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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Schultze-Naumburg, Paul: Die große Berliner Kunstausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0355

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282

Die Große Berliner Kunstausstellung.

wohl Liebermann an der Spitze. Da die „Kunst für
Alle" erst vor wenigen Wochen sich so eingehend mit ihm
beschäftigt hat, will ich hier nur kurz erwähnen, daß er
einen ganzen Saal mit einer Auswahl seiner Werke aus-
gestattet hat, die ausgezeichnet geeignet sind, von seinem
Entwicklungsgänge ein Bild zu geben. Wir finden ihn
hier von seinen frühesten, altmeisterlich tonschönen Werken
(der „Runkelpark", ein ganz wundervolles Bild) an bis zu
seinen neuesten Arbeiten vertreten. Unter vielen andern,
höchst bedeutenden Werken finden wir auch den „Mann in
den Dünen", den Liebermann auf der Freilichtphotographie
(Seite 225, H. 15 d. Jahrg.) eben in Arbeit hat. Das alles
in einem mit feinstem Geschmack vornehm und diskret ausge-
statteten Raum, wie es jetzt in allen auf intime Wirkungen
ausgehenden Ausstellungen mehr und mehr Brauch wird.

Von weiteren Berliner Künstlern fesseln Skarbina,
Leistikow und Dettmann. Von ersterem ist ganz be-
sonders erwähnenswert eine Mondnacht — eine Villa,
deren weiße Fassade sich im tiefen Grün des Weihers
spiegelt — eine so schöne und sympathische Arbeit, daß
sie für mich zum besten gehört, was ich von Skarbina
gesehen. Auch Leistikow hat mit seinem „Waldteich
in der Mark" ein Meisterwerk geschaffen. Nach so vielem
Experimentieren und Tasten nach den verschiedensten Rich-
tungen hin faßt er hier sein ganzes reiches Können zu-
sammen, um ein tief poetisches, klangvolles Bild zu malen.
Dettmann führt eine ganze Serie neuerer Werke vor,
die vor allem seine erstaunliche Geschicklichkeit, seine
enorme Sicherheit des Vortrags beweisen. Aber trotzdem

Nnlrrinnthalrrin. von Walter Thor.

Große Berliner Aunstausstellung 1(897.

man hier nur anerkennen muß — man wird nicht recht
warm dabei. Es ist etwas Kühles, Teilnahmsloses in
Dettmanns Kunst. Nehmen wir als Beispiel eines der
Bilder heraus: „Unterm Hollunderbaum". Die Absicht
ist klar: schwüle Sommernacht, ein sich eng umschlungen
haltendes Paar, das am Feldrain, unterm Hollunderbaum,
dessen Duft ihre Sinne bethört, niedergesunken . . . Wenn
ein Maler erschöpfend diesen gewollten Stimmungsgehalt
wiedergäbe, müßte es ein wundervolles Bild werden;
aber aus Dettmanns Werk verspüren wir zu wenig von
der Gewalt des pandämonischen Zaubers, den vor allen
Böcklin oft mit so einfachen Mitteln erreicht. Und daran
liegt es wohl auch: Dettmann weiß für solche in der
Stimmung wurzelnde Vorwürfe zu wenig von Einfach-
heit — er geht bei seinem Hollunderbaum gleichsam zu
botanisch korrekt vor und zerstört sich durch ein Zuviel
des Guten die Klarheit und die Kraft dessen, was er
eigentlich sagen will. Wieviel er dabei aber kann und
wie ernst er zu nehmen ist, das sieht man aus allem und
besonders seinen Studien. Sein bestes Bild ist viel-
leicht sein — bemaltes Relief vom verlorenen Sohne.

Von all den zahlreichen großen Arbeiten ist wohl die
beste Brandts' „Hochzeit zu Cana". Sie ist mit vielem
Talent und viel Können gemalt, ohne aber recht packend zu
wirken. Es ist ein Stück Alma Tadema, ein Stück Munkacsy
und ein Stück Anton von Werner älterer Periode. Es ent-
hält viel schöne malerische Einfälle — aber warm wird
man nicht dabei. Bei alledem: geht Brandts den Weg
innerer Vertiefung und nicht den der akademischen Scha-
blone, so kann von ihm noch viel zu erwarten sein.
Hinter Martin Brandenburg dürfte wohl ein großes
Talent stecken. Die Kritik hat seine bisherigen Arbeiten
nicht wohl ausgenommen und dieselben waren auch durch-
aus nicht einwandfrei — und doch meine ich in ihnen die
Handschrift zu finden, aus der sich eine Persönliche und
eigenartige Kunst entwickelt. Mag er nun die unnötigen
Absurditäten, die er liebt, abstoßen oder sei es, daß sie
ein Stück seiner selbst sind, die sich organisch erst recht
zur Reife entwickeln — wenn Brandenburg ehrlich
weiterstrebt, glaube ich, thäte die Kritik gut, diese Kraft
ins Auge zu fassen. Auch Lippisch ist ein Maler, der
etwas Eigenes zu sagen hat, und wenn seine Begabung
auch mehr fein als kräftig ist, so thut das nichts zur
Sache. Auch seine Arbeiten tragen den Stempel künstle-
rischer Inspiration. Nenneich noch Curt Herrmann, der
einen schön angelegten weiblichen Akt sandte, Scheuren-
berg, ebenfalls mit einem sehr feinsinnig im Freilicht stu-
dierten Akt und seinen kleinen nackten Figuren am Meere,
Fahrenkrog und Höniger, so bleiben im Figurenfach
nur noch die Porträts zu nennen, von denen man wohl auch
ein Dutzend gute Leistungen zusammenstellen kann. Max
Koner z. B. hat einige Arbeiten verschiedener Güte da, die
alle den routinierten und wenn er will, auch äußerst
feinsinnigen Porträtisten zeigen. Hugo-Vogels Herren-
porträt ist kräftig gemalt und vornehm aufgefaßt, von Jos.
Block gilt ähnliches. Vilma Parlaghi hat das Porträt
einer alten Dame da, das Beste, was ich von ihr gesehen:
eine wirklich gute Leistung, die Stand hält. Auch Fechners
Damenbildnis, das im Vorjahre in München die goldene
Medaille erhielt, (Abb. „K. f. A." XI. I. Heft 22) treffen
wir an. Ziegler ist ein außerordentlich begabter Porträt-
maler, sein feines Können sieht man auch gut an seinem
großen Figurenbild „Sommer", welches nur leider bei vielen
 
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