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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 20.1922

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Heft 5
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Künstler-Anekdoten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4747#0201

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DER KUNSTFREUND
Ein Kunstfreund jüngsten Datums, dessen Urteil noch
von keiner Sachkenntnis getrübt ist, geht in einer großen
Kunsthandlung umher. Er deutet auf ein kleines Bild:
Und dies?
Dies? Um 1830.

So 1830! Aber mir lassen Sie es doch wohl um 1800? —

VORWORT VON GAEDA GUITRY*
Verehrtes Publikum 1
Ich schwöre dir, daß ich keine schlechten Absichten
habel Und bin's zufrieden, wenn dir das Anschauen ebenso
viel Spaß macht wie mir das Malen. Doch zuguter-
letzt steckt noch eine ganz kleine Kunstpolitik dahinter;
bedenke doch, wie lobend man vor diesen Bildern über
meine Theaterstücke reden wird. Gewiß und wahrhaftig!
Machen mir doch die Kollegen am Theater bei meinen
Premieren die schmeichelhaftesten Komplimente über meine
Bilder!

DER HÄUPTLING

Vor kurzem interviewte ein Kunstfreund den Führer
der modernsten Schule, der es verschmäht seine Über-
zeugung in Kunstzeitschriften auszubreiten.

„Wie kamen Sie eigentlich zu diesem Stil" bohrte der
Neugierige? Und dann noch unzählige „Warum" und
„wieso" — Keine Antwort. Zuletzt spricht der Maler be-
deutungsvoll : „es ist verboten mit dem Wagenführer zu
reden."

CARPEAÜX
Der Meister stand auf einem Gerüst und legte die
letzte Hand an seine Gruppe am Pavillon de Flore. Der
Kaiser kam vorüber, ließ seine Gefolge stehen und stieg

* Zu seiner Bildnisausstellung bei Bernheim-Jeune.

hinauf zu Carpeaux, um ihn zu begrüßen. Dieser über-
mütig, ließ sich durch seine gute Stimmung verleiten Ton-
kügelchen auf die Untenstehenden zu werfen. „Aber
Meister Carpeaux!" entsetzte sich der Kaiser.

„Sire, würden Sie sich den Spaß nicht auch machen,
wenn Sie Lust dazu hätten?"

„Aber Meister Carpeaux I"

„Dann", sagt der Künstler, sich verbeugend — „lohnt
sich's wirklich nicht, Kaiser zu sein . . . ."

DER LOTTERIEGEWINN
Es war im Jahre 1878. Pissarro schrieb an Eugene Murer:
„Es geht mir furchtbar schlecht und ich sehe keine Hilfe."
Sie kennen doch diese originelle Persönlichkeit, diesen
Murer? Eigentlich hieß er Meunier und hatte, ehe er sich
für die Malerei interessierte, Romane geschrieben, aber ge-
rade damals hatte er sich einer viel nahrhafteren Beschäf-
tigung ergeben, er war Konditor geworden. Sein Laden,
Ouai Voltaire, war der Treffpunkt der Impressionisten. Er
wollte, um Pissarro beizuspringen, eine kleine Lotterie or-
ganisieren und die Lose bei seiner Kundschaft absetzen.
Als Gewinne die Bilder von Pissarro. Hundert Lose, das
Los zu 1 Frank. Vier Bilder. Pissarro wollte sogar sechs
geben.

Einer der Gewinne fiel einem kleinen Dienstmädchen
zu. Sie stürzte herbei. Meunier-Murer zeigte ihr dis Bild,
es hing im Laden, hing recht bescheiden neben den
üppigsten, mit Früchten garnierten Torten, den creme ge-
füllten „Saint-Honores". Stumm vor Enttäuschung ließ das
kleine Mädel die Augen von den strotzenden Leckerbissen
zu der armseligen kleinen Leinwand wandern. Wie tat es
ihr leid um ihre zwanzig Sous! Endlich sagte sie: Ach,
wenn's Ihnen einerlei wäre Monsieur Meunier, möchte ich
lieber ein Saint-Honore. Sie bekam ihr Saint-Honore. Sie
zog selig damit ab. Aber Murer, noch beglückter, behielt

den Pissarro. (Aus dem „Bulletin de la Vie Artistique"

das bei Bernheim-Jeune eischeint.)

ZWANZIGSTER JAHRGANG, FÜNFTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM la. JANUAR. AUSGABE AM i. FEBRUAR NEUNZEHN-
HUNDERTZWEIUNDZWANZIG. REDAKTION: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER, BERLIN.
GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER, G.M.B.H., LEIPZIG
 
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