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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 12.1914

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NEUE BÜCHER

BESPROCHEN VON KARL SCHEFFLER

Orlando und Angelika, ein Puppenspiel in zehn
Akten. Frei nach der Überlieferung der Neapler Mario-
netten vonjul. Meier-Graefe. Mit Farbenlithographien
von Erich Klossowski. 1912. Paul Cassirer Verlag,
Berlin.

Diese freie Nachdichtung der Neapler Marionetten-
spiele von Meier-Graefe ist ein feiner literarischer
Scherz, mit Geist, Geschicklichkeit, aber auch mit
allzuflüchtiger Bravour durchgeführt. Es hat den An-
schein, als wäre dieses Puppenspiel nur gedichtet, um
dem malenden Freunde einen anregenden Illustrations-
text zu schaffen, als ginge die Idee der Arbeit von dem
Maler aus. Dass Meier-Graefe die nicht von innen
kommende Gelegenheit dann benutzt hat, seinen Puppen
aus der Ritterzeit auch manches ironische Wort über
die Gegenwart in den Mund zu legen, dass er in hei-
terer Weise seinen Launen die Zügel hat schiessen las-
sen, versteht sich bei der lebendigen Beweglichkeit
dieses Schriftstellers von selbst. Doch hiitte er mehr
noch thun können. Er hätte ein poetisches Kunstwerk
schaffen können von eigentümlichem Wert, wenn er in
das artistische Spiel einen tieferen Sinn gelegt, wenn er
ihm eine strengere, eine bei aller episch-lyrischen Grazie
dramatische Form gefunden hiitte. Meier-Graefe hat
wieder einmal mit Scharfsinn und Einsicht eine seltene
Gelegenheit, eine originelle Form entdeckt und hat sie
dann nicht so genutzt, wie sie hätten genutzt werden
können.

Die vielen, zum Teil farbigen Lithographien Klos-
sowskis sind Produkte eines Talents, das vor allem auf
Kunsteinsicht und lebendigem Geschmack gegründet ist.
Klossowski hat es meisterhaft zu kaschieren verstanden,
was er alles nicht kann. Seine zarten, rokokozierlichen
und geistvoll skizzierenden Lithographien kommen sehr
deutlich von dem gefälligimpressionistischen Illustrations-
stil Bonnards her. Doch weisen sie auch auf Slevogts
Illustrationen. Mit grossem Geschick ist das Marionetten-
hafte betont und benutzt; es wird ein Mittelding von
Puppenspiel und Leben, von Theater und Wahrheit,
von grotesker Steifheit, toter Unbeholfenheit und cha-
rakteristischer Beweglichkeit gegeben, das oft von fei-
nem Reiz ist. Die Schwierigkeiten der Darstellung sind
im allgemeinen aber mehr mit künstlerischem Fein-
gefühl und mit Phantasie umgangen als überwunden.
Was am meisten imponiert, ist der zarte und bewusste
Geschmack Klossowskis. Immer weiss er mit seinem
kultivierten ornamentalen Esprit die Situation zu retten;
er versteht darüber hinwegzutäuschen, dass er ein
Skizzist mehr aus Not, denn aus freier Wahl ist. Wie
viel allein mit Geist, Einsicht und Erfahrung künstle-
risch gethan werden kann, dafür sind seine Illustrationen
vortreffliche Beispiele. Da der Lithographien aber sehr

viele sind, und da der Geschmack nicht schöpferisch
variieren kann, macht sich auch eine gewisse Eintönig-
keit bemerbar. Es bleibt das ganze Unternehmen von
Klossowski und Meier-Graefe etwas künstlich, wie man
es auch ansieht; doch lässt man sich solche Künstlich-
keiten immerhin gern gefallen, da sie für die Denkart
unserer Zeit und für den Charakter der modernen Ar-
tistik ausserordentlich bezeichnend sind. Der Druck
und die Ausstattung dieses in kleiner Auflage reprä-
sentativ hergestellten Puppenspielbuches sind sehr gut.

Tiere, 32 Malereien von Bruno Liljefors.
Mit Text von Franz Servaes. Albert Bonnier, Verlag.
Stockholm und Bruno Cassirer, Berlin. Preis gebunden
20 M.

Was die Bilder Liljefors' problematisch oder künst-
lerisch angreifbar macht, das macht sie auf der andern
Seite zu guten Objekten für ein Bilderbuch. Es zeigte
sich, dass die Vorzüge der Tierdarstellungen des Schwe-
den illustrativer Natur sind, dass sie in der sachlichen
Schilderung liegen, in dem jägerhaft Gesehenen, in
einerschlagenden Darstellung der Situationen. So kritisch
man sein muss, wenn man vor den Bildern steht, so
rückhaltlos kann man dieses Bilderbuch, in dem die Ge-
mälde farbig reproduziert worden sind, seinen Kindern in
die Hand geben. Zum poetisch erhöhenden Anschauungs-
unterricht sind die Arbeiten vorzüglich geeignet, weil
die Natur und das Tier genau und mit einem starken
Sinn für Stimmung und für das empirisch Wesentliche
beobachtet sind. Sogar das Photographische, das in vielen
der Bilder ist — sehr stark, zum Beispiel, in den Blättern
„Balzendes Auerwild" oder „Schwäne" — schadet dem
Bilderbuchcharakter nicht. Zudem eignet sich die fast
aquarellartig dünne Malweise Liljefors1 besser zur far-
bigen Reproduktion als es sonst bei Ölmalereien der
Fall ist. Ein Blatt wie die „Schwäne" ist als Kunstwerk
kaum zu betrachten, es ist wie eine farbige Kunst-
photographie; den Kindern aber wird es zweifellos zum
Träger ihres Vorstellungslebens und Naturgefühls. Denn
Kinder sehen noch empirisch, das heisst unpersönlich.
Darum sehen sie auch alle gleichartig. Der dramatisch
zugespitzte Kampf ums Dasein in dem Seeadlerblatt ist
ebenfalls im besten Sinne bilderbuchmässig; und ebenso
ist es die farbige, die oft fastböcklinartige unddochimmer
auch naturwissenschaftliche Romantik in vielen anderen
Blättern. Alles in allem: man kann sich für die „reifere
Jugend" kaum ein anregenderes und willkommeneres
Tierbilderbuch denken und auch Jäger und naive Natur-
freunde werden auf ihre Rechnung kommen. Dem
Kunstfreund aber hat der Verleger mit seiner guten
Buchidee geholfen, das kritische Aber den Bildern des
Schweden gegenüber zu rechtfertigen.

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