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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Schumann, Paul: Die Dresdner Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0425

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Die Dresdner Kunstausstellung.

Stuckzieraten, blitzenden Krystallkronen und Wandleuchtern,
dazu dekorativ sehr wirksam gestickten und gemalten
Blumenstücken von Fritz Rentsch d. I. Der Raum wirkt
trotz der vollen Farben ebenso behaglich wie das ebenfalls
von Gräbner hergestellte Restaurant mit mächtigem blauem
Lattenwerk an der Decke, zimmetfarbenen Vorhängen,
weißem Nesselstoff, und den großen, oben nur die Farben
zurückwerfenden Spiegeln. Hierzu kommen drei kleinere
mit sahnfarbenem Stoff ausgeschlagene Kabinette, in denen
französische, Dresdner und eine Elite von Münchner
Bildern in wahrhaft vornehmer Weise zur Geltung
kommen. Kein Zweifel, daß alle diese Räume, die mit
so feinem Geschmack
hergestellt sind, auf
den Geschmack der
Ausstellungs-
besucher bildend ein-
wirken werden. Neben
diesen deutschen Zim-
mern aber sind auch
noch fünf von bel-
gischen und franzö-
sischen Künstlern ein-
gerichtete Zimmer in
die Ausstellung ein-
bezogen, welche den
in der Malerei längst
herrschenden Grund-
satz der Farbenstim-
mung auf die Woh-
nung im ganzen über-
tragen. Es ist ein
Vorzimmer mit
kühnen Wandgemäl-
den und Stoffbelag
in leuchtendem Gelb
von Albert Besnard,
ein Wohnzimmer in
Graugrün mit be-
malten und geätzten
Sammeten von Jsaac
in Brüssel, ein Speise-
zimmer, ein Rauch-
zimmer, ein Vor-
zimmer und ein Salon de Repos von Vau de Velde
und Lemmen in Brüssel. Es sind zum Teil dieselben
Räume, die im vorigen Jahre in Bings Haus l'^rt
nouveau zu Paris ausgestellt waren, teils sind sie für
die Dresdner Ausstellung, deren Eigentum sie sämtlich
sind, neu hergestellt. Ausgestattet sind sie mit thönernen
Vasen und Gebrauchsgeschirren von Bigot, Dalpayrat
und Lesbros in Paris, mit Prächtigen Gläsern von Galle
in Nancy und Tiffany in New Dort. In ähnlicher Weise
findet man in den anderen Räumen Vasen von Länger
in Karlsruhe, ausgesucht schöne Porzellane aus den
kgl. Manufakturen in Meißen und in Kopenhagen,
messingene und zinnerne Geräte von Charpcntier in Paris
und Paul Dubois in Brüssel u. a. Kurzum, die Aus-
stellung vertritt bewußt und vollständig den Standpunkt,
daß Kunst nicht bloß im Schaffen von Gemälden und
Bildwerken besteht, sondern sich auch ebenso auf das ge-
samte Heim mit allen seinen Geräten zu erstrecken hat,
nicht im Sinne des wiedererstandenen Kunstgewerbes, bei

Marion Lenbach. von Franz von Lenbach

dem die Maschine mit allen ihren Mängeln der Massen-
herstellung, der schablonenhaften Abschleifung alles Indi-
viduellen, der Mode- und Nouveaute-Wirtschaft im Vorder-
gründe steht, sondern im Sinne der künstlerisch individuellen
Herstellung. Die Dresdner Ausstellung verkündet in diesem
Sinne die Einheit alles künstlerischen Schaffens und zeigt,
wie auch auf dem Gebiete der angewandten Kunst wieder die
Persönlichkeit, die künstlerische Individualität, wie Hand-
arbeit zur Geltung kommt und kommen muß. Daß diese
Werke nicht als „kunstgewerbliche Abteilung" in einen
Raum zusammengepfercht sind, sondern die Ausstellung als
Ganzes durchdringen, ist einer ihrer besonderen Vorzüge,

durch welche sie epoche-
machend wirken wird.

Die erwähnten
Zimmereinrichtungen
sind, wie dabei noch
bemerkt sein mag,
auch mit Gemälden
von Thaulow, Bes-
nard, Henri Martin,
Couturier und Cottet,
und zum Teil mit
Werken französischer
Griffelkunst ausge-
stattet. Mag man
einzelnes an den
Zimmern auszusetzen
haben, so bleibt doch
die entschlossene Be-
tonung des male-
rischen Grundsatzes
an Stelle der antiqua-
rischen Nachahmung,
der Farben an Stelle
der Formen, derStim-
mung an Stelle des
historischen Stils als
entschiedener Zug im
Sinne der modernen
Kunstauffassung be-
deutsam bestehen und
wird ohne Zweifel an-
regend wirken.

Was snun^ die^ausgestellten Kunstwerke betrifft, so
finden wir im ganzen gegen 720 Oelgemälde, 205 Aquarelle
und Pastelle, 188 Werke der Griffelkunst, 227 plastische,
16 architektonische Werke, gegen 150 Gegenstände in
Porzellan, Thon, Glas, Kupfer, Zinn, Messing u. s. w.
Nach den ausstellenden Ländern und Städten verteilen
sich die Kunstwerke wie folgt: Dresden 170 Kunstwerke,
Meißen 26, Leipzig 3, Berlin 112, München 130,
Düsseldorf 31, Karlsruhe 63 (darunter 33 Radierungen),
Weimar 13, Frankfurt 8, Worpswede 37, Stuttgart 2,
Hamburg und andere norddeutsche Städte 2l, Breslau 2,
Frankreich 170'(darunter die zahlreichen Geräte), Bel-
gien 191 (darunter 111 Plastische Werke), Holland 99,
Dänemark 21, Spanien 21, Portugal 2, Italien 79,
Amerika 61, England 79, Schottland 36, Schweden 8,
Norwegen 30, Schweiz 10.

Der Ausschuß der Ausstellung ist nicht ängstlich
darauf bedacht gewesen, nur neue Kunstwerke heranzuziehen;
man sieht da vieles, was schon in Münchener und Berliner
 
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