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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Ein Wort in Sachen der Kunst von Emile Zola, [2]: Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0042

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verdeutscht von H. E. v. Berlepsch.

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Himmel möglicherweise grün erscheint — ich kenne sie
nicht minder durch und durch: Pisarro ist der erste, der
dieserweise seine Farbenprobleme löste. Ich trat mit
aller Kraft für ihn ein, indem ich erklärte, daß solche
Kombinationen in der Natur vorkämen. Die Folge
davon war, daß die Zeitungen jede weitere Mit-
arbeiterschaft von mir zurückwiesen, mir weitere Aeußer-
ungen unmöglich machten. Es sind die Bilder, die man
früher mit Abscheu aus dem „Salon" wegwies. Unsere
Tage bringen dafür
zahllose,übertriebene
Nachempfindungen.

Der Samen, bei
dessen Aussaat ich
mitthat, ist aufge-
gangen, aber in un-
geheuerlicher Weise,
sodaß ich unwillkür-
lich vor diesen Er-
scheinungen um einen
Schritt zurückweiche.

Nie habe ich die Ge-
fahr des Formel-
wesens in drohen-
derer Form sich mani-
festieren sehen, nie
das klägliche Ende
der Schulen deut-
licher erkannt, das
immer eintritt, wenn
die Begründer ihr
Werk vollendet haben
und vom Schauplatze
abgetreten sind. Jed-
wede Bewegung führt
schließlich zu Ueber-
treibungen und zur
Unwahrheit, wenn die
Mode sich ihrer be-
mächtigt. Der Durch-
bruch jeder Wahrheit
wird mit dem Blute
der anfänglichen Be-
kenner bezahlt. Durch
die bedingungslose
Nachbeterei aber
wird sie zum wu-
chernden Unkraut,
das ohne Erbarmen gemäht werden sollte.

Ich bin erwacht, mich durchrieselt es förmlich!
Dafür hätte ich mich mit allen Mitteln gewehrt, für
diese Hellmalerei, für diese Fleckenwirkung, für diese

Reflex-Erscheinungen und Lichtbrechungen meine lieber-
zeugung verfochten? War ich verwirrt? Denn das, was
ich sehe, ist häßlich, es macht mich erschaudern! O leerer
Wahn der Streitfragen, Nutzlosigkeit der Formeln und der
Schulen! Ich verließ die beiden diesjährigen Salons, um
mit mir selbst ins Gericht zu gehen, mich zu fragen, ob
ich Wohl gethan habe an dem, was ich damals that!

Die Antwort war ein „Ja". Ich habe gekämpft,
für die gute Sache gekämpft. Ich war sechsundzwanzig

Jahre alt und hielt
mich zu den Jungen,
zu den Tüchtigen.
Was ich damals in
Schutz nahm, würde
ich heute wieder ver-
teidigen, denn es
galt, die Fahne auf
ein feindlich Boll-
werk zu tragen und
aufzupflanzen. Wir
waren im Rechte,
denn unsere Begei-
sterung war ge-
gründet auf Ueber-
zeugungstreue. Wir
haben der Wahrheit
die Thore geöffnet.
Die breiten Massen
der Kunstübenden ist
mit hineingezogen
worden. Jst's unsere
Schuld, daß die Re-
sultate immer mehr
verflachten?

Die Meister
werden immer blei-
ben. Andere werden
auf neuen Bahnen
daherschreiten, aber
dauernden Wert wird
nur behalten, was
durch vollendete
Form eine Umwäl-
zung hervorzubringen
im stände war. Die
Bestimmung der
Schulen aber ist,
unterzugehen. Nur
schöpferischen Kräften ist das Recht des Triumphes be-
schicken, nur dem zeugenden Genie kann er eigen werden,
dem Genie, das Leben einzuhauchen und die Wahrheit
zu sagen versteht.


Gebirgsxarkie aus den Karpaten, von Karl von Telexy.

Aphorismen.

Die heutige Ueberschätzung des Wissens hat das Können,
das eigene Urteilen verachten gelehrt. Logisch denken wird
allenfalls zur Bildung notwendig erachtet Schöpferisches Denken
aber ist selten. Und noch viel seltener selbständiges Fühlen.
Die meisten Menschen haben das so vollständig verloren, daß
sie seine Existenz geradezu bestreiten. Der „Geschmack ist ver-
schieden", das ist ihr Lieblingswort. Da die Künste aber nicht
mehr aus der Welt geschafft werden können, sucht man ihnen
intellektuell beizukommen Man erfindet Theorien. Es ist
ziemlich gleichgültig, ob dieselben aus die Anpreisung eines be-

stimmten Stils als mustergültig, oder aus eine bestimmte Technik
oder auf die sogenannte Nachahmung der Natur hinauslausen.
Sie alle suchen der Kunst von außen durch ein intellektuelles
Urteil beizukommen, sie alle ignorieren die unmittelbare Wirkung
der Kunst. Aber sie alle haben Anhänger, und so ist das
Publikum in zahllose Parteien zerspalten. Der eine verlangt
griechische Nasen und griechische Gewänder, der andere große
philosophische Kompositionen, ein dritter Historienbilder, ein
vierter Dorfszenen, andere begehren Freilicht, und wieder andere
wissen große Worte vom Helldunkel zu reden. Dazu kommt

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