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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 12.1914

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Heft 9
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Figdor, Karl: Östliche Holzschnitzkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4753#0551

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Es scheint dem Betrachter, als ob der Reichtum der
Erfindung unerschöpflich sei. Auch die Ornamentik,
gleicherweise selbständig nach Auffassung und Form,
strotzt von Schönheit und Fülle des Arabeskenwerks.
Die Figuren hinwiederum sind mit einem unglaublich
sicheren Auge gesehen. Jede Bewegung ist durch und
durch natürlich. Durch alle zieht sich der gleiche reli-
giöse oder legendäre Charakter. Da sind die Nat Dewas,
himmlische Geister, da sind Ungeheuer, Prinzen und
Prinzessinnen, Clowns und groteske Tiere.

Traurig ist, dass der europäische Einfluss auch hier
neuerdings verderblich zu wirken beginnt. Während
früher sich die edle Kunst auf die Ausschmückung von
Klosterbalustraden, Kultgebäuden, Palästen beschränkte,
macht man jetzt dergleichen, weil die Bezahlung reichlich
ist, auf Stühlen, Truhen, weiss Gott was. Die Herstellung
gerät ins Massenhafte, wird mechanisch, und oft genug
geht so das ganze Künstlertum der Einzelschaffung in
die Brüche.

Charakteristisch ist bei allen birmesischen Schnitze-
reien der guten Zeit, dass ihre äusseren Flügel dort, wo es
sich um grosse Objekte handelt, sei es einheitlich oder in
wellengleichen Sektionen nach innen hin, dem Zentrum
zu, weisen. Die einzelnen Szenen sind stets in sich ab-
geschlossen, gehen jedoch gut ineinander über. Die
Blattkonzeptionen, die die Figuren der Heiligen oder
Ungeheuer, die irdischen oder himmlichen Szenen um-
geben, schlingen einen zwanglosen und reichen Rahmen
um das Gesamtbild.

Der Birmese, Idealist von Natur und Religion, ent-
wickelt in seinen Kunstäusserungen Stärke im Grotesken
wie im Schönen. Er arbeitet aus dem Gedächtnis, ohne
Modelle, und dies mag der Grund sein, warum seine
Arabesken, seine Blattnetze, im Ineinandergreifen eine
ungewohnte Ungebundenheit zu zeigen vermögen. Liegt
die Stärke seines japanischen Vetters im Detail, so ruht
die seine in der prachtvollen Gesamtauffassung des
Lebens.

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DAS AFFENRELIEF AUS DEN TEMPELN VON NIKKO, „NICHT HÖREN, NICHT SEHEN, NICHT SPRECHEN!"

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