BERNH. PANKOK, DETAIL VOM HAUSE ROSENFELD
die Flut vor dem dürstenden Mund in Nichts zerrinnt.
Das ist die Tragik dieses Künstlers. Sie giebt der Gestalt
das Problematische, aber auch Verinnerlichte und erklärt
zur Genüge die seltsame Stellung, die Ury jahrzehnte-
lang der Öffentlichkeit gegenüber eingenommen hat.
Eine umfangreiche Ausstellung von Bildern Wolde-
mar Röslers bei Paul Cassirer enttäuschte im ganzen ein
wenig. Es imponierten am meisten die Bilder der früh-
eren Jahre. Die letzten Arbeiten beweisen, dass dieses
starke Talent in einer Evolution, in einer Krisis mitten
drin ist und dass man am besten thut, es darin nicht
zu stören, dass es selbst auch wohl am besten thut sich
darin nicht stören zu lassen.
Bei Fritz Gurlitt lernte man den jung gestorbenen
Monumentalisten Hans Brühlmann kennen. Seine Ar-
beiten haben ungefähr die Haltung wie die des jungen
Karl Hofer, als dieser noch Deutsch-Römer war. Seine
Kunst wirkt wie ein starkes Versprechen — das wahr-
scheinlich niemals eingelöst worden wäre. Wie es scheint,
hat die Krankheit, die in dem jungen Körper brütete,
dieses mittlere Talent so bestimmt und geistig gemacht
— bei Eckmann war es einst ähnlich —, dass es in
gewisser Weise über seine Anlage hinausgelangen
konnte.
Im Graphischen Kabinet (Neumann) fiel es auf, wie
schnell und fein Friedrich Feigl sich entwickelt. Nicht
eben als Maler, aber als Graphiker. Die Geschicklich-
keit dieses Deutsch-Böhmen, (alle Deutsch-Böhmen
sind Virtuosen) hat sich schon so vergeistigt, dass
wir in ihm eine neue Hoffnung für unsere Graphik
glauben begrüssen zu dürfen. In derselben Aus-
stellung erfreuten farbige Zeichnungen und graphi-
sche Arbeiten des talentreichen Gelegenheitskünst-
lers Grossmann. Diese beiden Künstler seien vor
vielen anderen genannt, weil sie mit ihren Gaben
schon etwas objektiv Gültiges zu machen wissen,
im Gegensatz zu anderen Talenten (Meseck bei
Fritz Gurlitt, Heckendorf bei Keller und Reiner
oder gar Berneis bei Paul Cassirer), die nur subjektiv
zu werten sind. Talent spaziert heute auf allen
Gassen; es muss aber noch etwas anderes hinzu-
kommen, um es vor dem ganzen Volk zu legiti-
mieren.
Camille Pissarro hat dieses, was noch hinzu-
kommen muss, im hohen Grade gehabt. Das be-
wies wieder einmal die schöne Ausstellung seiner
Bilder bei Paul Cassirer. Ein gar nicht sehr grosses
Talent, unter den Impressionisten einer der letzten
— und doch unsterblich wie ein holländischer
Kleinmeister. Der Saal seiner Bilder wirkte, trotz
vieler Ungleichheiten, ganz museumshaft abge-
klärt.
Die Munch-Ausstellung bei Gurlitt wurde aufs
schönste ergänzt durch eine ausgezeichnete Aus-
stellung Munchscher Graphik bei Amsler und Rut-
hardt. Besonders unter den neueren, im Schiefler-
schen Katalog noch nicht verzeichneten Blättern, unter
den lithographierten Tierzeichnungen, befanden sich
kleine Wunderwerke eleganter Zeichenkunst.
Sehr dankenswert war es, dass der Salon Paul Cassirer
mit dem Oeuve Odilon Rudons bekannt machte.
Man begann schon aus der Ferne diesen Outsider der
französischen Kunst mit zuviel Romantik zu umkleiden.
Man hielt ihn seiner delacroixartigen Graphik nach —
die leider in der Ausstellung fehlte — für dämonisch —
was er ganz und gar nicht ist. Er ist sogar fast süss-
lich in seiner olympischen Moreau-Romantik. Seine
Malerei hat etwas Dilettantisches. Doch ist sie dabei
immer auch gesättigt mit französischer Malkultur und
mit französischem Geschmack. Etwas Katholisches und
auch etwas Salonhaftes ist darin. Etwas „Sanftes und
Sinnendes". Die Phantasie ist szenarisch, sie denkt sich
mächtige Himmelslandschaften aus, in denen Apoll und
der Pegasus als Staffage erscheinen. Als eine Staffage,
die den Gedanken des Bildes trägt. Die Blumenstilleben
haben etwas Spiritistisches. Es sei übrigens daran er-
innert, dass Jan Veth in diesen Blättern einmal über
Odilon Rudons „lithographische Serien" sehr schön ge-
schrieben hat. (Jahrg. II S. 104.)
Über Pascins Kunst, die in der Neuen Galerie in einer
anregenden Ausstellung gezeigt wurde, soll in einem
der nächsten Hefte etwas eingehender gesprochen
werden. R. Seh.
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