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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 2
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Glaser, Curt: Ausstellungen chinesischer Kunst: Paris-Amsterdam-Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0093

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nur selten Klarheit zu gewinnen ist. Immerhin ist der all-
gemeine Charakter der Zierkunst der Chouzeit eine fest-
stehende Größe, und die Frage, in welches Jahrhundert der
fast tausend Jahre umspannenden Epoche eine Bronze, oder
ob sie noch in die voraufgehende Shangzeit zu datieren sei,
ist von minderer Wichtigkeit als die Frage nach der Her-
kunft ihres Stiles, in dem zentralasiatische Elemente ver-
mutet, dessen in der Tat auffallende Verwandtschaft mit
gewissen Formen amerikanischer und nordeuropäischer
Frühkunst schon zu manchen gewagten Hypothesen verführt
haben. Neben diesem Choustil glaubt man neuerdings einen
Stil der Ts'inzeit erkennen zu können. Gewiß ist es gewagt,
nach einer tausendjährigen Epoche, deren Denkmäler unter-

wissenschaftliche Kennerschaft neuerdings, die Hanzeit mit
allerlei Formen vor allem tierischer Abkunft reichlicher zu
bevölkern und auf Grund auffälliger Verwandtschaft enge
Beziehungen des China der letzten zwei vorchristlichen und
ersten zwei nachchristlichen Jahrhunderte mit bis nach dem
vorderen Asien vordringenden Völkerschaften zu erschließen.
Die Kunst der Skythen, die aus zahlreichen Gräberfunden
im südlichen Rußland in weitestem Ausmaße bekannt ist,
gewinnt unter diesem Gesichtspunkte ein erneutes Interesse.
Ein russischer Forscher Rostovzeff hat ein hypothesenreiches
Buch über diese südrussische Kunst verfaßt und weitreichende
historische Folgerungen aus der formalen Verwandtschaft
skythischer, sarmatischer und chinesischer Bronzeverzierungen

FUSS EINES MÖBELSTÜCKS. HAN-DYNASTIE. BRONZE, MIT SILBEREINLAGE. HÖHE 11,5 cm

RESITZER : A. STOLET, BRÜSSEL

schiedlos sich aufreihen, die Datierung in die Herrschaftszeit
eines nur fünfzig Jahre, von 255—206 vor Christi Geburt
regierenden Kaiserhauses zu wagen. Zudem sind die An-
gaben über einen Bronzefund, der vor kurzem nach Europa
gelangte, und der eben dieser Epoche entstammen soll,
wissenschaftlich alles andere als einwandfrei. Aber Be-
obachtungen, die sich auf die Kenntnis dieses Fundes
gründeten, führten zur Aussonderung einer Gruppe bronzener
Geräte, deren Charakter und Zierat sich durch eine elegante
Verfeinerung deutlich absetzt von den gewaltigen und
strengen Formen der ältesten Bronzen.

Herrscht trotz so beginnender Gruppenscheidung doch
noch ein ziemliches Dunkel im Reiche ältester chinesischer
Kultur, das auch durch spärliche Nachrichten historischer
Uberlieferung nur wenig erhellt wird, so beginnt die außer-

gezogen. Die Pariser Ausstellung bot reichliche Gelegen-
heit, solche Zierstücke, deren Herkunft über das ganze
asiatische Festland sich verteilt, miteinander zu vergleichen,
und die Bedeutung des skythischen „Tierstils" für die
Formenentwicklung Chinas zur Zeit der Handynastie wurde
greifbar deutlich, sofern man die eben auf Grund dieser
Beziehung einleuchtende Datierung der fraglichen Gegen-
stände in diese Epoche als eine Tatsache hinnimmt. Gewiß
zeigt sich auch in dieser Einschränkung wiederum der reich-
lich hypothetische Charakter unseres Wissens um die Kunst
des alten China. Aber auch in anderen Wissenschaften
wird die Geltung einer Hilfskonstruktion anerkannt, deren
Tragfähigkeit durch Belastungsproben geprüft wird, und
wichtiger noch ist der Zuwachs an künstlerisch hochbedeuten-
dem Material, das unsere Vorstellung von der Kultur des

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