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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Zu Franz von Lenbachs sechzigstem Geburtstage
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0098

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Zu Franz von^Lenbachs sechzigstem Geburtstage, von E. v. Berlepsch.

Lenbach gehört zu keiner
Gruppe, zu keiner jener Parteien, die
sich als die allein rechtmäßigen Ver-
treter der Kunst bezeichnen und im
Grunde doch bloß einen Existenzkampf
führen, genau so wie er auch ander-
wärts im Ringen aller Lebenden um
das Leben beobachtet werden kann.
Wozu auch in der Kunst Fahncn-Eide
leisten? Die Kunstgeschichte lehrt es
jedem, der es wissen will, daß stets
nur das Individuelle bleibend, weil
es das Kennzeichen des Genies ist.
Und wie viele wahre, eigentliche Genies
haben ihre Spur der Nachwelt ver-
erbt? Ach — sie sind an den Fingern
herzuzählen! Gefsroy sagt ungemein
richtig: Mit den Werken des Geistes
ist es wie mit den Städten, von
denen man sich allmählich entfernt;
wendet man von Zeit zu Zeit den
Blick rückwärts, so wird die Silhouette
immer einfacher, nur hohe Gebäude
machen sich noch geltend und schließ-
lich verschwimmt alles, alles im Dunst
und Nebel der Ferne.

Daran ließe sich nun freilich
auch die Betrachtung anknüpfen, daß
manche solche Silhouette auch verloren
geht, weil man sie verloren gehen
' läßt, sie absichtlich oder unabsichtlich
der Zerstörung anheimgicbt. Jede Zeit
macht ihre Rechte unbarmherzig geltend,
denn sie rechnet nur mit ihren Inter-
essen und kein „spekulativer" Kopf würde davor zurückschrccken, einen Zeus-Tempel zu demolieren, wenn
ihm die Lage „geschäftlich" gut, ein „Kaufhaus zum ehemaligen Zeus-Tempel" als nutzbringend erschiene.
Alles, worüber wir uns heute freuen oder auch nicht freuen, steht vielleicht, wahrscheinlich sogar einer künftigen
Zeit im Wege und sie erhebt unbarmherzig die Faust zum Zertrümmern. Möge ein gütig Geschick über dem
genial gelösten Werke Lenbachs walten und cs späten Generationen noch weisen. Das sei unser Wunsch zu
des Künstlers sechzigstem Wiegenfeste.

H. E. v. Berlepsch.


Vismsrck-Sludie. von Franz von Lenbach.

Aphorismen. -O-

Die Kunst erhebt den Geist auf lichte Bahnen,

Läßt Ewiges in göttlicher Bezirkung,
vollkommnes hinter Unvollkoininnen ahnen,

Zeigt Endliches unendlich in der Wirkung,
verklärt die Wirklichkeit Surch holden Schein,

Führt an der Schönheit Band zur Wahrheit ein,
Lehrt uns das Leben selbst zum Kunstwerk machen,
Die Wahrheit suchen und der Thorheit lachen.

Wer selbst keinen Geist hat wird ihn bei niemanden
finden; wessen Geist sich selbst nicht erhoben, zu dem spricht
Litian und Michel Angela vergebens.

Wer in sich selbst nicht stecken bleibt,
wen's immer rastlos vorwärts treibt,
vertrauend frohen bserzenschlags
Der Sonne jedes neuen Tags, —

Der zählet zu der „Jungen" Schär,

Und wäre alt er hundert Jahrl

A. Stier.

Wir halten in Sachen der Kunst oft etwas unter der
Natur, weil es nicht eine Linie über die Natur hinaus ist.

Gute große Kunst ist für die Seele des Menschen das-
selbe, was frische reine Lust für den menschlichen Körper ist.
 
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