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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 12.1914

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Heft 7
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4753#0441

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eigentlich besser angelegt ist als die der Nachbarstadt.
Er braucht nur fortzusetzen, was Pauli begonnen hat
und das Überlebte konsequent herauszudrängen. Es
wird zweifellos eine Freude sein der Arbeit dieser
beiden Männer in den nächsten Jahren zuzusehen.

*
Im vierten Heft dieses Jahrgangs haben wir in
einer Notiz auf die Zeit- und Geldverschwendung
hingewiesen, die bei den Museumsbauten herrscht.
Wir haben vor allem auch darauf aufmerksam ge-
macht, dass die Nationalgalerie „seit mehr als zwei Jah-
ren in ihren wichtigsten Teilen geschlossen" gewesen
ist, wo ein tüchtiger Geschäftsmann die leichten Ein-
bauten und Durchbrüche doch in wenigen Wochen
hätte machen lassen. Diese Notiz hat stark gewirkt
auf die Museumsverwaltung und auf das Ministerium.
Der Kaiser hat eins seiner berühmten Machtworte
gesprochen und der Effekt ist, dass die umgebaute
Nationalgalerie nun in der Mitte des März eröffnet
worden ist. Über Wert und Unwert des endlichen
Resultates soll im nächsten Heft gesprochen werden.
Heute muss etwas Persönliches erledigt werden. Der
Direktor Justi hat nämlich die Gelegenheit benutzt,
eine Broschüre über den Umbau in der Nationalgalerie
zu schreiben (Berlin, Julius Bard), die er einige Tage
vor der Eröffnung der Presse zugesandt hat. In dieser
Broschüre nun wendet sich Justi mit einiger Schärfe
gegen unsere Notiz, und behauptet, sie sei eine „be-
dauerliche Irreführung". Er behauptet, es sei durch die
Ausscheidung der Schlachtenbilder und die Gründung
der Bildnissammlung „soviel Raum im mittleren Stock-
werk frei geworden, dass alle wichtigen Werke dort
Platz fanden, die bis dahin im Erdgeschoss ausgestellt
gewesen waren". Er behauptet ferner, der Umbau habe
nicht zu lange gedauert, denn er bedürfe dieser langen
Zeit, wenn die Arbeiten mit „architektonischem An-
stand" ausgeführt werden sollten. Darauf ist zu er-
widern, dass es falsch ist, wenn gesagt wird, es seien
stets alle wichtigen Bilder ausgestellt gewesen. Ich habe
zu verschiedenen Malen bestimmte Bilder zu Studien-
zwecken gesucht und nicht gefunden, ich weiss, dass es
einem andern Schriftsteller mit andern „wichtigen"
Bildern ebenso ergangen ist und ich bin von bekannten
Fremden verschiedentlich gefragt worden, wo dieses
oder jenes Bild hingekommen sei. Justi widerspricht
sich ja auch sehr auffällig, wenn er in seiner Broschüre
stark betont, der Unterstock sei vor allem auch ausge-
baut, weil die damit gewonnene Behangfläche wertvoll
sei, wenn er immer wieder von Platzmangel und von
einem notwendigen neuen Galerieneubau spricht und
auf der anderen Seite sagt, trotz der Schliessung des
ganzen Unterstockes sei oben genug Raum gewesen für
„alle wichtigen Werke". Noch mehr setzt Justi sich mit

FRIEDRICH FEIGL, LITHOGRAPHIE

AUSGESTELLT IM GRAPHISCHEN KABINET, I. B. NEUMANN

sich selbst in Widerspruch, wenn er die unnatürlich
lange Bauzeit verteidigt. Er weiss es, dass er selbst am
meisten darüber geklagt hat, dass deswegen Konflikte
mit dem Architekten eingetreten sind, dass der Bau oft
wochenlang ganz still gelegen hat, dass mit unnötigen
Proben Monate verloren sind und dass dem „architek-
tonischen Anstand" eigentlich nur das letzte Viertel-
jahr gehört hat. Es kommt hinzu, dass es in der Na-
tionalgalerie nicht genügt, wenn die Bilder irgend-
wo interimistisch jahrelang herumhängen, sondern dass
dem Besucher eine Folge gezeigt werden muss und
dass es darum wörtlich wahr ist, dass die Galerie „in
ihren wichtigsten Teilen" (denn das Untergeschoss
ist der wichtigste Teil, warum hätte Justi es in der
Ausstattung sonst so betont!) jahrelang geschlossen ge-
wesen ist. Wir weisen darum den Vorwurf, unsere
Notiz sei eine bedauerliche Irreführung, nicht nur zu-
rück, sondern geben ihn dem Direktor der National-
galerie zurück. Irreführend ist seine Broschüre; denn
unter dem Schein einer absoluten Objektivität sind darin
schroffe Widersprüche enthalten. Man gewinnt den
Eindruck, dass diese Broschüre überreden und über-
zeugen soll, weil die Sache an sich dazu nicht stark genug
ist; man hat den Eindruck einer Unsicherheit, die viele
Worte macht. Dass diese Unsicherheit gegenüber dem
Geleisteten am Platze ist, soll im nächsten Heft gezeigt
werden. Karl Scheffler.

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