Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

DOI Artikel:
Nowack, Hans: Die Insel Madeira als Studienplatz für Maler
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0077

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Z4

Die Insel Madeira als Studienplatz für Maler, von 6 ans Nowack.

Skrahr in Funchal.

offerieren — Händler drängen sich um uns, Madeira-
stickereien, Gold- und Silberfiligranarbeiten, Photo-
graphien, kurzum all der Kram, der in so vielen Häfen
feilgeboten wird, kommt auch hier zum Verkauf. Kaum
daß man in dem allgemeinen Gewirr die Muße findet,
sich das Schönste von allem, nämlich das Panorama von
Funchal, vom Hafen aus, anzusehen. Selbst vielgereiste
Leute behaupten, etwas Lieblicheres als diesen Anblick
kaum irgendwo in der Welt gesehen zu haben.

In einem Bergkessel gelegen, der nach der See zu
offen ist, baut sich die Stadt darin amphitheatralisch
auf; seine, eigenartig gebauten, mit allen möglichen
und „unmöglichen" Farben bemalten Häuser und Quinten
(Landhäuser) bieten mit dem vielen Grün der Gärten
und den hohen Bergen im Hintergründe ein ebenso
eigenartiges als bestrickendes Farben- und Formenkonzert.

Gehen wir nun an Land. Sind die teilnahmsvollen
Erkundigungen der Portugiesischen Zollbeamten nach dem
Inhalte unseres Gepäcks abgethan, so werden wir bald
in irgend einem der zahlreichen Hotels gute Aufnahme
finden; man wundere sich nicht, wenn man dahin in
einem der räderlosen, schlittenartigen Vehikel geführt
wird, die hier üblich sind, und deren Brauchbarkeit nur
bei einem so eigenartigen Pflaster möglich ist, wie Funchal
es besitzt. Über Madeira als Kurort ist schon oft genug
geschrieben worden; daß die Insel als solcher heute nicht
mehr so viel ausgesucht wird als in früheren Jahren, ist
Thatsache. Schuld daran ist zum Teil die jetzt „moderne"
Bevorzugung von Höhenklimaten, wie Davos re., für
Lungenkranke, und auch wohl die Konkurrenz anderer

von Hans Nowack.

Winterstationen, die darum Erfolg hat, weil deren maß-
gebende Kreise mehr ihre Vorzüge zu preisen wissen, als
es hierzulande geschieht.

Für den Naturfreund und den Maler bietet jedoch
Madeira nach wie vor gleiche Anziehungskraft. Die
Pracht und der Reichtum der Farben, die man hier zu
sehen bekommt, zum größten Teil als Folge der mannig-
faltigen tropischen Vegetation, die in ihrer eigenartigen
Anlage und reicher Flora originellen Quintas mit ihren
Palmen, Drachenbäumen, Bananen rc., die oft großartige
Lage der Fischerdörfer längs der Küste, das Leben und
Treiben in denselben, sowie zum nicht geringsten Teile
das an malerischen Schluchten und Thälern reiche Innere
der Insel, deren Einsamkeit nur durch das Tosen und
Rauschen der zahlreichen Wasserfälle und Levadas (eine
Art von offenen Wasserleitungen) unterbrochen wird, dies
alles macht Madeira auch dem Maler lieb.

Man muß dabei noch wohl beachten, daß man hier
infolge des wunderbaren Klimas noch den Vorteil über
den nordischen Kollegen besitzt, fast das ganze Jahr hin-
durch ununterbrochen Naturstudien im Freien machen zu
können, da die Temperatur in Funchal nie unter -fi9°
Celsius sinkt und auch im Winter Regentage nicht zu
häufig sind. Ein reines Paradies für den Landschafter!
Eine Schwierigkeit besteht jedoch hier für den Figuren-
maler; der Umstand, daß hier unter den untersten Volks-
schichten viel Aberglauben herrscht, bringt es mit sich,
daß es sehr schwer ist, Modelle zu bekommen; die Leute
glauben zuweilen, es würde ihnen ein Leid zustoßen wenn
sie sich herbeiließen, Modell zu stehen. Mit einem unserer
 
Annotationen