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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 12.1914

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Heft 1
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Hancke, Erich: Mit Liebermann in Amsterdam
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https://doi.org/10.11588/diglit.4753#0036

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kums zielenden Spekulation. Ein Künstler muss
stolz sein. Welch prachtvoller Stolz liegt in Frans
Hals. Es hat ihn an Uhde immer empört, dass er
sich in seinen Bildern so erniedrigte.

Nun gingen wir den kurzen Weg zum Reichs-
museum zurück, um die Rembrandtzeichnungen
anzusehen. Da diese nur auf Verlangen gezeigt
werden, schickte Liebermann dem Direktor seine
Karte hinein. Wir wurden liebenswürdig empfangen.
Liebermann gab schnell einige geistreiche Paradoxe
über Museen und deren Öffentlichkeit zum Besten
und dann wurden wir an einen grossen Tisch in-
stalliert und man legte uns einige neunzig Rem-
brandtzeichnungen vor, darunter drei unbeschreib-
lich schöne weibliche Akte, um die es Liebermann
eigentlich zu tun war. Dem Genuss ihrer Betrach-
tung gab Liebermann sich fast schweigend hin.
Nur selten durch ein halblautes Wort auf einen
besonderen Reiz deutend.

Der liebenswürdige Direktor kam hinzu und
lud uns ein, mit ihm ein Tässchen Thee trinken zu
gehen, auch wollte er uns eine Amsterdamer Sehens-
würdigkeit zeigen. Jedes einzelne Haus kritisierend,
zogen wir durch einige Strassen und Grachten
nach dem Beguinenhof. Liebermann kannte ihn
natürlich längst. Er hatte ihn schon vor zwanzig
Jahren gezeichnet. Dann zwängten wir uns in
einen überfüllten Lunchroom, wo er unsern Thee
mit einigen medisanten Bemerkungen über einen
holländischen, sehr berühmten Kollegen des Direk-
tors würzte. Es fiel mir, während er lächelnd mit
jenem sprach, auf, wie bildhübsch er aussehen
kann. Wir brachen auf, der Direktor empfahl sich
und in sehr abgespanntem
Zustand waren wir uns
überlassen.

Von einem Ausflug
nach der Zuyderzee, der an-
fänglich beabsichtigt war,
wurde nicht mehr

gesprochen. Liebermann
wäre auch nicht recht in
der Verfassung gewesen,
eine grössere Fusstour zu
machen. Er begründete
sein schlechtes Schlafen

nachträglich auch mit dem Ausbleiben eines
Briefes von seiner Frau, das ihn in der Nacht
geängstigt.

Für einen Tag hatten wir nun wohl Kunst ge-
nug gesehen. Nun aber kam (der furchtbare)
Liebermann erst noch darauf zu verschiedenen Kunst-
händlern zu gehen, er meinte, die modernen Bilder
hätten nichts damit zu tun. Durch unaufhörliches
Rauchen uns künstlich aufstachelnd, wanderten
wir nun zu dem Kunsthändler Wisselingh: kleine
Corots, Diaz usw., moderne Holländer, sehr viel
schlechte Breitners, von Liebermann nichts. Dann
ging es zu Frederic Müller, dem grossen Kunstauktio-
nator. Sehr merkwürdiges Gebäude mit riesigen,
schwermütigen Räumen. Ausschliesslich alte Kunst.
Ein junger, rothaariger Angestellter, den Lieber-
mann sehr gern hat. Es war mittlerweile 6 Uhr
geworden. Im allgemeinen die Richtung nach dem
Hotel einhaltend, gingen wir nun durch viele Strassen,
in denen sich für Liebermann fast an jedes Haus
eine Erinnerung knüpfte. Er zeigte mir das alte
Trippenhuis, das früher als Museum diente, den
Elberfelder Hof, wo er bei seinem ersten Aufent-
halt vor vierzig Jahren logierte, das Hotel des Pays
Bas, von wo ihm der Hausknecht seine Malsachen
nach jener Scheune getragen, wo er die Skizze zu
den „Konservenmacherinnen" malte.

Auf dem Dam, einer eleganten Strasse fing er
unversehens an: „Jetzt geht es mir wieder besser,
die Mysogyne ist vorbei", welchen Ausruf er durch
ausführliche Bemerkungen über die uns begeg-
nenden Passantinnen erläuterte. Dann standen
wir wieder vor seinem Hotel. Einer Einladung

zum Abendessen wider-
stand ich.

„Tut es Ihnen nicht
leid, Herr Professor, Hol-
Jt^ ^ ißSfc, ^and zu verlassen?" Aber

Liebermann ist ganz un-
sentimental. Er hatte sein
Werk getan und war froh
in seine Bequemlichkeit
zurückzukehren. Ich ver-
abschiedete mich und voll
des Eindrucks fuhr ich
heim in mein Fischerdorf.

MAX LIEBERMANN, STUDIENZEICHNUNG

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