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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Möbius, Martin Richard: Neuere Gemälde von Willi Jaeckel
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0047

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ereignissefassen. die trockene
Durchsichtigkeit der Luft
und die klaren Schatten.
Jaeckel erschließt Land-
schaften. Ganz langsam läßt
er sie entwickeln. Er erfindet
sie nicht ; er legt sie einfach
bloß. Sie wird ein großer,
übersichtlich geordneterGar-
ten. Ewig sind die Blätter
üppig. Alles wird groß und
bedeutend. So entsteht des
Malers maßvolles, harmo-
nisch wirkendes Paradies.
Inmitten dieses Paradieses
erhebt sich aufrecht und
voll die menschliche Figur.
Oft begegnet man ihr in der
Haltung von V egetabilien
und der V\ esen. die von der
Natur inspiriert leben. Allen
Akten eignet eine besondere
Mächtigkeit, die auf den
ersten Blick oft Bestürzung
erzeugt. Die 'NA ölbungen der
Hüften und Schultern sind
nicht abgeschwächt worden.
Sieht man länger zu. so be-
merkt man, daß die Form
nur überragt, um ihren Platz
WILL Y JAECKEL. BILDNIS zu behaupten. Man kann mit-

unter die weite Zeichnungder
Glieder für nachlässig hal-
ten. Aber, wenn die Muskel-

diese Malerei sei konsolidiert. Man kann nun- ausätze und anderes verheimlicht sind, so ge-
mehr sicher sein, den Maler dem Bilde gleich schieht das nur, damit die Augen durch nichts
zu finden, das seine Gemälde bei den letzten in der Verfolgung der Bewegung, der vollendeten.
Gelegenheiten von ihm gemacht haben. geschlossenen Linie abgelenkt werden. Alle A er-

Die Nachhaltigkeit dieser neueren Gemälde, der einfachungen suchen nicht etwa Barbarisches.
Akte, Landschaften und Blumenstilleben, ist er- sondern zielen nur auf das Gemäße, Ange-
staunlich, sie dauern im Gedächtnis. Die Farbe messene und Maßvolle.

gleicht nicht jener, die das Licht wie eine Der Natur w ird keine Gewalt angetan. Die Kom-
Flüssigkeit über die Dinge ausbreitet, sie ist position begnügt sich, sie zu erwecken. Indem
unbeweglich, sie kommt aus dem Innersten der Jaeckel die Farbe abschwächt und ihre völlige
Dinge, aus seiner Essenz; sie ist nicht Hülle, Blüte unterbricht, gewinnt er die eigenartigen,
sondern Ausdruck der inneren Beschaffenheit, für ihn bezeichnenden Töne, die in Flecken
Deshalb hat sie die innere Trockenheit der vielgestaltig die Oberfläche der Dinge beleben.
Flamme. Es scheint, Jaeckel habe das glänz- Ihreineinandergehende Verschiedenheit sammelt
erloschene Leuchten der Töne dadurch er- sich nach und nach in breiteren Flächen, deren
zielt, daß er der Oberfläche dieses glänzende Zusammenhang die Körperlichkeit ergibt und
Flüssigsein genommen hat, in dem die Licht- den Baum bildet. Es ist das Gegenteil der im-
schwankungen der Atmosphäre spielen. Zweifel- pressionistischen Methode und hat auch mit der
los kann er auf diese V\ eise die feinsten Licht- expressionistischen gar nichts zu tun.

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