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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 7
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Scheffler, Karl: Das Berliner Museumschaos
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0297

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Direktoren sind aber nie einig und werden sich
nie einigen. Jeder sieht das Ganze von seinen
Interessen aus, sieht nur seine Sammlung, und die
Sonderwünsche sind auf dem Wege freier Ver-
ständigung nicht in Einklang zu bringen. Dagegen
läßt sich auch kaum etwas sagen, denn es ist na-
türlich und gut, daß für den Direktor nur seine
Sammlung und deren Interessen existieren; der
Abteilungsleiter ist gar nicht verpflichtet, das ver-
wirrte Ganze zu sehen, seine Begabung ist eine
andere als die eines Generaldirektors.

Davon, daß die Bauleitung des neuen Museums-
gebäudes das Ganze sehen, die Bedürfnisse aller
Abteilungen und ihr Verhältnis zueinander ver-
stehen könnte, ist keine Rede. Es ist auch gar
nicht ihres Amtes. Die Bauleitung würde der
Sache am besten dienen, wenn sie sich von der
Museumspolitik möglichst fernhielte, sich bemühte,
so sachlich wie möglich im Sinne des Bedürfnisses
zu bauen und den künstlerischen Ehrgeiz nicht ins
Kraut schießen zu lassen. Die Bauleitung braucht
unbedingt die starke Hand eines Bauherren, die
jeden Versuch der Selbstherrlichkeit unterdrückt.
Die Fehler, die aus Eigenmächtigkeit erwachsenen,
unreparierbaren Mißstände, wofür die Bauleitung,
von Messel bis HofFmann und Wille, verantwort-
lich ist, sind so groß und zahlreich, daß es eines
Buches bedürfte, um sie aufzuzählen und ihre Ge-
schichte zu schreiben. Sie sind geradezu symbolisch
für die ganze Zeit. Sie haben Unsummen ver-
schlungen und sind in keiner Weise wieder gut zu
machen. Sie beweisen es deutlich, daß die immer
nur eine darstellende Architektur erstrebende Bau-
leitung das wahre Wesen eines Museums nicht
begriffen hat und schon darum für die Führung
des Ganzen ausschaltet.

Als letzte Instanz bleibt das Ministerium für
Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Denn das
Finanzministerium, das als Geldgeber und zum Teil
auch als Baubehörde beteiligt ist, kann in dieser
Verbindung beiseite bleiben. Das Kultusministerium
war früher nur das ausführende, bestenfalls das
sanft korrigierende Organ des kaiserlichen Willens.
Während des Krieges und nach der Revolution
hat es dann ziemlich ratlos zwischen den streiten-
den Museumsleuten und der Bauleitung dagestan-
den, vermittelnd, beschwichtigend, Kompromisse
suchend. Langsam nur hat es sich darauf be-
sonnen, daß ein Teil der ehemaligen kaiserlichen

Autorität in der Republik auf das Ministerium
in natürlicher Weise übergegangen ist und daß
es vor allem berufen ist, autoritativ aufzutreten
und aus dem Chaos herauszuführen. Dem Drängen
der republikanischen Volksvertretung nachgebend,
hat das Ministerium als Referenten an Stelle von
Juristen Fachleute berufen. Es hat Glück gehabt
und einige Persönlichkeiten gewonnen, die sehr
wohl fähig sind, ein Ganzes zu sehen, willig im
Sinne der Gesamtheitsinteressen zu arbeiten, den
Minister zu überzeugen und ihm Mut zu machen,
die Leitung in die Hand zu nehmen. Hier ist
endlich eine Hoffnung, die letzte und einzige.
Nun ist es aber bezeichnend, daß in dem Augen-
blick, wo das Ministerium sich anschickte, Autorität
zu zeigen, wo es sogar mit dem Landtag fertig
wurde — in dessen Kunstausschuß zum Teil Ab-
geordnete sitzen, die von einer der interessierten
Parteien wenigstens mit Erfolg immer wieder be-
arbeitet werden —, die Presse gegen das Mini-
sterium mobil gemacht hat. Wie es scheint, nur
aus einer alten Gewohnheit heraus. Dabei verrät
die Presse in großen Teilen eine grobe Unkenntnis
der allerdings recht verwickelten Verhältnisse. Der
Erfolg ist, daß das Ministerium in seinen Be-
mühungen — die einzigen, die der Unterstützung
wert sind! — fast lahm gelegt wird, daß das Chaos
dauernd wird.

Der natürliche Leiter des Ganzen wäre wie gesagt
ein mit allen Vollmachten ausgestatteter General-
direktor. Da er nicht vorhanden ist, sondern
bestenfalls einmal wieder vorhanden sein wird,
muß eine andere Behörde mit genügender Voll-
macht die Leitung übernehmen. Das Kultus-
ministerium bietet sich an. In einer Weise, daß
über die Fähigkeit und Integrität Zweifel nicht
erlaubt sind und daß der bequeme Einwurf des
Bürokratismus nicht erhoben werden darf. Dieser
Wille, endlich Ordnung zu schaffen und die all-
gemach lächerlich, ja schmählich werdende An-
gelegenheit so oder so zu beenden, verdient För-
derung, nicht Gegnerschaft. Die Dinge liegen so,
daß es gleichgültig ist, wer die Führung über-
nimmt, wenn sie nur überhaupt jemand über-
nimmt.

Beneidenswert ist die Aufgabe des Ministeriums
nicht. Es muß mit einer einmal vorhandenen
Architektur rechnen, die im wesendichen ein
Werk der Fassadengesinnung ist, mit einer Riesen-

z/o
 
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