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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Voss, Georg: Die Venezianische Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0360

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286

Die venezianische Aunstausstellung.

glühenden Abendwolken ausgestellt hat. Auch Sarto-
relli malt das Hochgebirge in den zartesten Farbentönen.
Doch derartige Beispiele, in denen sich etwas von dem
Einfluß der Schotten geltend macht, sind noch immer ver-
hältnismäßig selten hier anznireffen.

Den breitesten Raum in den italienischen Sälen
nehmen wie immer die Schilderungen des farbenfrohen
Volkslebens des Südens ein. Doch in diesen Bildern liegt
nicht mehr die Stärke der italienischen Malerei. Die allzu
stark aufgeputzten Farben haben etwas von dem erlogenen
Prunk der Bühne, und die Darstellung der Menschen
bleibt meist eine ziemlich oberflächliche. In fast allen
diesen Bildern dominieren die rosig lächelnden und zärtlich
schmachtenden Mädchenköpfe, so daß sich unser Auge ordent-
lich sehnt nach einer ernsten Charakterdarstellung. Der
ausgezeichnetste Meister der Farbe im italienischen Kostüm-
bilde ist Vittori Bressanin in Venedig, dessen große
Rokokoscene im Venezianischen Kaffeehanse zu den am
meisten bewunderten Bildern der ganzen italienischen Ab-
teilung gehört. Eine sehr erfreuliche Ausnahme unter
den italienischen Genremalern bildet Ettore Tito, dessen
Bild „Badende Jungen" zeigt, daß er sich völlig von
der früher üblichen Süße in der Darstellung befreit und
in der Entfaltung seiner vorzüglichen Technik an ähnliche
englische Meister heranreicht.

Auch in der italienischen Porträtmalerei macht sich
eine Verweichlichung des Geschmacks geltend. Ausnahmen
davon, wie Segantini, Rietti, Braß oder der flotte
Impressionist Carlo Cressini, sind nur vereinzelt an-
zutreffen. Wesentlich höher in dieser Beziehung steht die
italienische Porträtplastik, doch diese ist in der venetianischen
Ausstellung nur durch wenige Beispiele vertreten. Die
plastische Abteilung ist überhaupt nur klein. Einige Werke
jedoch, von Meistern wie Dal Zotto, Bassano

Danielli, Achille Al-
ber ti und dem ganz
zum Italiener gewordenen
Russen Troubetzkoy zei-
gen, daß in dem Lande
Donatellos und Michel
Angelos der Sinn für
charaktervollen Ernst in
der Schilderung des Men-
schen und seiner innersten
Gemütsbewegungen auch
heute noch seine Ver-
treter hat.

Mit besonderer Freude
können wir diesmal konsta-
tieren,daß unter den übrigen
hier vertretenen europäi-
schen Ländern Deutsch-
land mit seinen beiden
stattlichen Sälen obenan
steht. Nur die kleine aber
vorzüglich ausgewählte
Ausstellung der Schotten
könnte uns ernstlich den
Rang streitig machen. Was
die Maler von Glasgow
und Edinburgh hier von
zart gestimmten Land-
schaften und Porträts
bringen, gehört allerdings zu den Glanzpunkten der ganzen
Ausstellung.

Achtung gebietend zeigt sich in den deutschen Sälen
die Münchener Malerei durch die Werke von Lenbach und
Wilhelm Leibl! Beide Meister feiern hier als Porträt-
maler wieder einmal glänzende Triumphe. Ebenfalls treff-
liche Porträts bringen Hugo v. Habermann, Ernst
Oppler, George Sauter, Karl Marr, Otto Hierl-
Deronco und Ludwig Herterich, der vielleicht niemals
so glänzend hervorgetreten ist als in dieser Ausstellung.
Fr. Stuck hat einen prächtigen Centaurenkampf ausgestellt.
Fritz von Uhde bringt seinen „Christus und Nikodemus",
Robert Haug das große „Vorpostengefecht aus den
Freiheitskriegen". In der Münchener Landschaftsmalerei
sind neben Ludwig Dill mit besonderer Auszeichnung
diesmal Hugo König und Richard Kaiser zu nennen.

Unter den Berliner Malern steht obenan Max
Liebermann mit einem großen Bilde, welches „Hol-
ländische Spitzenklöpplerinnen bei der Arbeit" darstcllt.
Ludwig v. Hofmann bringt eine große Jdeallandschaft
aus dem goldenen Zeitalter. Franz Skarbina hat eine
lebensgroße Nymphe dargestellt, welche nachdenklich durch
das grüne Waldesdickicht schreitet. Die Düsseldorfer
scheinen es vorgezogen zu haben, ihre Erfolge in diesem
Jahre in Berlin zu suchen, die Dresdner haben Wohl
ihre Kräfte auf ihre eigene Ausstellung konzentrieren
müssen. Das Ausbleiben der blühenden Landschaftsschule
von Karlsruhe ist recht zu bedauern. Daß die deutsche
Malerei, auch ohne die Anspannung ihrer ganzen Kraft,
sich trotzdem so glänzend repräsentiert, ist ein erneutes Zeichen
dafür, welche erfreuliche Wendung bei uns in den letzten
beiden Jahrzehnten eingetreten ist.

Auch von den übrigen Nationlen läßt sich manches
Erfreuliche melden. Wer die Malerei^der Franzosen,
 
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