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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 4
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Grossmann, Rudolf: Gedanken über Karikatur, Komik und Karikaturisten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0176

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RUD. GROSSMANN, BILDNISZEICHNUNG OLAF GULBRANSSON

Logik zu brechen und doch fiebrig Vorstellungen
zu kombinieren, ist recht eigentlich sein Spiel.
Auf seinen früheren graphischen Blättern waren
oft phantastische Höllenhündchen, an Breughel
erinnernd, graziös, geschmeidig, aalglatt wie seine
eigenen Hände und Extremitäten, die sich, innerlich
gespannt, an Weibliches kosend schmiegten. Er
ist unproblematisch, freudig, zärtlich genießend,
im westeuropäischen Sinn ganz unphilosophisch.
Keine Raummetaphysik — der Raum ist ihm nur
schmückendes Beiwerk von weiblich Quellendem.
Nichts von christlichem Satanismus, kein sünd-
hafter Rops, den kirchliche Prüderie in ihn hinein-
interpretieren möchte; keine nächtliche Liebe hinter
verschlossenen Läden — Tageshelle und gerade
darum wieder keusch wirkend.

Bild und Geistesmittelpunkt: Frauenschenkel,
Frauenwölbungen, den an Wertheimsche Unter-
wäsche gewöhnten Deutschen exhibitionistisch an-
mutend. Eigentlich auch hier (wie bei Rowland-

son), trotz aller sichtlich grotesken Auswüchse,
innerlich ungewollt der Frauen zärtlichster Schäfer
und Anbeter. Früher ein schmales Gesicht, mit
pubertätsgespannter, oft herabgezogener breiter
Unterlippe, jetzt ein Gesicht wie das eines orien-
talischen Glücksgottes, ein rundlich schwellendes
Antlitz, die Lippen in barocken Schnörkeln ge-
schwungen. Ein Bohemien mit geistigem Vor-
behalt, versammelte er schon früher die schrullig-
sten Typen um sich: Anonyme, die er liebevoll
in all ihren Lebenskurven verfolgte, die für ihn
durch dick und dünn gingen, die aber alle zu
seinem für sie unsichtbaren Theätre humain ge-
hörten. Er erfindet sie sich neu, mit einer phan-
tastisch an Dickens erinnernden Ausführlichkeit,
läßt sie in ihren Anlagen sich ausleben. Und heute
arriviert, regaliert er sie jeden Samstag oben auf
dem Montmartre. Da liegen auf dem Sofa in Pas-
cinischen Stellungen Montmartrenutten herum, da
kommen Literaten, Malerinnen, Grisetten, Kritiker,

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