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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Voll, Karl: Internationale Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0316

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Internationale Kunstausstellungen.

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hat mich darum einmal gewarnt, den sogenannten statistischen Nachweisen gegenüber ans der Hut zu sein; denn
die Statistik ist eine feile Dienerin, die sich jedem Irrtum gefügig zeigt. Deshalb haben auch Herrn Schuchs
scheinbar so beredte Zahlenangaben keine Wirkung auf mich. Ich erwartete eine Darstellung des inneren Zu-
sammenhangs zwischen den einzelnen Ziffern; da Herr Schuch ihn nicht giebt, so suchte ich ihn selbst und glaube
ihn gefunden zu haben. Der Fall liegt derart, daß seit dem Jahre 1888 in München jährlich wiederkehrende
internationale Ausstellungen stattsinden. Während aber noch 1888 ein sehr günstiges Verkaufsresultat zu ver-
zeichnen war, ist seitdem unserer Kunst kein solch gesegneter Goldregen mehr zu teil geworden. Es liegt
nun freilich nahe, die Internationalen dafür verantwortlich zu machen; aber das sollte dann an den übrigen
Thatsachen, deren äußere Belege die Zahlen sind, nachgewiesen werden; es sollte auch von den Verhältnissen,
die vorher obgewaltet haben, etwas weniger vag gesprochen werden, und endlich wäre es wünschenswert, die
genauen Summen zu erfahren, die seit 1888 ans jeder der Münchener Internationalen eingingen. Aus der
mehr oder minder großen Stetigkeit der Abnahme der Kauflust könnte man ja dann auch recht gute Schlüsse
ziehen. Das alles fehlt in dem in Rede stehenden Artikel. Aber das sind nur Nebensächlichkeiten gegenüber
dem erwähnten Mangel einer inneren Begründung. Diese liegt im folgenden. Jeder hat schon bemerkt, daß
in den Ausstellungen nicht nur gute Sachen gekauft werden, sondern daß auch die ganz schlechten Sachen ihr
kauflustiges Publikum finden. Es setzt sich also die totale Verkaufssumme zusammen aus dem, was einerseits
für die gute Kunst und aus dem, was anderseits für die Scheinkunst, für die nur als Verkaufsware gemeinten
Werke gegeben wird. Bis vor 25 Jahren wurde, wie man zur Genüge weiß, wenig echte Kunst in Deutsch-
land produziert und geschätzt. Das Verkaufsresultat der Ausstellungen bestand damals fast ausschließlich aus
dem Erlös für die Marktware. Erst allmählich, besonders seit der häufigen Wiederkehr der Internationalen,
kam der andere Faktor mehr zur Geltung, man fing an, auch gute deutsche Kunst zu kaufen; zu gleicher Zeit
wurde für die deutsche Verkaufsware der Markt begreiflicherweise immer ungünstiger. Wir stehen somit jetzt
vor der Thatsache, daß auf unseren Ausstellungen der Gesamterlös für deutsche Kunstwerke seines Hauptfaktors:
der Verkaussware beraubt ist, während der neu hinzugetretene naturgemäß bedeutend kleiner ist als der andere
war; es wird ja nicht annähernd so viel Gutes gemacht als Schlechtes, und es wird auch heute noch für das
Gute nicht so viel bezahlt als für das Schlechte, weil die Sammler des Guten meist verständige aber nicht
sehr reiche Liebhaber sind. Das ist der Grund, warum jetzt der Ertrag der deutschen Kunst in den Aus-
stellungen viel geringerer ist als früher. Aber es ist darin kein Grund zur Klage zu ersehen; vielmehr ist es
freudig zu begrüßen, daß das Schlechte und Minderwertige nicht mehr gekauft wird, auch vom national-
ökonomischen Standpunkt aus wird man diesen Umschwung der Verhältnisse nur preisen können.

Diese Verschiebung hat ihre Geschichte, die in einem gegen Herrn Schuchs Artikel gerichteten Flug-
blatt trefflich erörtert ist. Es heißt da: „Die deutsche Kunst fand in früheren Jahren ein sehr günstiges Ab-
satzgebiet an Amerika und England. Besonders aus Amerika kamen alljährlich Händler und Privatleute nach
Deutschland, welche gerne und viel kauften und denen häufig für hohes Geld billige Durchschnittsware, so-
genannter „Kitsch", abgegeben wurde. Amerika war bald mit mittelmäßiger Kunstware überschwemmt, die von
ihren Besitzern, sobald deren Geschmack sich geläutert hatte, oft mit großen Verlusten wieder abgestoßen wurde.
Inzwischen hatte die französische Kunst im Handel einen erheblichen Vorsprung erlangt, und jetzt kaufte der
vermögende Amerikaner Werke der Franzosen zu den höchsten Preisen. Auch die englischen Händler wollten
von den in Mißkredit geratenen Verkaufsbildern der deutschen Kunst kaum mehr etwas in Kommission über-
nehmen. So hatte zu Ende der siebziger Jahre der deutsche Kunsthandel mit dem Auslande, der früher so
bedeutend gewesen war, ein Ende gefunden. Gleichzeitig aber hatte der Pariser Salon alljährlich mehr Be-
wunderer angclockt und die französische Kunst erlangte ein immer größeres Uebergewicht. Da fand die gute,
deutsche Kunst Gelegenheit, auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1878 in ihrem von dem Münchener
Gedon ausgeschmückten prächtigen Raume einen wohlverdienten Erfolg zu erzielen. Gleichzeitig gewannen die
seit 1869 in vierjährigen Pausen veranstalteten internationalen Kunstausstellungen in München immer mehr an
Bedeutung. Nicht nur das Publikum wurde davon in hohem Maße angezogen, sondern auch die aufwärts
strebende Münchener Künstlerschaft hatte dadurch Gelegenheit gefunden, ohne kostspielige Reisen die besten Werke
der Kunst des Auslandes kennen und würdigen zu lernen. Der Erfolg hat die volle Berechtigung jener Unter-
nehmungen und der darauf gesetzten Erwartungen erwiesen. München wurde für Deutschland der Mittelpunkt
des Ausstellungswesens und des eifrigsten künstlerischen Wettbewerbes. Und auch heute noch, nachdem die
Reichshauptstadt dem Beispiel Münchens gefolgt ist, gilt München als der Brennpunkt des deutschen Kunst-
interesses und kann für sich den Ruhm in Anspruch nehmen, durch Einführung der internationalen Kunstaus-
stellungen die deutsche Kunst wieder mit neuen Anregungen erfüllt und gegenüber der Kunst des Auslandes
die beachtenswerte Höhe der deutschen Kunst gezeigt zu haben. Auch der Geschmack des kaufenden Publikums
wurde dadurch wesentlich gehoben, und wenn hierdurch der Markt mit Durchschnittswaren gelitten hat, so kann
dies gegenüber dem hohen kulturellen Vorteil des Erstarkens der deutschen Kunst durchaus nicht in Betracht
kommen. Aber nicht nur das Verständnis, sondern auch der Ankauf wirklich guter deutscher Kunstwerke ist
 
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