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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 12.1914

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Heft 10
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Wedderkop, Hermann von: Die Darmstädter Jahrhundertausstellung deutscher Kunst von 1650-1800
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https://doi.org/10.11588/diglit.4753#0606

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Formen anklingen, treten sie in einem so
stark bürgerlichen Gewände auf, dass sie
in ihrem Kern verändert erscheinen. Wenn
aber speziell bei Rembrandt vom „Barock"
gesprochen wird, so übersieht man, dass ge-
rade er es war, der das Barock überwand,
wenn er überhaupt jemals durch seine For-
mensprache beeinflusst ist, dass dieser
Begriff zu seiner Erkenntnis durchaus un-
tauglich ist, weil er überdeckt wird von
etwas Höherem, anders Geartetem. Denn
dem Ausseren des grandiosen Scheines
stellt er die „Unscheinbarkeit" der Wahr-
heit gegenüber, lässt die Form zugunsten
des Inhalts immer weniger den Ausschlag
geben, und bildet so den eigentlichen
Gegenpol zum italienischen Kunstgefühl.
Dass der Barockstil in der bildenden Kunst
des Nordens — auch in einer Spielart —
nicht Fuss fassen konnte, erklärt natürlich
nur zum unwesentlichen Teil die ewige
Phrase von den Folgen des Dreissigjährigen
Krieges. Es war auf dem Fundament der
religiösen Zustände, der besonderen Ras-
senveranlagung das ausschliesslich Formale
dieses Stils, das Italien die Entwicklung
vorbehielt und diese nur dann in anderes
Gebiet überspringen Hess, wenn, wie bei
Rubens, der geeignete Boden vorhanden
war. Der germanische Geist der Zeit aber
drängte, wenn er nicht wie bei Rembrandt
in die Tiefe ging, zur selben Zeit auf die
Ausgestaltung eines intimen Verhältnisses
zur Natur, zur Landschaft, zum Interieur,
zum Stofflichen überhaupt. Wo dieser Entwicklungs-
phase, wie im Deutschland des siebzehnten Jahr-
hunderts, eine Veranlagung nicht entsprach, da gab es
nur Anlehnung, statt des Schöpferischen, nur den Wert
von Einzelheiten, die zum übernommenen Stil des
Ganzen oft im krausen Gegensatz stehen. —

Man würde einen Fehler begehen, wollte man den
Wert dieser Ausstellung lediglich nach der Neuheit der
durch sie gezeitigten Ergebnisse festlegen. Es stand von
vornherein fest, dass es sich hier nichtum Verschiebungen
handeln konnte, wie sie die Ausstellung des Jahres 1906
herbeigeführt hat. Denn während die Überraschungen,
die uns diese brachte, nur möglich waren, bei der
uns angeborenen romantischen Schwäche, Zeit und
Raum um uns herum zu vernachlässigen und in ent-
legneren Ländern und Kulturen uns genauer zu unter-
richten, so war die hier in Frage kommende Zeit allzu
durchforscht, als dass Entdeckungen möglich wären und
Ungerechtigkeiten gut gemacht zu werden brauchten.
Kein Name kann verkündet werden, auf den man sich
einigen könnte, und irgendein hysterisches Verehrungs-
bedürfnis kommt hier nicht auf seine Rechnung. Diese

GEORG Z1ESENIS, BILDNIS DES GRAFEN WILHELM ZU SCHAUMBURG-LIPPE

AUSGESTELLT IN DER JAHRHUNDERTAUSSTELLUNG, DARMSTADT

Ausstellung musste demnach gänzlich unsensationell
ausfallen, und dass sie trotzdem bei allenSchwierigkeiten,
die das Zusammenbringen des weit verstreuten Materials
mit sich brachte, entstand, erhöht das grosse Verdienst
Biermanns, ihres Organisators, noch um ein Wesentliches.
Es kommt hinzu, dass die Zeit nur im Tafelbild gezeigt
wird, dass dies aber nur ein Teil und nicht einmal der
wesentlichste ihres bildnerischen Ausdrucks ist, der ohne
den reichem plastischen und freskalen Schmuck der
Kirchen und Schlösser nie genügend bestimmt werden
könnte. Mit diesennatürlichgegebenenEinschränkungen,
dieser Relativität ihrer Geltung ist die Ausstellung mit
ihrem reichen Material eine willkommene Ausbreitung
unserer Erkenntnis. —

Man hat sich von Anfang an anders einzustellen,
die ganz Grossen haben von vorn herein auszuscheiden,
und schon die Geister zweiten Ranges beschatten oft
allzu stark die Produktion ganzer Ketten. Nur selten
gewahrt man ein wirklich barockes Pathos, und wo es
auftritt, da wirkt es, wenn nicht undeutschundgezwungen,
so doch auch nicht typisch. Der ausgesprochene Eklek-
tizismus bringt ein merkwürdiges Durcheinander aller

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