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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Winter, Franz: Der Silberschatz von Boscoreale
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0232

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Der Silberschatz von Boscoreale.


durch denselben Vesuvausbruch des Jahres 79 nach Chr.
verschüttet worden ist, der Pompeji unter Asche legte.
Das tragische Ende des einstigen Besitzers der Villa oder
eines seiner Diener, der beim Hereinbrechen der Kata-
strophe die Kostbarkeiten des Hauses zusammenraffte, bei
dem Rettungsversuche aber unter den Trümmern des
Hauses begraben wurde, ist für uns die glückliche Ursache
geworden, daß der außerordentlich reichhaltige Schatz in
seiner ganzen Vollständigkeit erhalten geblieben ist.

Von dem Luxus, den man in römischer Zeit mit
Silbergeschirr trieb, erzählen die alten Schriftsteller viel.
Reiche Leute hielten sich ihre eigenen Ciseleure, und be-
sondere Sklaven für das Silberzeug waren in begüterten
Haushalten nichts Ungewöhnliches. Schon zu Ciceros
Zeit hatte man silbernes Küchengeschirr in Gebrauch,
römische Beamte in den Provinzen führten silbernes
Reisegeschirr mit sich. Wie weit der Luxus in dieser
Richtung ging, davon gaben schon die früheren Funde
ein deutliches Bild. Der Schatz von Boscoreale ergänzt
und verlebendigt dieses Bild, indem er uns das Silber-
zeug eines wohlhabenden Hausstandes in seinem ganzen
geschloffenen Umfange, wie es der Besitzer zusammen-
gebracht hatte, kennen lehrt. Die Auswahl der Stücke
zeugt von feinem Geschmack, der Eigentümer war offenbar
Kenner und Liebhaber. Er hat ebenso nach künstlerischen
Rücksichten wie nach praktischen Gesichtspunkten gesammelt.
Es fehlt unter den 95 Stücken des Schatzes nicht an
zahlreichem Gebrauchsgerät. Casserolle, Schälchen, Näpfe,
Löffel u. a. sind, wie im Hildesheimer Schatze, vertreten,
aber das Ganze stellt keineswegs ein vollständiges Tafel-
service vor. An Tellern, derart z. B. wie im Hildes-
heimer Schatz zwei Garnituren zu je drei Stück, ent-
sprechend dem Gebrauch des Tricliniums, vertreten sind,
ist nichts vorhanden. Um so größer ist die Menge kost-

Ng. s-

baren Trinkgeschirrs, das den eigentlichen Hauptbestand
des Schatzes bildet.

Zwei silberne Handspiegel gehören mehr zu den
Schmuck- und Toilettesachen der Frau des Hauses, die
sich gleichfalls und dazu noch ein großer Haufen baren
Geldes in Goldmünzen zusammen mit dem Geschirr ge-
funden haben. Die Spiegel sind von sehr eleganter,
leichter Form, auf der Rückseite der Spiegelfläche mit
zierlichen Reliefs versehen, der eine mit dem Bilde der
Liebesgeschichte der Leda, der andere mit der Büste einer-
jugendlichen, schönen Bacchantin. Der letztere Spiegel
ist dadurch merkwürdig, daß er eine Künstlerinschrift
trägt, die einen Marcus Domitius Polygnos als Ver-
fertiger nennt. Auch von den Gefäßen sind einige mit
Inschriften versehen. Es sind meist zur Kontrolle
dienende Gewichtsangaben, dabei steht mitunter ein Name
im Genetiv ohne weitere Bezeichnung, so daß man im
Zweifel darüber ist, ob diese Namen die Verfertiger
oder die Eigentümer der Gefäße angeben. Da die er-
haltenen Namen verschieden lauten, so bezeugen sie auf

Fig. 4-

alle Fälle, daß das Geschirr nicht ein einheitliches, zu-
sammenhängendes Ganzes darstellt, sondern aus ver-
schiedenen Werkstätten erworben oder aus verschiedenem
Besitz zusammengebracht ist. Das Gleiche lassen auch
die Gefäße selbst erkennen. Sie sind bis auf wenige
einzelne zu Paaren gearbeitet, so daß je zwei in Form
und Dekoration sich entsprechen. Die Paare unterein-
ander aber entsprechen sich nicht. Auch in den modernen
Haushaltungen Pflegt das Silberzeug nicht ganz gleich-
artig zu sein. Ererbtes und dazu Erworbenes, Altes,
auch antiquarisch Gekauftes und Neues kommt zusammen.
Nicht anders war es in dem Haushalte der Villa von
Boscoreale. Man schätzte in der römischen Kaiserzeit
das alte Silber sehr hoch und zahlte für griechische
Gefäße aus früheren Jahrhunderten, zumal wenn sie eine
Künstlerinschrift trugen, hohe Preise. Solche altertümliche
Stücke sind nicht in diesem Schatze, aber immerhin hatte
der Besitzer neben dem Modernsten Gefäße, die zwei bis
drei Generationen alt waren. Sie sind kenntlich an der Ab-
nutzung der Oberfläche, zum Teil auch an der Dekoration:
denn natürlich war zur Zeit des Augustus, wie wir es
besonders deutlich an den Wandmalereien sehen, eine
andere Dekoration Mode, als zur Zeit des Nero und
Vespasian, aus der ja das ganze neue Silber des Schatzes
stammen muß.

Zu den älteren Stücken gehören ein paar große
Kannen mit Reliefbildern in dem antikisierenden Empire-
Stil der Augusteischen Zeit: Figuren von Niken mit
Opfertieren vor dem Altar und dem Bilde der Sieg
verleihenden Göttin schmücken die gebogene Fläche der
Kannen, unten vom Boden her wachsen Akanthosblätter
 
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