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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 12.1914

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Heft 3
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Pauli, Gustav: Dürers Landschaftszeichnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4753#0169

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DÜRERS LANDSCHAF TS ZEICHNUNGEN

VON

GUSTAV PAULI

chonzuseinenLebzeitenwurdeDürer
jenes Weltruhmes teilhaftig, der keine
Landesgrenzen kennt und den der
Tod, der geringere Existenzen aus-
löscht, nur noch zu steigern vermag.
Als er die Augen geschlossen hatte,
wurde sein Genius von der allgemeinen Ver-
ehrung gleichsam unter die Gestirne versetzt,
von deren Höhe er im Wandel der Zeiten eine
geheimnisvolle Wirkung auf die Lebenden weiter
übt. Nun gehört es aber zu den Eigen-
tümlichkeiten solcher verklärter Existenzen, dass
sie immer wieder die Blicke auf sich lenken, wäh-
rend doch gleichzeitig etwas an ihnen der ein-
dringenden Betrachtung widerstrebt. Und zwar ist
es gerade der blendende Glanz ihres Ruhmes, der
eine solche Betrachtung, die selbstverständlich eine
kritische sein muss, erschwert. Denn die Verehrung
will ihren Helden durchaus vollkommen sehen,
wozu es gehört, dass sie sein Charakterbild in tradi-
tionellen Zügen deutlich und dauernd ausgeprägt
festhalten will. Inwieweit auch dieses Dauerbild

der Phantasie sich thatsächlich wandelt, bleibt schon
deswegen für gewöhnlich unbeachtet, weil es sich
immer der Auffassung des jeweils lebenden Ge-
schlechtes anbequemt. Ein Beispiel solches alles
verklärenden Heroenkultes war noch die grosse
Dürerbiographie Thausings, die nur in Einzelheiten,
nicht aber in der Gesamtauffassung kritisch genannt
werden darf. Erst WülfFlin hat das Problematische
bei Dürer gefühlt und heute dünkt es uns offen-
kundig, vielleicht aus keinem anderen Grunde, als
weil wir in unserer eigenen Zeit analoge Wahr-
nehmungen zu machen Gelegenheit hatten.

Das Problematische in Dürers Erscheinung hängt
damit zusammen, dass er an der Grenzscheide zweier
Weltalter steht, deren verschiedenes, ja gegensätz-
liches Wollen in seiner Brust einen Kampfplatz fand.
Ein Vergleich mit seinen Zeitgenossen Grünewald
und Holbein, den grossesten neben ihm, wird dies
verdeutlichen. Beide sind in sich geschlossene ein-
heitliche und insofern unproblematische Naturen.
Grünewald steht jenseits der Grenzscheide und Hol-
bein diesseits. Grünewald bringt die mitteralterlich

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