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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Ebers, Georg: Goethes Königslieutenant und Frankfurter Bilder aus der Provence
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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Vermischte Nachrichten - Kunstliteratur u. vervielf. Kunst
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Goethes Königslieutenant und Frankfurter Bilder aus der Provence.

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nicht unwert. Jedenfalls ist an dem Kopfe des an die
Midianiter verkauften Knaben (s. d. Schlußvignette) kein
Zug, der nicht dem jungen Wolfgang angehört haben
könnte. Wie aber beinahe das gleiche Haupt in das
Bild Angelika Kaufmanns, die römische Freundin Goethes,
kam, das den nämlichen Stoff behandelt, weiß auch
Schubart nicht zu erklären. Vielleicht benützte sie das-
selbe Porträt des jungen Goethe, dessen Seekatz sich be-
dient hatte, als er den Knaben Josef darstellte.

Im Hause der Nachkommen Thorancs war dem
Verfasser auch zu erkennen vergönnt, daß der Name
des Königslieutenants nicht Thorane sondern Thoranc
(mit dem c statt des e am Ende) lautete. Schubart
stellte die Richtigkeit dieser Lesung unerschütterlich fest.

Geduld und ein nicht geringes Maß von diploma-
tischer Geschicklichkeit führten unseren Freund erst ein
volles Jahr später dahin, die Seekatzschen Bilder aus
dem Leben Josefs in seinen Besitz zu bringen, um sie
endlich dem Goethe-Hause in Frankfurt, die Stätte, an
die sie sicherlich besser als an jede andere gehören, als
kostbares Geschenk zu verehren.

Das Porträt des Königslieutenants wurde Schubart
von dem Besitzer nach Deutschland geschickt und dort
von Ernst Hemcken in Dresden kopiert. Die Heliogravüre,
die das Buch als Titelblatt schmückt, wurde nach dieser
wohlgelungenen Nachbildung hergestellt. Das Original
ist, wie Schubart überzeugend nachweist, dem Darm-
städter Hofmaler Johann Christian Fiedler zuzuschreiben,
und mit bemerkenswertem Geschick weiß er dies liebens-
würdige Männerbildnis „aus der Zeit der Perücke, der
Schminke und des Puders", an dessen Authenticität
nicht zu zweifeln ist, mit Goethes Schilderung des
Königslieutenants „das Gesicht durch die Blattern sehr
entstellt, mit schwarzen, feurigen Augen rc." in Einklang
zu bringen.

Mancherlei über den Grafen Kranyois äe Tböas
comte cke Tkoranc: gelang es dem Verfasser ans Licht
zu ziehen, leider aber nichts, was sich auf den Verkehr
des Königslieutenants mit der Familie Goethe und den
Knaben Wolfgang bezöge. Dabei schrieb der liebens-
würdige Franzose gern und nicht wenig, und es wäre
darum zu erwarten gewesen, seine Frankfurter Gast-
freunde wenigstens von ihm erwähnt zu finden. Dennoch
kommt in seinen Aufzeichnungen der Name Goethe
kein einzigesmal vor. Sie genügen aber, um zu zeigen,
wie grundverkehrt die Vorstellung ist, die Gutzkows
Königslieutenant von diesem Manne erweckt. Welche
Zerrbilder dies Lustspiel von dem Knaben Wolfgang
(eine Damenrolle), von der Mutter und dem Rat Goethe
enthält, wurde schon von Julian Schmidt treffend gekenn-
zeichnet; Schubart aber eignet das Verdienst, die keines-
wegs bedeutungslosen Frankfurter Maler von dem Fluch
der Lächerlichkeit befreit zu haben, die ihnen unter den
Gebildeten infolge dieser unseligen Komödie anhaftet.
Ihr Verfasser stellte sie zur Feier des hundertjährigen
Geburtstages Goethes in Frankfurt eilig her. Dies
entschuldigt einigermaßen die unzulängliche Vertrautheit
des Dichters mit seinem Stoffe und die herabwürdigende
Darstellung der Frankfurter Künstler. Daß Gutzkow diesen
und mit ihnen dem Grafen Thoranc aber auch noch später,
bei der Beschreibung einer Reise, die ihn an der Heimat
des Königslieutenants vorbeiführte, ohne jeden erkenn-
baren Anlaß einen empfindlichen Streich versetzt, ist so

bedauernswert wie unerklärlich. Welche Vorstellung
über die Grenzen von „Dichtung" und „Wahrheit" muß
im Geiste des Mannes geherrscht haben, der den Ver-
kehr des jungen Goethe im elterlichen Hause mit dem
Grafen Thoranc dem Reiche der Fabel zuzuweisen versucht!
Jeder Billigdenkende wird es Schubart Dank wissen,
daß er diesen Verdächtigungen und Entstellungen den
Garaus machte und auch den „rechtschaffenen Begriff"
von „Dichtung und Wahrheit" feststellte. Was er über
die Maler aus dem achtzehnten Jahrhundert, Johannes
Christian Fiedler, Johann Konrad Seekatz, Junker,
Hirth, Nothnagel, Schütz und Trautmaun, sowie über
die Josefsbilder zu sagen weiß, erweckt neue Teilnahme
für ,ein vernachlässigtes Gebiet der deutschen Kunst.
Zum Schluß sei noch des Urteils eines Pariser Bilder-
restaurators und sogenannten Kunstkenners über die von
Thoranc in Frankfurt erworbenen Bilder gedacht. Er
hatte sie, bevor er sie in Graste an die Wände befestigen
ließ, diesem Herrn zugeschickt, um zu erfahren, was man
in Paris von ihnen halte. Das Urteil Godefrois fiel
besonders für Seekatz sehr ungünstig aus, während er
Trautmann mehr Gnade widerfahren ließ. Der schwerste
Vorwurf, dem er jenem machte, lautete bezeichnend und
ergötzlich genug: «II n'a pas cbercke les ellects.»

Mit dem nämlichen Tadel hätte Herr Godefroi
auch die sachliche und gründliche, selbst, wo es den seinen
entgegenstehende Ansichten zu widerlegen gilt, vornehm
gelassene und dennoch höchst anregende Darstellungs-
weise Schubarts sicher bedacht. Georg Ebers.


-L MnnfpMche. 8-

Kam schon mancher in göttlicher Sendung,
Krafterfullt, ein Genius, ein bseld;

Seine Mission in dieser Welt
Brachte er aber nicht zur Vollendung.

Weil ihn die jauchzende Menge verdorben,
Die ihn gehoben hoch aus den Schild,

Ihn entwürdigt zum Götzenbild,

War das Göttliche in ihm gestorben.

Erst klagen sie, daß das Original
verschwinde aus Kunst und Leben,
Und wird dem Unzusried'nen einmal
Ein echtes und rechtes gegeben,

Dann soll es auf die modernen Straßen,
In die altgewohnte Schablone passen;
Und weil sich solches schlecht vereinigt,
Wird's ausgestoßen und gesteinigt.

Die Konst fär Alle XU.
 
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