Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 12.1914

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Neue Bücher
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4753#0214

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
i

NEUE BÜCHER

Hans Holbein der Jüngere. Des Meisters
Gemälde in 25a Abbildungen. Herausgegeben von
Paul Ganz. Stuttgart und Leipzig. Deutsche Verlags-
Anstalt 1912.

Es giebt Moden in der Kunstgeschichte, Zeiten, in
denen die Primitiven obenan stehen in der Schätzung,
andere, in denen man sich für das Barock begeistert.
Man entdeckt Greco, um in seinem Namen Velasquez
zu vernichten. So konnte die Schätzung Grünewalds,
des halb vergessenen, eine Zeitlang die Erkenntnis der
Werte Dürerischer Kunst verstellen. Und trügen nicht
alle Zeichen, so muss die nächste Welle den Namen des
jüngeren Holbein emportragen. Den Kunstschreiber
allerdings lockt dieser stille Klassiker der Malerei, der
seinen geraden Weg ging, weniger als die aus Sturm
und Drang spätgotischen Formenzwangs erwachsene
Kunst Dürers oder der geniale Meister des Isenheimer
Altars. So muss dieser dritte unter den Grossen der
Glanzzeit deutscher Kunst noch immer sich mit der
veralteten Biographie Woltmanns begnügen, während
Dürer durch das treffliche Buch Wölfflins, Grünewald
durch die erschöpfende Monographie H. A. Schmids
unserer Zeit aufs neue erschlossen wurden. Es ist be-
zeichnend, dass der Meister der Objektivität, der Holbein
war, weniger zu subjektiver Interpretation als zu objek-
tivem Materialsammeln reizte. Die mühsame Arbeit der
Zusammenstellung des Holzschnittwerkes, das sich in
vielerlei Büchern versteckt, ist im Werke. Die Zeich-
nungen erscheinen in mustergültiger Publikation, deren
Herausgabe der deutsche Verein für Kunstwissenschaft
besorgt. Und Paul Ganz, dem im Basler Museum die
beste und reichhaltigste Holbeinsammlung unterstellt
ist, und der das grosse Zeichnungswerk redigiert, gab
jetzt in der bescheidenen Form der so unendlich nütz-
lichen „Klassiker der Kunst" des Meisters Gemälde in
einer Vollständigkeit anstrebenden Abbildungsreihe her-
aus. Die Anordnung der Gemälde folgt dem Programm
der nun schon wohlbekannten Bände entsprechend der
zeitlichen Ordnung. Aber Ganz war vorsichtiger als
andere, indem er das Gesamtwerk in eine Reihe von
Gruppen auflöste und den datierten Werken einer Zeit-
spanne in besonderer Abteilung die undatierten folgen

liess, auf die Konstruktion einer forlaufenden chrono-
logischen Reihe also Verzicht leistete. Sehr dankens-
wert ist die Zusammenstellung der Entwürfe und Ko-
pien nach den zugrunde gegangenen Wandgemälden,
die ein wichtiges Kapitel im Lebenswerk des Meisters
bedeuten, und ferner die Kopien und Stiche nach ver-
schollenen Tafelbildern. Den Beschluss endlich machen
die zweifelhaften und falschen und kopierten Holbein,
deren ganzer Überfluss hier natürlich nicht aufgenommen
werden konnte. Auch der berühmte und in neuerer
Zeit vielgenannte Sir Bryan Tuke mit dem Tode aus
der Münchener Pinakothek muss hier mit einem sehr
bescheidenen Platze fürlieb nehmen. Holbeinentdeckun-
gen pflegen sehr bald in Zeitschriften der Allgemeinheit
mitgeteilt zu werden, und so wird man an dieser Stelle
nicht allzu viel neues erwarten. Das männliche Bildnis
im Besitz des Dr. Rudolph Geigy in Basel, das Ganz als
vermutliches Selbstporträt Holbeins in die Literatur
einführt, weckt manche Bedenken. Soll man nach der
Abbildung urteilen, so kann man sich von Holbeins
Autorschaft schwer überzeugen. Und keinesfalls ver-
mag man Ganz zu folgen, indem man in dem Dar-
gestellten Holbein selbt vermutet. Für die Kenntnis
der Züge des Meisters ist das späte, leider schwer miss-
handelte Selbstbildnis der Uffizien neben den zwei
Knabenporträts in einer Zeichnung und einem Altar-
gemälde des Vaters das einzig zuverlässige Zeugnis.
Zwischen dem Bildnis des Knaben und dem des Mannes,
die trotz des weiten zeitlichen Abstandes einander
schlagend ähnlich sind, findet das neue Porträt keinen
Platz, ebensowenig aber das Bildnis eines jungen Herrn
in der Basler Sammlung, obgleich es eine schon alte
Tradition als Selbstporträt bezeichnet. Es braucht nicht
viel physiognomisches Studium, um diese Annahme als
unhaltbar zu erkennen, und man möchte wünschen, dass
einer neuen Auflage das sichere Selbstbildnis aus Florenz
mit den charakteristischen Zügen des Meisters an Stelle
dieses Jünglings, der solcher Ehre kaum würdig war, vor-
angestellt werde. In den Datirungen im einzelnen kann
man ganz nicht immer folgen. Auf diese Fragen ein-
zugehen, ist hier nicht der Ort. Neueste Funde aus
englischem Privatbesitz werden sicherlich in einer
 
Annotationen