DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:Widmer, Johannes: Max Buri
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.4753#0711
figürliche und szenarische Vorstellung sind aller
fremden Zusätze entlastet. Was untergeordnet ist,
lässt er fallen. Das Wesentliche wird mit der näm-
lichen Festigkeit und unauffälligen Feinheit hinge-
setzt, die man an Hodler kennt. Das alte Paar, arbeits-
hart, ehrenfest, in sonntäglicher Würde erfasst, ist
ein Psalm der Arbeit. Das Gleichnisartige aber ist
durch den blauen, weissen, grünen Glast der Land-
schaft, durch den starken Reiz des markig aus-
gemalten Mittelgrundes und durch die wunder-
same Modellierung der Dargestellten selber auf-
gewogen. Die Flächigkeit der Szene thut das ihre,
jedem Gedanken an rührsame Absichten die Wur-
zel auszureissen. Denn sie ist ein rein künstleri-
sches Element. Mit unvergleichlicher Bestimmt-
heit trifft Buri an seinen Modellen, die keine „Mo-
delle" sind, im Seelischen und Leiblichen den
Augenblick ihres malerischen Vollwerts. Das heisst,
er schafft ihn halb, halb wartet er ihn ab, und
gleicht so der Art Goethes, während Hodler in
seinem herrischen Verfahren geradezu an jenen
Schiller gemahnt, der die Muse am Schöpfe fasste
und sie ihn zu begeistern zwang. Die beiden
„Freundinnen" sind das geeignetste Beispiel für
diese seine Anlage und Weisheit. Genau so ver-
hält es sich auch mit den Landschaften.
Seine gesammelte Anmut, Fülle und Einfach-
heit hat Buri in einem Gemälde niedergelegt, von
dem keine Wedergabe möglich ist. Es heisst
„Mutter und Kind". Zwanglos und restlos ist der
Schein des Überirdischen oder Überzärtlichen ge-
tilgt. Die grossgewachsne, kräftig schöne, kluge
Frau schreitet gelassen durch einen Weg, den Blatt
und Blumen überwuchern. Es ist Dorothea, die
da wandelt. Aber sie ist der gewaltigeren, prangen-
deren Umwelt der neuen Zeit ähnlich. Buri ist
von innen heraus, wohl ohne es zu ahnen, ein
Meister dieses höchsten Anstands, der Harmonie
zwischen Menschenkindern und der Mutter Erde.
Diese unnachahmliche Echtheit wohllautender Emp-
findung setzt seiner kühnen Weise erst die Krone
auf.
MAX BURI, EIN OBERLÄNDER. I909
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fremden Zusätze entlastet. Was untergeordnet ist,
lässt er fallen. Das Wesentliche wird mit der näm-
lichen Festigkeit und unauffälligen Feinheit hinge-
setzt, die man an Hodler kennt. Das alte Paar, arbeits-
hart, ehrenfest, in sonntäglicher Würde erfasst, ist
ein Psalm der Arbeit. Das Gleichnisartige aber ist
durch den blauen, weissen, grünen Glast der Land-
schaft, durch den starken Reiz des markig aus-
gemalten Mittelgrundes und durch die wunder-
same Modellierung der Dargestellten selber auf-
gewogen. Die Flächigkeit der Szene thut das ihre,
jedem Gedanken an rührsame Absichten die Wur-
zel auszureissen. Denn sie ist ein rein künstleri-
sches Element. Mit unvergleichlicher Bestimmt-
heit trifft Buri an seinen Modellen, die keine „Mo-
delle" sind, im Seelischen und Leiblichen den
Augenblick ihres malerischen Vollwerts. Das heisst,
er schafft ihn halb, halb wartet er ihn ab, und
gleicht so der Art Goethes, während Hodler in
seinem herrischen Verfahren geradezu an jenen
Schiller gemahnt, der die Muse am Schöpfe fasste
und sie ihn zu begeistern zwang. Die beiden
„Freundinnen" sind das geeignetste Beispiel für
diese seine Anlage und Weisheit. Genau so ver-
hält es sich auch mit den Landschaften.
Seine gesammelte Anmut, Fülle und Einfach-
heit hat Buri in einem Gemälde niedergelegt, von
dem keine Wedergabe möglich ist. Es heisst
„Mutter und Kind". Zwanglos und restlos ist der
Schein des Überirdischen oder Überzärtlichen ge-
tilgt. Die grossgewachsne, kräftig schöne, kluge
Frau schreitet gelassen durch einen Weg, den Blatt
und Blumen überwuchern. Es ist Dorothea, die
da wandelt. Aber sie ist der gewaltigeren, prangen-
deren Umwelt der neuen Zeit ähnlich. Buri ist
von innen heraus, wohl ohne es zu ahnen, ein
Meister dieses höchsten Anstands, der Harmonie
zwischen Menschenkindern und der Mutter Erde.
Diese unnachahmliche Echtheit wohllautender Emp-
findung setzt seiner kühnen Weise erst die Krone
auf.
MAX BURI, EIN OBERLÄNDER. I909
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