dreissiger Jahre wohlgefällig. Dantans Chargen
sind Kunstgewerbe. Er siegt mit der Liebens-
würdigkeit seines Temperaments, macht gerne
Konzessionen im Rahmen gesellschaftlicher Ver-
pflichtungen, und bleibt dadurch vor allem ehr-
lich als Künstler, dass er wie sein Freund Chopin
seine „morceaux" am liebsten für sich behält. Er ist
originell, nicht original, äusserlich, voller Bonhom-
mie, mehr Esprit als Talent, und mit Humor erfüllt
bis in die Fingerspitzen. Seine Wortspiele müssen
köstlich gewesen sein. Es giebt den Ausschlag, dass es
für eine Ehre galt, von Dantan nicht modelliert,
sondern karikiert zu werden. Dieser Erfolg er-
scheint als Einlasskarte ins Pantheon der Unsterb-
lichkeit für die liberalen Elemente der Gesellschaft
des Bürgerkönigtums.
Das Verdienst, auf die Karikaturen von Dantan
hingewiesen und eine ausführliche Nachforschung
angeregt zu haben, welcher die Auffindung der
verschollenen Sammlung im herzoglichen Palais zu
München zu danken ist, darf der Herausgeber von
„Kunst und Künstler" beanspruchen.
Vor vier Jahren hat an dieser Stelle (Jahrgang
VIII, Heft i o, Seite 5 1 2) Karl Scheffler im Anschluss
an Theodor Fontanes beschauliche Schilderung von
Paretz und die Charakteristik der architektonischen
Eigenart des Schlosses, welche Hermann Schmitz
verfasst hatte, über die Werke der
bildenden Kunst in Paretz gesprochen.
Dabei erschien ihm eine kleine unbe-
kannte Statuette besonders auffällig
und beachtenswert. Wir lesen: „Das
merkwürdigste Kunstwerk im Schloss
Paretz ist zweifellos die Skulptur, die
hier unten abgebildet ist. Sie ist aus
den vierziger oder fünfziger Jahren,
soll aus England stammen und ist
etwas wie eine Karikatur fürstlicher
Personen im Gespräch. Die Figur
rechts soll angeblich den König von
Hannover darstellen. Dieser Gips-
abguss ist rätselhaft. Es ist stellen-
weis eine fast daumierhafte Rück-
sichtslosigkeit karikaturhafter Übertreibung darin
und eine nicht geringe plastische Darstellungskunst.
Es wäre schon der Mühe wert, wenn ein im Sinne
Theodor Fontanes Interessierter einmal versuchte,
der Herkunft und den Schicksalen dieser Plastik
nachzuspüren."
Die Plastik in Paretz (Nr. 295 des Dantanschen
Oeuvrekataloges) stellt den englischen Herzog von
GloucesterJüngerenBruder desKönigs Wilhelms III.
im Gespräche mit seinem älteren Bruder, dem Her-
zog Ernst August von Cumberland, späterem König
von Hannover, vor. Wir können dies auch ersehen
aus einer der wenigen literarischen Schriften über
Dantan, einem höchst langweiligen Gedicht „ä la
facon de Boileau" von Prosper Viro, in welchem
der Besuch in Dantans Atelier nebst den Haupt-
werken des Meisters poetisch verherrlicht wird:
„Contemplons maintenant ces plätres d'outre-
manche,
Ou Dantan restitue eux-memes, si complets
Dans leur nature ä part les grands seigneurs
anglais:
A la chambre des lords, le duc de Cumberland
Qui, le pied dans la main, negligemment e'coute
Son voisin Gloucester, fort ennuyeux sans
doute.... •"
Noch eines haben wir am Schlüsse mitzuteilen.
Dantans Kunst hat in München Schule gemacht.
Es befinden sich da und dort in Mün-
chener Privatbesitz kleine Thonkari-
katuren ohne besonderen künstleri-
schen Wert. Als ihr Schöpfer gilt der
Bildhauer Maximilian Widnmann.
Von ihm sind die Getreuen der Sym-
posien des Königs Max dargestellt,
Kobell, Pocci, Heyse, Geibel usw.
Auch König Max II. und Herzog
Maximilian sind als Thonfiguren vor-
handen. Gewiss gab der Theatersaal
des Herzogs zu ihrer Ausführung die
Anregung, und der hohe Ahnherr
auch dieser deutschen Kunst ist wie-
der einmal ein Franzose, Jean Pierre
Dantan. Das ist der Humor davon.
Ei
J. P. DANTAN, STRAUSS
644
sind Kunstgewerbe. Er siegt mit der Liebens-
würdigkeit seines Temperaments, macht gerne
Konzessionen im Rahmen gesellschaftlicher Ver-
pflichtungen, und bleibt dadurch vor allem ehr-
lich als Künstler, dass er wie sein Freund Chopin
seine „morceaux" am liebsten für sich behält. Er ist
originell, nicht original, äusserlich, voller Bonhom-
mie, mehr Esprit als Talent, und mit Humor erfüllt
bis in die Fingerspitzen. Seine Wortspiele müssen
köstlich gewesen sein. Es giebt den Ausschlag, dass es
für eine Ehre galt, von Dantan nicht modelliert,
sondern karikiert zu werden. Dieser Erfolg er-
scheint als Einlasskarte ins Pantheon der Unsterb-
lichkeit für die liberalen Elemente der Gesellschaft
des Bürgerkönigtums.
Das Verdienst, auf die Karikaturen von Dantan
hingewiesen und eine ausführliche Nachforschung
angeregt zu haben, welcher die Auffindung der
verschollenen Sammlung im herzoglichen Palais zu
München zu danken ist, darf der Herausgeber von
„Kunst und Künstler" beanspruchen.
Vor vier Jahren hat an dieser Stelle (Jahrgang
VIII, Heft i o, Seite 5 1 2) Karl Scheffler im Anschluss
an Theodor Fontanes beschauliche Schilderung von
Paretz und die Charakteristik der architektonischen
Eigenart des Schlosses, welche Hermann Schmitz
verfasst hatte, über die Werke der
bildenden Kunst in Paretz gesprochen.
Dabei erschien ihm eine kleine unbe-
kannte Statuette besonders auffällig
und beachtenswert. Wir lesen: „Das
merkwürdigste Kunstwerk im Schloss
Paretz ist zweifellos die Skulptur, die
hier unten abgebildet ist. Sie ist aus
den vierziger oder fünfziger Jahren,
soll aus England stammen und ist
etwas wie eine Karikatur fürstlicher
Personen im Gespräch. Die Figur
rechts soll angeblich den König von
Hannover darstellen. Dieser Gips-
abguss ist rätselhaft. Es ist stellen-
weis eine fast daumierhafte Rück-
sichtslosigkeit karikaturhafter Übertreibung darin
und eine nicht geringe plastische Darstellungskunst.
Es wäre schon der Mühe wert, wenn ein im Sinne
Theodor Fontanes Interessierter einmal versuchte,
der Herkunft und den Schicksalen dieser Plastik
nachzuspüren."
Die Plastik in Paretz (Nr. 295 des Dantanschen
Oeuvrekataloges) stellt den englischen Herzog von
GloucesterJüngerenBruder desKönigs Wilhelms III.
im Gespräche mit seinem älteren Bruder, dem Her-
zog Ernst August von Cumberland, späterem König
von Hannover, vor. Wir können dies auch ersehen
aus einer der wenigen literarischen Schriften über
Dantan, einem höchst langweiligen Gedicht „ä la
facon de Boileau" von Prosper Viro, in welchem
der Besuch in Dantans Atelier nebst den Haupt-
werken des Meisters poetisch verherrlicht wird:
„Contemplons maintenant ces plätres d'outre-
manche,
Ou Dantan restitue eux-memes, si complets
Dans leur nature ä part les grands seigneurs
anglais:
A la chambre des lords, le duc de Cumberland
Qui, le pied dans la main, negligemment e'coute
Son voisin Gloucester, fort ennuyeux sans
doute.... •"
Noch eines haben wir am Schlüsse mitzuteilen.
Dantans Kunst hat in München Schule gemacht.
Es befinden sich da und dort in Mün-
chener Privatbesitz kleine Thonkari-
katuren ohne besonderen künstleri-
schen Wert. Als ihr Schöpfer gilt der
Bildhauer Maximilian Widnmann.
Von ihm sind die Getreuen der Sym-
posien des Königs Max dargestellt,
Kobell, Pocci, Heyse, Geibel usw.
Auch König Max II. und Herzog
Maximilian sind als Thonfiguren vor-
handen. Gewiss gab der Theatersaal
des Herzogs zu ihrer Ausführung die
Anregung, und der hohe Ahnherr
auch dieser deutschen Kunst ist wie-
der einmal ein Franzose, Jean Pierre
Dantan. Das ist der Humor davon.
Ei
J. P. DANTAN, STRAUSS
644