HUGO EBERHARDT, LANDHAUS HAHN, KÖNIGSTEIN
ÜBER DIE DEUTSCHE BAUKUNST DER GEGENWART
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von WALTER CURT BEHRENDT
Die Theorie des Entwerfens.
Es ist schon gesagt worden, dass sich gegen-
wärtig in der deutschen Baukunst mehr kritische
als schöpferische Kräfte regen, dass sich das archi-
tektonische Scharfen heute weniger intuitiv als be-
wusst vollzieht. Man ist auf intellektuellem Wege
nicht nur dahin gelangt, eine Art allgemeingültiger
Kunsttradition zu scharfen, indem die Werte der
Historie auf eine neue Weise produktiv gemacht
werden, man hat auch die psychischen Vorgänge
des architektonischenSchöpfungsprozesses gründlich
und scharfsinnig genug analysiert, um die verloren
gegangenen Grundbegriffe aufs neue festzustellen.
Diese Thätigkeit hat sich in pädagogischer Hinsicht
als ausserordentlich fruchtbar erwiesen, ja sie bildet
in einer Zeit allgemeiner Unsicherheit und Begriffs-
verwirrung eine notwendige Voraussetzung jeder
künstlerischen Reformarbeit. Sie propagiert ein all-
gemeinverständliches und stets gefälliges Schön-
heitsideal, das durch die Beobachtung einfacher und
bequem anzuwendender akademischer Regeln leicht
zu erfüllen ist. Symptomatisch für die Tendenzen
dieser akademisch-gelehrten Arbeitsweise ist einevor
kurzem erschienene Schrift von Professor Friedrich
Ostendorf, der als Lehrer der Architektur an der
Technischen Hochschule in Karlsruhe wirkt. In die-
sem auf sechs Bücher berechneten Werk, von dem bis
jetzt nur der Einführungsband vorliegt, hat sich das
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