lveihnachtsbücherschau.
zos
zuteil wurde, von dem gleich im ersten Jahr über 56 000 Exem-
plare verkauft wurden Das ist allerdings nnr bei so beispiellos
billigem Preis möglich, er aber vermag auch solchem Werk die
Erfüllung seiner Bestimmung in einem Umfang zu ermöglichen,
die ;eden Künstler und Schriftsteller mit Neid erfüllen muß.
C. W. Allers, Hochzeitsreise nach Italien. (Stutt-
gart, Union, gebd. 25 M.l Seiner vor einigen Jahren erschienenen
„Hochzeitsreise durch die Schweiz", die so viel wohlverdienten Bei-
fall gefunden, hat der unermüdliche Hamburger jetzt eine solche
nach Italien — d. h. nach Oberitalien — folgen lassen, welche
ungefähr dieselben Vorzüge zeigt, die jene so beliebt gemacht.
Allers idealisiert gar nichts, giebt Dinge und Menschen genau wie
sie sind, mit einer oft verblüffenden, noch öfter aber entzückenden
Wahrheit wieder, d. h. immer so, daß mau darauf schwört, daß es
sich genau so Verhalten. So lernen wir hier in dem die Hochzeits-
reise antretenden Ehepaar etwa einen Hamburger Kaufmann kennen,
wie tausend andere, der sich offenbar ziemlich lange besonnen
hatte, bis er sich ins süße Joch der heiligen Ehe bequemte. Seine
Neuvermählte, die wir zuerst im Gotthard-Tunnel neben dem Gatten
stehend sehen, ist keineswegs siebzehn-, sondern eher siebenund-
zwanzigjährig, aber immerhin eine jener anmutigen Erscheinungen,
wie man ihnen bei uns so oft begegnet, wo die viele „Bildung"
die natürliche Naivetät und Herzensgüte noch nicht ganz erdrückt
hat. Wartet sie doch mit ihrem ersten Zank bis Lugano! Ja,
sie ist sogar so offen, vor Lionardos „Abendmahl" in Mailand
dem Gatten zu bekennen, daß sie die davorstehende Kopie eines
alten Bilderfabrikanten viel hübscher finde, „da sie so viel feiner
ausgesührt sei und so viel schönere Farben habe". Uebrigens
geht ihr Ehrgeiz durchaus nicht auf Besitz eines solchen An-
denkens aus Mailand, sondern auf oen eines neuen Hutes, „die
man dort so schön mache . . . ." Kurz, sie beide zeigen uns
deutlich, welchen Vorteil so unendlich viel Deutsche beiderlei Ge-
schlechts aus ihren italienischen Reisen ziehen! Sehr viel klarer
freilich macht uns Allers den, welchen die Italiener aus dieser
Reiselust unserer Landsleute nach „dem schönen Süden" heraus-
zuschlagen wissen, denn sie in ihren Lumpen und ihrer lumpigen
Beredsamkeit sebildert er unübertrefflich. Seit Murillo hat man
keine besseren Betteljungen der Natur abgestohlen.
Sockelfigur vom Kaiser- und Krieger-Denkmal
in Posen, von Robert Bärwald.
Friedrich
Wasmann. Ein
deutsches Künstler-
leben, von ihm
selbst geschildert,
herausgegeben von
Bernt Grön-
vold. (München,
Verlagsanstalt F.
Bruckmann, 50 M.)
Diese Selbstbiogra-
phie rührt von
einem Künstler je-
ner romantischen
Periode zu Anfang
des Jahrhunderts
her, der, ohne es
zu großem Rufe zu
bringen, doch in
seiner ganzen Ent-
wickelung höchst
charakteristisch für
jene ganze Zeit ist,
die so oft aus Pro-
testanten eifrige, ja
fanatische Konver-
titen machte. Man
kann dasBuch schon
darum als ein hoch-
interessantes Kul-
turbild empfehlen.
Ganz besonders be-
zeichnend für die
damals herrschen-
den Anschauungen
ist, daß dieser junge
Hamburger, der,
1805 geboren, noch
eben die schreckliche
Periode der fran-
zösischen Herrschaft
Konkurrrnz-Lnlivurf für rin Bismarck-
Denkmal in Düsseldorf
von Robert Bärwald.
in der Stadt mit-
gemacht und dann
das Ghmnasium
besucht hatte, her-
nach noch immer
nicht wußte, was er eigentlich werden möchte und lange zwischen
Arzt und Künstler schwankte. Letzterer erhielt nur durch den
Beistand des Zeichenlehrers, der ihn für ein Talent erklärte,
das Uebergewicht, und so ward denn der Jüngling zu seiner
Ausbildung an die Dresdener Akademie gesandt. Dort ge-
riet er in die Hände des talentvollen Konvertiten Näke, was
bestimmend ward für sein ganzes Leben. Als Künstler phantasie-
los und ohne Farbensinn, bildete er sich doch bald wenigstens
zu einem ausfallend guten Porträtzeichner. Die geistlose Kunst
der Hartmann und Mathäi an der damaligen Dresdener
Akademie konnte freilich trotz ihres besseren Könnens mit Näke
keinen Vergleich aushalten, und so blieb Wasmann diesem treu.
Kränklich und schwächlich nach Hamburg zurückgekehrt, ist es ganz
bezeichnend für seine Geistesart, daß er jetzt in einen litterarischen
Verein eintrat, obwohl er auch viel mit Runge und Speckter, wie
anderen Anhängern der romantischen, sich von München her über
Norddemschland verbreitenden Richtung verkehrte. Die auffallende
Schärfe seiner Auffassung alles Individuellen, die man in all
den vielen mitgeteilten Bildnissen erkennt, verschaffte ihm jetzt ein
Stipendium, mit welchem er 1829 nach München kam — mitten
in das Treiben der katholischen Romantiker hinein, dem er sich
natürlich bald anschloß. Seine schwächliche Gesundheit vertrug
jedoch die in jeder Beziehung rauhe Münchener Luft nicht, und
so wandelte er denn bald, erst nach Südlirol, wo er in Meran
noch drei Winter verbrachte und Beda Weber, den Dichter und
Politiker, kennen lernte. Dann ging es endlich zu Fuß nach
Rom, wo er, 1832 ankommend, mitten unter die sich an Overbeck
anschließende Künstlerschar geriet und nach einigen Jahren auch
richtig konvertierte. Seine Berichte über das damalige Deutschtum
in Rom sind hochinteressant. Bald darauf mußte er aber zurück-
kehren und verschaffte sich später in Hamburg durch seine Bildnis-
malerei rasch eine hübsche Stellung, weil er in der That nicht
nur die Individualitäten mit merkwürdiger Schärfe wiedergiebt,
Die Aunst für Alle XII.
zos
zuteil wurde, von dem gleich im ersten Jahr über 56 000 Exem-
plare verkauft wurden Das ist allerdings nnr bei so beispiellos
billigem Preis möglich, er aber vermag auch solchem Werk die
Erfüllung seiner Bestimmung in einem Umfang zu ermöglichen,
die ;eden Künstler und Schriftsteller mit Neid erfüllen muß.
C. W. Allers, Hochzeitsreise nach Italien. (Stutt-
gart, Union, gebd. 25 M.l Seiner vor einigen Jahren erschienenen
„Hochzeitsreise durch die Schweiz", die so viel wohlverdienten Bei-
fall gefunden, hat der unermüdliche Hamburger jetzt eine solche
nach Italien — d. h. nach Oberitalien — folgen lassen, welche
ungefähr dieselben Vorzüge zeigt, die jene so beliebt gemacht.
Allers idealisiert gar nichts, giebt Dinge und Menschen genau wie
sie sind, mit einer oft verblüffenden, noch öfter aber entzückenden
Wahrheit wieder, d. h. immer so, daß mau darauf schwört, daß es
sich genau so Verhalten. So lernen wir hier in dem die Hochzeits-
reise antretenden Ehepaar etwa einen Hamburger Kaufmann kennen,
wie tausend andere, der sich offenbar ziemlich lange besonnen
hatte, bis er sich ins süße Joch der heiligen Ehe bequemte. Seine
Neuvermählte, die wir zuerst im Gotthard-Tunnel neben dem Gatten
stehend sehen, ist keineswegs siebzehn-, sondern eher siebenund-
zwanzigjährig, aber immerhin eine jener anmutigen Erscheinungen,
wie man ihnen bei uns so oft begegnet, wo die viele „Bildung"
die natürliche Naivetät und Herzensgüte noch nicht ganz erdrückt
hat. Wartet sie doch mit ihrem ersten Zank bis Lugano! Ja,
sie ist sogar so offen, vor Lionardos „Abendmahl" in Mailand
dem Gatten zu bekennen, daß sie die davorstehende Kopie eines
alten Bilderfabrikanten viel hübscher finde, „da sie so viel feiner
ausgesührt sei und so viel schönere Farben habe". Uebrigens
geht ihr Ehrgeiz durchaus nicht auf Besitz eines solchen An-
denkens aus Mailand, sondern auf oen eines neuen Hutes, „die
man dort so schön mache . . . ." Kurz, sie beide zeigen uns
deutlich, welchen Vorteil so unendlich viel Deutsche beiderlei Ge-
schlechts aus ihren italienischen Reisen ziehen! Sehr viel klarer
freilich macht uns Allers den, welchen die Italiener aus dieser
Reiselust unserer Landsleute nach „dem schönen Süden" heraus-
zuschlagen wissen, denn sie in ihren Lumpen und ihrer lumpigen
Beredsamkeit sebildert er unübertrefflich. Seit Murillo hat man
keine besseren Betteljungen der Natur abgestohlen.
Sockelfigur vom Kaiser- und Krieger-Denkmal
in Posen, von Robert Bärwald.
Friedrich
Wasmann. Ein
deutsches Künstler-
leben, von ihm
selbst geschildert,
herausgegeben von
Bernt Grön-
vold. (München,
Verlagsanstalt F.
Bruckmann, 50 M.)
Diese Selbstbiogra-
phie rührt von
einem Künstler je-
ner romantischen
Periode zu Anfang
des Jahrhunderts
her, der, ohne es
zu großem Rufe zu
bringen, doch in
seiner ganzen Ent-
wickelung höchst
charakteristisch für
jene ganze Zeit ist,
die so oft aus Pro-
testanten eifrige, ja
fanatische Konver-
titen machte. Man
kann dasBuch schon
darum als ein hoch-
interessantes Kul-
turbild empfehlen.
Ganz besonders be-
zeichnend für die
damals herrschen-
den Anschauungen
ist, daß dieser junge
Hamburger, der,
1805 geboren, noch
eben die schreckliche
Periode der fran-
zösischen Herrschaft
Konkurrrnz-Lnlivurf für rin Bismarck-
Denkmal in Düsseldorf
von Robert Bärwald.
in der Stadt mit-
gemacht und dann
das Ghmnasium
besucht hatte, her-
nach noch immer
nicht wußte, was er eigentlich werden möchte und lange zwischen
Arzt und Künstler schwankte. Letzterer erhielt nur durch den
Beistand des Zeichenlehrers, der ihn für ein Talent erklärte,
das Uebergewicht, und so ward denn der Jüngling zu seiner
Ausbildung an die Dresdener Akademie gesandt. Dort ge-
riet er in die Hände des talentvollen Konvertiten Näke, was
bestimmend ward für sein ganzes Leben. Als Künstler phantasie-
los und ohne Farbensinn, bildete er sich doch bald wenigstens
zu einem ausfallend guten Porträtzeichner. Die geistlose Kunst
der Hartmann und Mathäi an der damaligen Dresdener
Akademie konnte freilich trotz ihres besseren Könnens mit Näke
keinen Vergleich aushalten, und so blieb Wasmann diesem treu.
Kränklich und schwächlich nach Hamburg zurückgekehrt, ist es ganz
bezeichnend für seine Geistesart, daß er jetzt in einen litterarischen
Verein eintrat, obwohl er auch viel mit Runge und Speckter, wie
anderen Anhängern der romantischen, sich von München her über
Norddemschland verbreitenden Richtung verkehrte. Die auffallende
Schärfe seiner Auffassung alles Individuellen, die man in all
den vielen mitgeteilten Bildnissen erkennt, verschaffte ihm jetzt ein
Stipendium, mit welchem er 1829 nach München kam — mitten
in das Treiben der katholischen Romantiker hinein, dem er sich
natürlich bald anschloß. Seine schwächliche Gesundheit vertrug
jedoch die in jeder Beziehung rauhe Münchener Luft nicht, und
so wandelte er denn bald, erst nach Südlirol, wo er in Meran
noch drei Winter verbrachte und Beda Weber, den Dichter und
Politiker, kennen lernte. Dann ging es endlich zu Fuß nach
Rom, wo er, 1832 ankommend, mitten unter die sich an Overbeck
anschließende Künstlerschar geriet und nach einigen Jahren auch
richtig konvertierte. Seine Berichte über das damalige Deutschtum
in Rom sind hochinteressant. Bald darauf mußte er aber zurück-
kehren und verschaffte sich später in Hamburg durch seine Bildnis-
malerei rasch eine hübsche Stellung, weil er in der That nicht
nur die Individualitäten mit merkwürdiger Schärfe wiedergiebt,
Die Aunst für Alle XII.