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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Pecht, Friedrich: Die VII. Internationale Kunstausstellung in München, [2]: die Münchener Künstlergenossenschaft, die Luitpoldgruppe etc.
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0417

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Die VII Internationale Kunstausstellung in München.

SZ-t

aber wirkt die beständige Abwechslung überaus fesselnd
und erfrischend, wozu die ganz geniale Ausgestaltung des
Vestibüls, wie der Empfangs- und Unterhaltungsräume
durch Emanuel Seidl und andere, wie auch die
einzelner besonderer Kabinette, wohl am meisten beiträgt.
Es kann denn auch dreist behauptet werden, daß die
dekorative Gestaltung des Ausstellungsraumes als Ganzes
an Originalität und überraschendem, koloristischem Reiz
noch nie und nirgends ihresgleichen gefunden habe und
allein schon den Besuch lohne, selbst wenn man von den
Bildern ganz absähe. Diese aber haben, wenigstens in
der deutschen Hälfte, durch die sorgfältige Ausscheidung
alles weniger Gelungenen und die vortreffliche Plazierung
ganz außerordentlich gewonnen. Ich erinnere mich nicht,
je die deutsche Kunst, als Ganzes betrachtet, so gediegen
aussehend getroffen zu haben; sie erscheint, dank ihren
unleugbar großen koloristischen Fortschritten, au Origi-
nalität, Reichtum der Erfindung, wie großem Reiz vieler
Einzelheiten allen anderen Nationen unbedingt überlegen.
Eigentlich versteht sich das von selber, da wir hier bei
uns zu Hause sind, also auch unsere Kunst in vollständiger
Harmonie nicht nur mit dem Lokal, sondern auch mit
den Besuchern sich befindet, während die Fremden leider
nur zu oft den Eindruck machen,
als ob sie uns sehr viel bloße
Verkaufsware zugesendet hätten,
mit der stillen Hoffnung, sie bei
uns los zu werden. Indes giebt
es von ihnen auch andere hoch-
interessante Arbeiten da, aber
sie werden nur zu oft von der
zwanzigmal gesehenen Fabrik-
ware erstickt, wenn sie nicht, wie
Böcklins Perlen in dem über-
haupt sehr reichen Schweizer-
saal, eigentlich wie dieser selber
an die deutschen Säle ange-
schlossen sein müßten, da sie, wie
die österreichisch-ungarischen,
mit ihnen doch gar zu verwandt
sind. Das verhält sich genau
so, wie mit dem ganz in Deutsch-
land gebildeten, als Lehrer in
Weimar wirkenden Norweger
Frithjof Smith, dessen köst-
liches Bild der Armen in der
Kirche offenbar zu den Perlen
unserer Kunst gehört. Und zwar
sowohl durch die Wahrheit und
Schönheit der Charaktere, be-
sonders der Kinder, als auch
durch die Kraft und Klarheit
der Färbung.

Das durch die außer-
ordentlich feine Vornehmheit
seiner Stimmung entzückendste
Kabinet ist indes das, welches
die Lenbachschen Porträte
selber enthält, wo sich der
Dckorationskünstler Lenbach
offenbar als Schüler der
Secession zeigt, die solch
geschickte Verwendung eines

Hellen Hintergrundes zuerst bei uns in Mode brachte,
aber hier freilich an vornehmer Feinheit noch überboten
ward. Ja, ich erinnere mich nicht, je in irgend einer
Ausstellung ein so fein zu seinem Inhalt von Bildern
gestimmtes Gemach gesehen zu haben. Freilich sinh auch
diese Gemälde desselben würdig. Unter ihnen fesselt
neben dem bekannten meisterhaften Bildnis Hermann
Linggs vor allem das neueste Bismarck-Porträt, das
uns den in stolzer Resignation dasitzenden, offenbar mit
sich und der Welt gleich fertigen Greis zeigt, der aber in
seiner Majestät immer noch einen höchst gewaltigen Ein-
druck macht, obwohl ihn bereits jenes feine Grau über-
zieht, das die Greise von allen anderen Menschenkindern
unterscheidet. Muß man es doch überhaupt ein Glück

nennen, daß der große Kanzler einen Schilderen wie
Lenbach gefunden, der als Charakterdarsteller dermal nicht
seinesgleichen hat. Zumal als Schilderen von Männern,
denn bei den Frauen scheint er eigentlich keine Seele,
sondern nur ein Lärvchen vorauszusetzen. Wenigstens so
lange sie jung und schön sind, ältere Frauen hat er da-
gegen oft wunderbar seelenvoll dargestellt. — Glücklicher-
weise enthält unsere deutsche Ausstellung noch eine auf-
fallend große Zahl von guten Bildnissen, so ein ganz

köstliches Selbstporträt von

Defregger, ein Meisterstück,
das allein schon das Gerede vom
Nachlassen seiner Schaffenskraft
widerlegen würde, auch wenn
er nicht eine Beratung von
Tiroler Anführern anno 1809
gebracht hätte, wo er in der
Charakteristik Hofers, Speck-
bachers und der übrigen seine
ganze ungeschwächte Kraft zeigt,
wie man aus einer Vergleichung
mit seinem frühesten Bild, dem
berühmten „Speckbacher, der
seinen Jungen unterden Schützen
findet", leicht sehen kann. Zu-
gleich aber entwickelt er hier
eine Größe der Auffassung und
eine Feinheit des Tons, die er
selbst vielleicht noch nie erreicht
hatte und die ihn jedenfalls über
alle Konkurrenten erhebt.

Von Kirchbach sind dann
mehrere treffliche Frauenporträte
da, und Hugo-Vogels Dame
in Lila ist jedenfalls noch mo-
dern — eleganter; gute Männer-
köpfe brachten dann Pernat,
Harburger, Ruland; Heyn
den Prinzen Ludwig, und Wohl
als bestes von allen Schulte im
Hofe den ungewöhnlich energi-
schen Kopf des Or. Bödiker,
ehem. Präsident des Versiche-
rungsamtes. Ebenso Anton
Seitz das Bildnis eines Arztes,
während Engel und Fenner-
Behmer in Berlin, sowie
Walther Thor interessante
Frauenbilder gaben. — Daß

Der einsame Sänger, von Kunz Meyer.
 
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