Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Grossmann, Rudolf: Gedanken über Karikatur, Komik und Karikaturisten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0177

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
auch junge Kunsthändler, die er sich selbst heran-
zieht. Flechtheim aus Berlin wischt breitsohlig
herein, erbittet Signierung eines seiner unzähligen
Porträts, die ihn selbst in Stierkampfdreß darstellen.
Nach dem Essen geht Pascin wie ein Diplomat
mit dem Weinglas von Tisch zu Tisch, mit jedem
ein paar Worte wechselnd. Befangen, fast verlegen
ist er nur dem allzu germanisch studentischen Typ
gegenüber, der ihm seine Atmosphäre einer quallig
diffusen Sinnlichkeit durchschneidet, die ohne das
weibliche Element nicht denkbar ist. Das sinnen-
freudige Paris ist deshalb immer wieder seine zweite
Heimat; das kühl überlegendeBerlin hieltihn nie lange.

Busch und Oberländer
Busch und Oberländer sind, im Gegensatz zu
Heine und Pascin, von unserer Zeit aus gesehen
unproblematischer. Oberländer zeigt eine behag-
liche Bonhomie, das frühere Gesicht Münchens;
er ist psychologisch ausführlicher als Busch, der
alles auf eine kurze, fast mathematische Formel
bringt. Genaue Tatsachen gibt er, auf Einzelheiten
eingehend und kommt damit in das eigentliche Ge-

biet des Humors; er karikiert auch das Tier in
seiner Friedfertigkeit und erfindet seine Komik.

Busch ist kürzer, schlagender, und deshalb mehr
Hasser. Er haßt vielleicht unbewußt den Spießer
und Kleinbürger, dessen Leben er in stiller Zurück-
gezogenheit selbst geführt hat, seine Zeichnungen
sind die Versuche, sich von dieser kleinlichen Erd-
haftigkeit selbst zu befreien.

Wenn man so die Kunst, ähnlich wie den
Götterglauben, als eine Art Antropomorphismus
auffaßt, könnte man die Karikatur als eine Art
Inversion dieser idealistischen Steigerung bezeichnen,
als eine Art Liebe zum Teufel, eine Art Gottersatz.
Die Karikaturisten sind ganz an ihr Milieu ge-
bunden; ihre Komik entsteht, indem sie ungewollt
zu ihm in Gegensatz geraten. Sie verstricken sich
unbewußt hinein und ihre Befreiungsversuche
ähneln den Versuchen derer, die vom Fliegenpapier
sich losmachen wollen und doch immer wieder
erst recht daran kleben bleiben.

Aus diesem Zwiespalt zwischen ihrem Wesen,
ihrem Milieu und dem, was sie daraus machen,
entsteht die Komik ihrer Darstellungen.

RUD. GROSSMANN, BILDNISKARIKATUR JUX. PASCIN

151
 
Annotationen