschlagnahmten Silbeischah d.s
chenraltgon Erzherzogs Medrich befand.

Nach vorlählichvn 8lngaben sind während der
Lolschowistischen Herrschaft 669 Perso-
non standrechtlich hingerichtet worden.
Allerdings hat der Budapeister Ncioolutionsgc-
richtshaf nur d>ie Vorantwortung ftir 31 Hinvich-
tmrgen su trageii, die restlichen Hinrichtuug n sind
von Volkskommisiar Szamuelij und seincn
Helsersholfem vollbracht worden.

Negierung nicht gervagt, diose öffenvundigs Fäl-
schung der Oeffentlichkeit zu untevbreiten?" — Zu
ähujjcher Weiso äuhert sich auch dio „Münch.-
Augsb. Abendztg. .

Bei der Beratung des Etats im Finanzausschuh
kam der Referent >auf die EnU,ülluna des Esh. Le-
gationsrates von Schoen über die seinerzeitige
Neröffentlichung de§ Güsandtschaftsberichts durch
Eisuer zu Prechen. Er forderle venaue Unter-
suchung, worauf der Miuisterpräsident erklärte, dah
Emsehung oinor p a r l a me n t a r is ch-e n Un
torsuchungsEommis- i on nichls im Wege
stche. Ferner teilte der Ministerpräsident mit, dah
dre von Eisner -anüestellten Personen sich nicht mchr
im Dlenste befänden.

* Die Ententetruppen für Oberschlesien werden
inrgefähr oine Diviiwn stark scin. Zsde der ver-
tretenen Mächte wird 3 Bataillone entsenden.

Das BeispieL von Scapa Flow

Versaillcs, 11. Aug. Nach eincr Nadiomeldung
aus Athen versuchtcn tllrkische Osfizicre, die „Gö-
bcn", die sich augenblicklich aus der Rcde von Ni-
komedia befindet, zu versenken. Dcr Versuch
niurde von englischen Kricgsschisfen vereitelt.
Die türkische Vesatzung ist geflohen.

Mustafa Paschas Schilderhebung

Versailles, 11. Aug. Aus Konstantinopel wird
dcn französischen Vlättern gcmeldct, dah Mu-
stafa Pascha Herr der Lago in Anato-
lien sei. Die ganze Armee habe sich ihm ange-
schlosien. Die Lage werde sür die türkische Regie-
rung äutzerst tritisch angesehen.

Das Kabinett Prinz Max und
die Abdankung des Kaisers

Von besonderer Seite wird uns ge-
schrieben:

Die Erklärung, mit der P r i n z M a x zu
der kürzlich veröffentlichten Denkschrist „der
9. Nov. 1918 im Hauptquartier" Stellung ge-
nommen hat, berührt sich in ihrer Tendenz
aufs engste mit den übrigen Rechtfertigungs-
versuchen, die bisher von führenden Politikern
der früheren Reichstags- und jetzigen Regie-
rungsmehrheit veröffentlicht sind: sie sucht die
Verantwortung für die katastrophale
Entwicklung vom 30. September bis zum 9.
November von der damaligen Reglerung auf
die Oberste Heeresleitung und die
Umgebung des Kaisers abzuwälzen.
Natürlich wird auch hier, ebenso wie bei dem
Weißbuch über den Waffenstillstand, erst eins
kritische Eegenüberstellung und Wertung des
von den verschiedenen Seiten beigebrachten
Materials eine wirklich objektive Erkenntnis
der. entscheidenden Vorgänge ermöglichen.
Dazu wird man die Eegenäußerungen, an de-
nen es ja mcht fehlen wird, abwarlen müsien;
ein wichtiger Punkt sei jedoch schon jetzt
einer kritischen Beleuchtung unterzogen.

Die Darlegungen des Prinzen glpfeln in der
Schlußfolgerung ,noch am 8. November, viel-
leicht auch am 9. ganz früh, hätte die Abdan-
kung des Kalsers und der Aufruf zur Natio-
nalversammlung möglicherweise die Dynastie,
zum mindesten die legale Entwicklung retten
können, und an anderer Stelle heißt es, der
Prinz habe am 8. November dem Kaiser tele-
phoniert, bei sofortiger Abdankung, Ernen-
nung'eines Stelloertreters und Einherufung
einer Nationalversammlung böten, sich alle
Chancen für die Monarchie; „m i t Hilfe
der Sozialdemokratie könne dann die
Situation gehalten werden, sonst stehe Revo-
lution und Republik bevor."

Es ist schwer begreiflich, wie der. Prinz sich
in solchem Maße über die in jenen November-
tagen bei den Führern der Sozialdemokratie
herrschende Stimmung täuschen konnte. Seit-
dem die revolutionäre Melle mit einer Schnel-
ligkeit, welche selbst die Drahtzieher der Ve-
wegung überraschte, sich über Deutschland aus>
gebreitet hatte, seitdem von Seiten der Regie-
rung nichts Wirksam.es geschehen war, um die
Bewegung einzudämmen, waren guch die Füh-
rer der Mehrheitssozialdemokratie, zumal sie
ein Abschwenken der Masien zu den Ünabhän-
gigen hin befürchteten, entschlosien, aufs Eanze
zu gehen, und selbst gemäßigte Männcr wis
David machten damals keinen Hehl mehr
daraus, datz der Ausweg einer kaiserlichen
Abdankung zu Eunsten des Enkels für sie nicht
mehr in Frage komme. Schon am 4. Novem-
ber forderte die sozialdemokratische Partei
Vayerns in Masienkundgebungen den Rück-
tritt der Hohenzollern dynastie, die Ehem-
nitzer Volksstimme erklärte am 6., mit den Ho-
henzollern gebe es keinen Frieden, weder fü:
Wilson noch für das deutsche Volk, und de:
Vorwärts äußerte am 3. vielsagend: ^.in dem
Argument, es handele sich bei der Kaiserfrage
nicht um die Person, sondern um das System,
um Monarchie und Ncpublik, liegt uielleichr
ein Stück werdender Wahrheit. Sobald die
Frage der Staatsform in Deutschland akut
wird, i st es klar, wo die Sozialdemo-
kratie ihrer Vergangenheit nach
Stellung nehmeL wird." Bei dicser
Stimmung im sozialdemokratischen Lagc:
konnte die Abdnnkung des Kaisers ohne Zwei-
fel auch am 8. Novembcr keine andcre Wir-
kung haben, als sie am 9. November^ wirklich
auslöste — die nun durch keinen Fahnoneid
mehr gebundene Truppe erlitt die schwcrste
moralische Erschütterung. Die letzte»-Stutzen
des bestehenden Regierungssystems brachen
zusammen und für die Verfechter des monar.
chisthen Eedankens war in dem bevorstehenden
Wahlkampf die Partie von vorne hereln ver»
loren.
 
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