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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 12.1914

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Heft 1
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4753#0092

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■ UNSTAUSSTELLUNGEN

BERLIN
Im Graphischen Kabinet (Neumann)
ist eine schöne Kollektion von graphi-
schen Arbeiten jüngerer Zeichner
ausgestellt. Auf die meisten der in
dieser Kollektion Vertretenen werden wir demnächst in
einem Aufsatz über junge Graphiker zurückkommen.
Es mag darum der Hinweis genügen, dass solche Aus-
stellungen für die Künstler und für das Publikum gleich
wichtig sind, wichtiger als manche anspruchsvolle
Bilderausstellung. Denn in der Zeichenkunst der
jüngeren Künstler ist, nach unserm Gefühl, das Wesent-
liche ihrer Begabung und ihr bestes Können enthalten.
Wir reproduzieren aus der anregenden Ausstellung ein
Blatt des geistreich Natureindrücke transponierenden
Feigl und eine Radierung des in einer selbständigen
Weise von Corinth ausgehenden Meseck.

Die Juryfreie Kunstschau hat in den Räumen der
Berliner Sezession ihre vierte Ausstellung eröffnet.
Sie soll im nächsten Heft besprochen werden.

STUTTGART

Bernhard Pankok, der bisher die staatlichen Lehr-
und Versuchswerkstätten leitete, ist zum Direktor
der Königlichen Kunstgewerbeschule ernannt worden.
Die Schule erhält neue, grosse, praktisch angelegte
Werkstätten, Schulräume und Ateliers. Dem neuen
Direktor, der bekanntlich zu den trefflichsten Malern
Stuttgarts gerechnet werden muss, wäre zu wünschen,
dass ihm nun auch in der Galeriekommission und
im Stuttgarter Ausstellungswesen der seinen Fähig-
keiten gebührende Platz eingeräumt wird. —

Ein mit staatlicher Unterstützung herausge-
gebenes Werk über die „Stuttgarter Kunst der Gegen-
wart" gab dem Galeriedirektor Max Diez Gelegen-
heit, seine dilettantischen Ansichten vor aller
Öffentlichkeit zu entwickeln. Der Kunsthistoriker
der Landesuniversität Tübingen, Konrad Lange,
unterzog diese Leistung einer scharfen Kritik, die
sich auch gegen die Urheber der Ernennung eines
studierten Theologen zum „lenkbaren" Museums-
vorstand wandte; insbesondere gegen Robert von
Haug, dem Tyrannen der Stuttgarter Kunstentwick-
lung. Es wäre sehr zu wünschen, dass die mass-
gebenden Kreise die zwingende sachliche Richtigkeit
von Langes Ausführungen nicht übersehen möchten.
Die im Ausstellungsjahr 1913 vergeudeten, jahrelang
aufgesparten Gelder machen den Ernst der Lage ge-
nügend klar. Kann und will Stuttgart selbständig
werden oder gehört es auch in Zukunft, als ein
„Vorort Münchens", zur Provinz? — das ist jetzt die
Frage.

Es wird gut sein, sich an diesem entscheidenden
Wendepunkt vorzuhalten, was ein so lebendiger und
kluger Schwabe wie Fr. Th. Vischer über seine Lands-
leute dachte: „Schwerblütig, unvermögend, sich aus sich
herauszuleben. Meinen, ihre Eigenheiten seien bessere,
eignere Eigenheiten, als die Eigenheiten andererStämme.
Meinen, sie haben die Gemütlichkeit gepachtet. Gefahr
darin; die Vettermichels-Gemütlichkeit liegt so nahe
an der unwahren Höflichkeit als der weltglatte Bildungs-
schliff, mag sie auch am unrechten Ort manchmal grob sein.

Viel Talent, aber es bleibt latent. Haben wie die
Schildbürger beschlossen, heimlich gescheit zu sein. Kein
geselliges, verbreitetes, Städte durchfliegendes Venti-
lieren neuer Dinge, die jedermann interessieren. Ver-
stockter Eigensinn; Fremdenscheu.

Formlosigkeit prinzipiell gemacht: sie gilt für wahre
Natur; Form gilt für affektiert, vor allem: höher belebte
Form.

Vieles offenbar auch Folge der langen Abgeschlossen-
heit von grossem Verkehr; Weltlosigkeit, Versessenheit,
Stagnation. Hauptstadt in einem Kessel, können nicht
oben hinausgucken. Entsteht ein deutsches Reich, so
wird sie vielleicht die Luftdruckströmung wecken, doch
gewiss langsam. — Protestantisches Land.

FRIEDRICH FEIGL, RADIERUNG
AUSG. IM GRAPHISCHEN KADINET (NEUMANN)

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