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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Pariser Studientage: kollegialischer Ratgeber für Malerinnen und solche, die es werden wollen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0197

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Pariser Studientage.

Minsen Awdientage.

Uollegialischer Ratgeber für Malerinnen und solche, die cs werden wollen.


Nachdem Marie Bashkirtseff in ihrem „Tagebuch"
die ausgiebigste Propaganda für die Akademie
Julian gemacht hat, glaubt jede ihrer Kolleginnen, welche
nur eine Kohle spitzen kann, durch einen Studienwinter
in Paris den Gipfel des Parnaß zu erklimmen. Die
heimatlichen oft ganz vorzüglichen Lehrer genügen den An-
fängerinnen nicht — ihr Genius kann nur an den Wassern
gedeihen, das zu Besnards und Boldinis Füßen rauscht.

Fast jede Deutsche beginnt ihren Studiengang in
einem der vier Ateliers von Julian. Uns wird beim
Anmelden von der eleganten Repräsentantin ein blaues
Büchlein eingehändigt, welches die süßlichsten Lobhudeleien
und die Parfümiertesten Beschreibungen des Lebens und
Treibens in der Julian enthält. Thatsächlich sind die
vier Studienräume vier Ateliers von sehr schlechtem
Licht, sehr schlechter Luft, elenden Plätzen, in denen
durchschnittlich sehr schwach gearbeitet wird. Das in der
„Passage <iu Panorama" gilt als „acallemie la plus
körte", ist aber gesundheitlich das ungünstigste; das in
der „rue cle Lerrv", das hellste und geräumigste, ist zu
einem vollkommenen Dilettantenatelier der reichen Eng-
länderinnen und Amerikanerinnen herabgesunken, die dort
ihre Reitverabredungen treffen. Nachdem die ganze Woche
hindurch die Anfängerin sich mit einer „acackemie" allein
abgequält hat, kommt am Sonnabend ,,Ie grauet maltre".

Ein erhabener Augenblick! Eine Schar Lernbegieriger
folgt ihm von Staffelei zu Staffelei, verklärt zu ihm
hinblickend. Der dicke behagliche Bouguerau packt ge-
legentlich einmal eine Schülerin an die Schulter, „re-
garcker dien, ma douus clemoiselle". Er geht die ganze
Klasse durch, in den verschiedensten Tonarten murmelnd:
„il taut etuclier plus soigneusemsut".

Am meisten von Deutschen besucht ist die Julian
mit Korrekturen von Lefebvre, der von urteilsfähigen
Autoritäten als vortrefflicher Lehrer gerühmt wird. Aber
diese Herren sind als reife Künstler hingegangen; hier
handelte es sich um keine Schülerinnen-Korrektur in
einem schwachen Damenatelier, sondern um eine all-
gemeine künstlerische Anregung. Die Damenklassen der
Akademie Julian sind jetzt zu einer Sache der Mode und
des Chics herabgesunken — ihr Hauptbestand besteht in
lärmenden, schwatzenden Dilettantinnen oder Anfängerinnen,
die das Kunstniveau der Klasse trotz des tüchtigsten Lehrers
herunterdrücken. Gesellschaftlich stehen die Julians auf
einem sehr hohen Niveau, „ckames cle compagnies sonl
ackmises".

Im cquartier laiin liegt die Antipode der Julian,
die „acacleoaie dokemieuns" von Paris.

Schon der Eingang, ein von bröckligem Mauerwerk
umfaßter, mit Epheu und wildem Wein umrankter Hof,
 
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