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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Raphaels, Jul.: Die Photographie für Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0453

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Z62

Die Photographie für Maler.

Wilhelm v. Kaulbach. von Friedrich Kaulbach.

charakteristischer Ausdruck zeigt, wird eine Aufnahme ge-
macht. Bei der Ausführung des Gemäldes ergänzt ihm
die Photographie das Erinnerungsbild. Er hält sich nicht
sklavisch an die Aufnahme. Sonst würde ja sein ein-
gehendes Studium des Modells ganz unnötig sein.

Eine Porträtaufnahme gibt gewöhnlich nicht die
Züge so wieder, wie wir sie zu sehen gewohnt sind:
Beim Sehen erhalten wir aus den wechselnden Mienen
einen Gesamteindruck. Der Apparat greift nur eine einzige
derselben heraus, und deshalb befremdet uns sein Werk.
Dies um so stärker, je vollkommener die Aufnahme in
technischer Hinsicht gelang, d. h. je kürzer die Belichtung
war und je schärfer die Zeichnung wurde.

Die Aufgabe des Malers aber ist: das Gesehene,
das Gesamtbild wiederzugeben. Deshalb beobachtet er sein
Modell in verschiedenartigen Stimmungen. Was zuweilen
als ein Mangel empfunden worden ist: das periodische
Schwanken der Aufmerksamkeit des Modells sollte gerade
als wertvoll beachtet werden, weil es ihn in dieser Be-
ziehung unterstützt.

Die technisch vollkommene Photographie wird ihm
wohl zur Feststellung der äußeren Formen behilflich sein
können, aber bezüglich der tieferen Ähnlichkeit eher schaden
als nützen. Ihre Betrachtung kann das Gesamtbild stören.

Um dies zu vermeiden, empfiehlt es sich, technisch
unvollkommene Photographien zu machen: Man belichte
ziemlich lang und lasse dabei das Modell die Züge um
eine Kleinigkeit verändern. Der ganze Kopf muß dabei
natürlich in derselben Lage bleiben. Auf diese Weise

ein mechanisches Hilfsmittel; aber die Farbenphotographie

war noch nicht erfunden. Glücklicherweise war für

mich zum Umsatteln noch Zeit. Die Erleichterung hatte
mir also Überdruß an dieser Thätigkeit geschaffen.

Soll man aber wegen dieser moralischen Gefahren
ihre Verwertung ganz verwerfen?

Von den Vorteilen, welche sie bezüglich der Zeit-
ersparnis und in anderen Beziehungen bietet, glaube ich
gar nicht reden zu brauchen. Sie sind genügend bekannt.

Ihren Gefahren kann man dadurch entgegentreten,
daß man die Hilfe des Apparates nicht zu früh in An-
spruch nimmt. Die Schüler dürfen die Photographie
nicht benützen. Der freie Künstler aber, der die Schulung
hinter sich hat und der vollkommen unabhängig davon
arbeiten kann, sollte das Vorurteil fallen lassen und
dies Hilfsmittel nicht verschmähen.

„Die Verwendung der Photographie", sagt Schultze-
Naumburg in seinem Vademecum, „läßt von Tag zu Tag
nach und ich wüßte verschwindend wenige freie Künstler,
die sie zu ihren Bildern benützen". — Ich glaube gerade
das Umgekehrte: daß die Ausübung der Photographie
in diesen Kreisen immer mehr steigt. Und das nicht zum
Nachteil der Künstler.

Merkt man den Werken Lenbachs an, daß er die
Photographie so stark benützt?!

Lenbach arbeitet damit in der richtigen Weise. —
Wie dies geschieht, darüber soll im folgenden Verschiedenes
berichtet werden.

Lenbach studiert sein Modell, indem er sich mit ihm
unterhält. Dabei zeichnet er fast gar nicht. Im günstigen
Augenblick, wenn sich ein vorteilhafter oder vielmehr ein

Lin Lrirgsmann. von L. Mcissonier.
 
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