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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Heilbut, Emil: Studie über den Naturalismus und Max Liebermann, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0289

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226

Studie über den Naturalismus und Mar Liebermann.

Epoche, die nach einer Zeit der Verzärtelung zu einem Anschauen gelangte, das mit der Kunst der alten
Holländer sympathisiert. (Es ist verwandt, aber nicht identisch.) Aber Liebermann ist bei dieser „Allheilmittel"-
Malweise freilich stehen geblieben. Er hat allerdings das kunsthistorische Verdienst, daß einmal die Bewegung
über ihn ihren Lauf nahm, doch wird jetzt von niemandem geleugnet, daß gegenwärtig die Bewegung ihn schon
wieder verlassen hat, daß sie weiter und über ihn hingeschritten ist. Da ist es aber bewundernswert, wie

er, der in einem gewissen Moment der Fels bei uns war, über den sie ihren Lauf nahm, sich aufrecht hält:

er ist stehen geblieben, als der Fels, welcher er war, mit lockender, malerischer Steinfülle, während dort, wo

die schäumende Bewegung über Uhde dahinfloß, jetzt nur auseinandergefallene morsche Haufen die Stelle an-

deuten, die dieser Maler einst einnahm. In dem ungeheuren Stürmen und Drängen ist Liebermann allein,
anders als Uhde, eine kompakte Masse geblieben. Er allein von den beiden verdient als eine Größe behandelt
zu werden, die die malerische Kultur beeinflußt hat.

Ihn und Menzel sollte man in einen Gegensatz stellen, um die Einflüsse beider gegeneinander ab-
zuwägen. Der Einfluß des einen folgte dem des andern oder vielmehr, Menzel hat einen Einfluß auf die
Jüngeren nie besessen, es ist erstaunlich, wie wenig er Einfluß besaß, dagegen nahte sich die Bewegung begeistert
dem Wirken Liebermanns und das, wodurch er die Bewegung an sich zog, war seine malerische Kultur.
Menzel bot diese nicht.

Man sollte einmal ein die Bedeutungen Menzels und Liebermanns zusammenfassendes Buch schreiben.
Die erste Hälfte würde Menzel gehören, die zweite Liebermann. Aber die Teile würden in verschiedener Weise
komponiert werden müssen.

Die Menzelhälfte dürfte lediglich aus der Menzelbiographie bestehen. Er war er selbst allein. Es
müßte eine eingemauerte Biographie Menzels werden. Dagegen die Liebermaunhälfte müßte vieles außerhalb
Liebermanns enthalten, die kurze Biographie käme erst am Ende. Während Menzel als ein gewaltiges Indi-
viduum dargestellt werden müßte, gewaltsam, im eigenen Lichte glänzend, müßte in den Anfangskapiteln der
Liebcrmannhälste weitausholend von dem Wiedererwachen des Verständnisses für gute Kunst gesprochen werden,
der Anfang des wissenschaftlichen Verstehens der alten Holländer müßte gezeigt, dann auf die französische
Schule von 1830, insonderheit Millet hingewiesen werden, endlich mit einem Streifblick auf die jüngeren
Holländer (Israels) und selbst auf die präziseren Franzosen der Neuzeit (Bastien-Lepage) käme man in dem
Schlußkapitel zu Liebermann, von dem dargelegt werden würde, daß er, wenn auch durch sein Erkennen unter-
stützt, doch mehr noch Künstler als Gelehrter war, von Race und Energie durchtränkt, der nicht nur erste, sondern
auch der bestdisponierte unter jenen deutschen Künstlern, die die holländisch-französische Kunst erzogen hatte.
Während Menzel seinen Liebhabern sich persönlich gab, drang Liebermann nur allmählich und zögernd zum Siege
vor, den er keineswegs allein sich, sondern auch seinen guten Prinzipien verdankte. Zwar war auch er eine
Individualität, mehr noch als eine Individualität war er aber ein Ergebnis. Menzel war nur Individualität.
Zu ihm kamen die Kunstfreunde, die sich für ihn begeisterten, direkt, unmittelbar; zu Liebermann kamen sic

mittelbar, nur diejenigen sahen d. h. be-
merkten ihn, die durch ihn hindurch die
alte holländische Kunst sahen. Diese frei-
lich sah durch ihn hindurch so aus, wie
etwas Schönes durch einen eigenartig flam-
menden und aufregenden Schein hindurch
gesehen . . .

Die Kunstfreunde gewöhnen sich nur
allmählich an ihn, die Maler gewöhnten
sich viel schneller; die wenigstens, die Freude
an einem kraftvollen Sichhindrängen an die
Natur hatten. Und die Kunstgclehrten sind
jetzt sämtlich auf Liebermanns Seite: schon
aus Botmäßigkeit, die Parole ist ergangen
und unter den Kunstgelehrten herrscht der
modernen Kunst gegenüber eine lobens-
würdige Verständigung.

Wenn dieses erwünschte Werk über
Menzel und Liebermann unser noch leiden-
schaftliches Empfinden Menzel gegenüber
und die Motive, welchen unsere Sympathie
Schusterwerkstatt, von mar Licberman„. pir Liebcrmann entstammt, zusammenfaßt,

Das Original in der Galerie Laure zu j)aris.
 
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