impfess
Leben und Treiben der Deputierten und endlich von
wahrhaft monumentaler Grösse in Erfindung und Dar-
stellung die Blatter auf 1870/71 . . .
Man weiss, dass Daumier sich nicht wohl gefühlt
hat in der Karikatur, dass er sich aus dem Journalismus
hinaussehnte in die freie hohe Kunst. In engerem,
künstlerisch vorgeschrittenerem Kreise hat man ihn von
jeher hoch bewertet. Sein literarischer Namensvetter
und Geistesverwandter Balzac hat von ihm gesagt:
„Dieser Kerl da hat etwas von Michelangelo unter dem
Fell", und Daubigny, als er unter Michelangelos sixti-
nischer Decke stand: „Das sieht aus wie von Daumier".
So, wenn auch vereinzelt, schon damals. Und jetzt kann
wohl kein Zweifel mehr sein: der Ehrenplatz, den man
Millet eingeräumt hat, gebührt in Wahrheit Daumier.
1879 ist Daumier in Valmondois bei Paris arm, wie er
geboren wurde, gestorben.
BERLIN
Die große Kunstausstellung 1914
Als der selige Pietsch noch lebte, der drei Menschen-
alter sah, erschienen über solch eine„Grosse Ausstellung"
an die zwanzig Artikel, so dass eine künstliche Resonanz
auch der mittelmässigsten Jahrgänge geschaffen wurde.
Das Urteil wurde gediegen, eingehend und weitschweifig
gesprochen, — „doch aus der Untat wurde keiner klug".
Ist wohl auch kaum nötig gewesen, denn hier war, ist
und wird sein: die bürgerliche Küche der Kunst, für die,
denen sich Bürgerlichkeit mit Kunst verträgt. Wir in
„Kunst und Künstler" gehören nicht zu diesen Kost-
gängern, und unsgehendielandläufigen Unternehmungen
draussen in Moabit zwischen den Eisenbahnen im Grunde
nichts an. Da ich aber den Ehrgeiz habe, als Referent
der „Grossen" mein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum
zu feiern, so tauche ich denn auch diesmal hinunter in
die „halles d'huile" . . . Sage mir, wem du die Ehre
der Sonderausstellungen einräumst, und ich werde dir
sagen, wer du bist. Diese kleinen Feste, die den Schoss-
kindern der Malergenossenschaft gegeben werden, sind
sehr oft etwas wie die Stimmgabel des grossen Kon-
zerts. Sie lassen, heuer wenigstens, sichere Rückschlüsse
zu auf den künstlerischen Wert und Unwert, auf die
tiefwurzelnden Mängel und die relativen Vorzüge des
Ganzen. Wie nämlich dieses Ganze nur eine Niveau-
ausstellung ist (in der Kunst interessieren die Niveaus,
selbst wenn sie eine gewisse Höhe erreicht haben, auf
die Dauer nicht), so tritt auch in den Kabinetten keine
entschiedene Persönlichkeit uns entgegen, die den
Trieb nach der „nouveaute" hätte, der aufrichtigen
und eigenartigen Modernität. Da hat man zunächst
die stille, ruhige, auf gutem Handwerk fussende, feine
Künstlernatur — Carl Albrecht; er malt gefällige, viel-
seitige Sachen, in bescheidenen Formaten; er malt diese
Dinge aus sich heraus, vielleicht ohne an Ausstellungs-
fähigkeit oder an ein Publikum unmittelbar zu denken.
Aber er hat, konventionell wie er schliesslich ist, sein
grosses Publikum und ist für eine Ausstellung dieser Gat-
tung eine Art Zugkrafr. Alles zu sehr nature morte, un-
beseelt, ohne den Organismus des Lebens, kühl, - ob-
wohl dies ein Künstler ist, der am liebsten mit sich selbst
in Harmonie bleibt und auf die innere Stimme hört, die
die Naturanschauung in ihm löst. Es muss also wohl die
malerische Form sein, die uns den Eindruck vermittelt,
aiskäme dies weit, weit aus denZeiten her - verwehende,
oft kokette Romantik ... Es folgt Kappstein, der wahr-
lich nicht von Gott zum Künstler eingesetzt wurde, aber
mit seinem bescheidenen Pfunde honett wuchert. Ein
Jägersmann, ein Freund der Tiere, der illustrierend auf-
zeichnet; im Landschaftlichen kaltherzig; Orient und
Occident ununterschieden im farbigen Abglanz. Schad-
Rossa schliesst sich an, der mächtig als „Talent" sich
fühlt und Lichtmalerisches in Masse leistet, mehr kraft-
meierisch, als mit der entsagenden, pünktlichen Ehrlich-
keit; in den weiblichen Akten eine verkappte Akademie.
Hier wie in Ciarenbachs theatralischer Landschafts-
schilderei ein falscher Charme; Oberflächenkunst. Miss-
verstandener Impressionismus. Man hat das Gefühl:
diese Maler könnten auch ganz anders. Das Sujet steht
immer im Vordergrund; die Form ist forciert und etwas
Zufälliges. Dagegen bin ich bei August von Brandis
überzeugt, dass er den ehrlichsten Willen zur malerischen
Formsuche hat. Ich habe für diesen charmanten Künstler
immer eine Schwäche gehabt und habe ihn stets aus dem
Wust seiner Umgebungen als ringende Seele hervor-
gehoben. Er hat freilich noch immer nicht die rechte
Demut und Einfachheit der Natur gegenüber; überdies
verführt ihn seine wenig ergiebige Palette, sein dunkler,
starr glänzender, mit Tonalitäten spielerisch verfahren-
der Kolorismus in Monotonie, in Manieriertheit. Immer-
hin aber haben seine Interieurs eine merkwürdige
Stimmungskraft, die Blumen, die er so liebt, haben
Schimmer und Duft, und seine Figuren atmen im Raum.
Er gehe nach Paris, seine Palette aufzuhellen, dort Leben
und Licht und Bewegung zu sehen! — Pautsch liefert
im wesentlichen ethnologische Bilderbogen aus Russisch-
Polen; sehr imposant; im Linearen manchmal charakte-
ristisch, - aber als Malerei genossen, dekorativste Hand-
werksarbeit . . . Von Max Uth sind zwölf Arbeiten zu
sehen. Der Maler ist dieser Tage gestorben; in seinen
besten Jahren. Es war sein letzter „Salon". Dieser
Künstler zog einst mit anderen Genossen vom Stamm
der Sezession in den Glaspalast, um Gärung in die be-
hagliche Gleichgültigkeit zu bringen. Der Sturm legte
sich bald, und alles kehrte zur Ordnung zurück. Ganz
vergeblich ist freilich die Arbeit seines kurzen Lebens
nicht gewesen, weder für ihn selbst, noch für die Gemein-
schaft, der er angehörte. Die neue Ordnung war ja
schliesslich besser und willensfähiger als die alte. Max
Uth (ursprünglich von Liebermann, Kuehl, Ury, Leisti-
kow und den paar Franzosen beeinflusst, zu denen ihn
sein moderner Hang hinzog) gehörte zu jenen Künstlern
der mittleren Linie, die sich auf ihre Art mit dem Früh-
letzt nJ
leiscung:
606
Leben und Treiben der Deputierten und endlich von
wahrhaft monumentaler Grösse in Erfindung und Dar-
stellung die Blatter auf 1870/71 . . .
Man weiss, dass Daumier sich nicht wohl gefühlt
hat in der Karikatur, dass er sich aus dem Journalismus
hinaussehnte in die freie hohe Kunst. In engerem,
künstlerisch vorgeschrittenerem Kreise hat man ihn von
jeher hoch bewertet. Sein literarischer Namensvetter
und Geistesverwandter Balzac hat von ihm gesagt:
„Dieser Kerl da hat etwas von Michelangelo unter dem
Fell", und Daubigny, als er unter Michelangelos sixti-
nischer Decke stand: „Das sieht aus wie von Daumier".
So, wenn auch vereinzelt, schon damals. Und jetzt kann
wohl kein Zweifel mehr sein: der Ehrenplatz, den man
Millet eingeräumt hat, gebührt in Wahrheit Daumier.
1879 ist Daumier in Valmondois bei Paris arm, wie er
geboren wurde, gestorben.
BERLIN
Die große Kunstausstellung 1914
Als der selige Pietsch noch lebte, der drei Menschen-
alter sah, erschienen über solch eine„Grosse Ausstellung"
an die zwanzig Artikel, so dass eine künstliche Resonanz
auch der mittelmässigsten Jahrgänge geschaffen wurde.
Das Urteil wurde gediegen, eingehend und weitschweifig
gesprochen, — „doch aus der Untat wurde keiner klug".
Ist wohl auch kaum nötig gewesen, denn hier war, ist
und wird sein: die bürgerliche Küche der Kunst, für die,
denen sich Bürgerlichkeit mit Kunst verträgt. Wir in
„Kunst und Künstler" gehören nicht zu diesen Kost-
gängern, und unsgehendielandläufigen Unternehmungen
draussen in Moabit zwischen den Eisenbahnen im Grunde
nichts an. Da ich aber den Ehrgeiz habe, als Referent
der „Grossen" mein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum
zu feiern, so tauche ich denn auch diesmal hinunter in
die „halles d'huile" . . . Sage mir, wem du die Ehre
der Sonderausstellungen einräumst, und ich werde dir
sagen, wer du bist. Diese kleinen Feste, die den Schoss-
kindern der Malergenossenschaft gegeben werden, sind
sehr oft etwas wie die Stimmgabel des grossen Kon-
zerts. Sie lassen, heuer wenigstens, sichere Rückschlüsse
zu auf den künstlerischen Wert und Unwert, auf die
tiefwurzelnden Mängel und die relativen Vorzüge des
Ganzen. Wie nämlich dieses Ganze nur eine Niveau-
ausstellung ist (in der Kunst interessieren die Niveaus,
selbst wenn sie eine gewisse Höhe erreicht haben, auf
die Dauer nicht), so tritt auch in den Kabinetten keine
entschiedene Persönlichkeit uns entgegen, die den
Trieb nach der „nouveaute" hätte, der aufrichtigen
und eigenartigen Modernität. Da hat man zunächst
die stille, ruhige, auf gutem Handwerk fussende, feine
Künstlernatur — Carl Albrecht; er malt gefällige, viel-
seitige Sachen, in bescheidenen Formaten; er malt diese
Dinge aus sich heraus, vielleicht ohne an Ausstellungs-
fähigkeit oder an ein Publikum unmittelbar zu denken.
Aber er hat, konventionell wie er schliesslich ist, sein
grosses Publikum und ist für eine Ausstellung dieser Gat-
tung eine Art Zugkrafr. Alles zu sehr nature morte, un-
beseelt, ohne den Organismus des Lebens, kühl, - ob-
wohl dies ein Künstler ist, der am liebsten mit sich selbst
in Harmonie bleibt und auf die innere Stimme hört, die
die Naturanschauung in ihm löst. Es muss also wohl die
malerische Form sein, die uns den Eindruck vermittelt,
aiskäme dies weit, weit aus denZeiten her - verwehende,
oft kokette Romantik ... Es folgt Kappstein, der wahr-
lich nicht von Gott zum Künstler eingesetzt wurde, aber
mit seinem bescheidenen Pfunde honett wuchert. Ein
Jägersmann, ein Freund der Tiere, der illustrierend auf-
zeichnet; im Landschaftlichen kaltherzig; Orient und
Occident ununterschieden im farbigen Abglanz. Schad-
Rossa schliesst sich an, der mächtig als „Talent" sich
fühlt und Lichtmalerisches in Masse leistet, mehr kraft-
meierisch, als mit der entsagenden, pünktlichen Ehrlich-
keit; in den weiblichen Akten eine verkappte Akademie.
Hier wie in Ciarenbachs theatralischer Landschafts-
schilderei ein falscher Charme; Oberflächenkunst. Miss-
verstandener Impressionismus. Man hat das Gefühl:
diese Maler könnten auch ganz anders. Das Sujet steht
immer im Vordergrund; die Form ist forciert und etwas
Zufälliges. Dagegen bin ich bei August von Brandis
überzeugt, dass er den ehrlichsten Willen zur malerischen
Formsuche hat. Ich habe für diesen charmanten Künstler
immer eine Schwäche gehabt und habe ihn stets aus dem
Wust seiner Umgebungen als ringende Seele hervor-
gehoben. Er hat freilich noch immer nicht die rechte
Demut und Einfachheit der Natur gegenüber; überdies
verführt ihn seine wenig ergiebige Palette, sein dunkler,
starr glänzender, mit Tonalitäten spielerisch verfahren-
der Kolorismus in Monotonie, in Manieriertheit. Immer-
hin aber haben seine Interieurs eine merkwürdige
Stimmungskraft, die Blumen, die er so liebt, haben
Schimmer und Duft, und seine Figuren atmen im Raum.
Er gehe nach Paris, seine Palette aufzuhellen, dort Leben
und Licht und Bewegung zu sehen! — Pautsch liefert
im wesentlichen ethnologische Bilderbogen aus Russisch-
Polen; sehr imposant; im Linearen manchmal charakte-
ristisch, - aber als Malerei genossen, dekorativste Hand-
werksarbeit . . . Von Max Uth sind zwölf Arbeiten zu
sehen. Der Maler ist dieser Tage gestorben; in seinen
besten Jahren. Es war sein letzter „Salon". Dieser
Künstler zog einst mit anderen Genossen vom Stamm
der Sezession in den Glaspalast, um Gärung in die be-
hagliche Gleichgültigkeit zu bringen. Der Sturm legte
sich bald, und alles kehrte zur Ordnung zurück. Ganz
vergeblich ist freilich die Arbeit seines kurzen Lebens
nicht gewesen, weder für ihn selbst, noch für die Gemein-
schaft, der er angehörte. Die neue Ordnung war ja
schliesslich besser und willensfähiger als die alte. Max
Uth (ursprünglich von Liebermann, Kuehl, Ury, Leisti-
kow und den paar Franzosen beeinflusst, zu denen ihn
sein moderner Hang hinzog) gehörte zu jenen Künstlern
der mittleren Linie, die sich auf ihre Art mit dem Früh-
letzt nJ
leiscung:
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