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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 12.1914

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Heft 11
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Schaller, Hans Otto: Johann Baptist Seele: 1774-1814
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4753#0664

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Künstler noch leisten müssen, wenn er den entsprechen-
den Kontakt beim Bürgertum, ein Verständnis für sein
Können, gefunden hätte! So aber war seine fernere
Laufbahn: um seine Standesehre vor den Zunft- und
Zeitgenossen zu retten und als ein Zeichen, dass er alles
konnte, malte der Ritter von Seele mächtige klassizisti-
sche Kompositionen, kapitulierte er vor der literarischen
Mode der Zeit.

Aus derselben Zeit wie das herrliche Zellersche Fa-
milienbild mag ein Frauenbildnis im Karlsruher Schlosse
stammen, das dort für eine badische Prinzessin und für
eine Arbeit C. H. Schröters gehalten und deshalb vor
einigen Jahren gekauft wurde. Hals und Büste, Arme
und Hände einer sinnlich schönen Frau hat damals wohl
nur dieser eine so zärtlich flüssig malen können. Bis an
sein Lebensende blieb das Porträt die Stärke dieses ge-
borenen Realisten. Das Kleinsche Familienbild von 1809
zeigt in malerischer Beziehung allerdings schon den Ver-
fall, den Seeles sonstige Thätigkeit notwendig nach sich
ziehen musste; es hat den porzellanhaft trockenen Glanz
(Genre Tischbein), der auch für die gleichzeitigen Bil-

der seines Hauptkonkurrenten Hetsch bezeichnend ist.
Doch wusste er wenigstens die zeichnerischen Quali-
täten, die auch dieses Werk noch deutlich zeigt, bis in
die letzten Jahre zu bewahren; diese machen selbst das
grosse, gobelinhaft dekorative Bebenhauser Jagdbild von
1 8 12 zu einer stattlichen Leistung und geben mit wenig
Ausnahmen noch den spätesten Bildnissen ihren beson-
deren Wert. Man vergleiche das im Jahrgang XI Seite 19
abgebildete Kinderbildnis von i8ir, das die Stuttgarter
Altertümersammlung besitzt; im selben Lokal befindet
sich sein letztes Selbstbildnis, dessen unsteter Blick er-
zählt, wie Seele immer mehr einem materiellen Genuss-
leben verfiel und wie er darüber die Kunst mehr und
mehr verlor.

Er starb 1 8 14 ganz unerwartet an einem Schlagfluss,
vermutlich an den Folgen seiner Lebensweise, die Baron
Uexküll „geradezu zynisch" nennt. Nagler erzählt, seine
eheliche Verbindung sei für ihn und seine Kunst von
grossem Nachteil gewesen; seine Witwe und seine Kin-
der seien durch schlechte Aufführung tief herunter-
gekommen und spurlos verschwunden.

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UNSTAUSSTELLUNGEN

HEIDELBERG
In den Räumen der städtischen
Sammlungen ist eine Kollektion von
Meisterporträts aus Heidelberger Pri-
vatbesitz ausgestellt, die einmal Kunde
davon ablegt, wieviel traditionelle, nie unterbrochene
Kultur es in dieser Stadt gab und giebt, und die anderer-
seits eine willkommene Ergänzung zur Darmstädter Aus-
stellung bildet. Die Sammlung ist sehr intim in ver-
schiedenen kleinen Kabinetten untergebracht. Möbel der
Zeit in erwählt guten Exemplaren, Uhren, Schnitzerein
und anderes Kunstgewerbe geben den stimmungsvollen
Rahmen. Man beginnt mit dem Kopf eines jungen Eng-
länders von einer dem Holbein nahestehenden Art. Es
ist dieselbe Einfachheit, mit der hier das Äusserste an
Charakterisierung erreicht ist, die merkwürdigeMischung
von photographischer Ähnlichkeit und unnaturalistischer
Steigerung zum Typus unter Zusammenfassung alles
Wesentlichen, ferner das Flächige, das Durchmodellierte
und Fertiggemalte, das die Nähe Holbeinschen Einflusses
deutlich spüren lässt. Nur farblich bleibt es erheblich
zurück, es ist Verblasen und wohl auch nicht unbeträcht-
lich übermalt, danach ist mit einem Bürgermeisterehe-
paar vertreten. Das Bildnis der Frau ist sowohl farblich
ausserordentlich raffiniert durch den Gegensatz eines
tiefen Schwarz und eines ins Gelbliche spielenden
Orange, das durch weniges Weiss abgedämpft wird, als
auch in der Zeichnung besonders des Vogelkopfes der
Frau, aus dem ein ungewöhnlicher Charakter spricht.—Von
klassischen Niederländern oder Italienern ist zwar nichts

zu sehen, indes ist aus dem besonders von den Nieder-
ländern beeinflussten Kreise manches Gute vorhanden,
so das Porträt zweier Kinder von Geldorp mit Tizianesk
gesättigten Farben und intensiver holländischer Cha-
rakteristik; ferner Jer. van Winghen mit Bildnissen
eines Ehepaars, der mit den Holländern die lächelnde
Jovialität und breite Behaglichkeit gemeinsam hat,
Kneller, der mit zwei technisch brillanten Bildnissen
zur grossen Klasse der Porträtisten gehört, so dass man
sich wundert, dass Darmstadt sich diese Bilder hat ent-
gehen lassen; der ganz Holländer gewordene Netscher,
der klassische holländische Porträts mit Beinen versieht
und sie in eine ziemlich konventionell heroische Land-
schaft stellt, aber doch durch seine technische Sicher-
heit auffällt. Unter den mannigfachen mehr familien-
historisch interessierenden Porträts des siebzehnten und
achtzehnten Jahrhunderts ragt Ziesenis mit dem aus-
gezeichnet charakterisierenden Bilde eines etwas mür-
rischen kurpfälzischen Gewalthabers hervor. Ein Wiener
Stubenmädchen von Oelenheinz zeigt eine zwar etwas
harte, doch frische, gute Durchschnittsmalerei, die dem
Geiste nach mehr dem Pastell entspräche.

Im neunzehnten Jahrhundert interessieren ein solid
gemalter Begas, ein Damenporträt von Jagemann mit
sehr delikaten weissen und schwarzen Tönen; ferner
Porträts von Joh. und Jacob Schlesinger, die zum
Teil schon auf der Jahrhundertausstellung zu sehen
waren. Beides sind gute Zeichner, der zweite ist auch
koloristisch sehr begabt. Auf seinen Bildern sieht man
manche stofflich hübsche Kleinigkeiten, die deutlich den

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