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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 7
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Faber du Faur, Hans von: Erinnerungen an Maler, [2]: Diez und die Diezschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0305

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und kühn die üppigsten Farben seiner Palette auf
seiner Aktstudie losgelassen. Diez kam zur Kor-
rektur; als er zu Herrn X kam, wartete man mit
Spannung auf die Dinge, die da kommen würden.
Diez sah die Arbeit in aller Ruhe an; da begann
Herr X: „Wissen Sie, Herr Professor, es gibt eben
verschiedene Kunstrichtungen . .." Da lachte Diez
ihm gutmütig ins Gesicht. „Ja, Herr X, es gibt aber
auch einen ... Dreck", es folgte ein allgemein
bekannter Diezscher Kraftausdruck. Damit ließ er
ihn stehen und ging zur nächsten Staffelei.
Von den vielen lustigen Streichen, die da ausge-
heckt wurden, will ich einen erzählen. Wir mal-
ten lebensgroße Studien nach einem vor einem
weißen Hintergrund sitzenden weiblichen Akt. Am
nächsten Morgen war Korrektur. Ein junger Düssel-
dorfer bat mich, ihm meinen Spazierstock zu leihen,
den er neben dem Modell anlehnte und dann mit
Glanzlicht und Schlagschatten sehr realistisch ab-
malte; er wollte wohl seine Arbeit dadurch von
der Studie zum Bild erheben. Kaum hatte er das
Atelier verlassen, so erhob sich der Geist der Rache.
Dieser schnöde Naturalismus mußte gesühnt wer-
den. Im Handumdrehen war der ganze Fußboden
im Vordergrund auf der Studie mit einer Menge
nützlicher Gegenstände vom Nachttopf bis zur
Schnapsflasche in plastischer Darstellung bemalt.
Um die Täuschung voll zu machen, wurde am
nächsten Morgen vor der üblichen Zeit ein Hau-
sierer aufgetrieben, der mit lebenden Schildkröten
handelte; alles legte zusammen, man erstand eine
Schildkröte und band das Tier mit einer Schnur
an die auf dem Boden stehende Leinwand, vor
der es nun ruhelos im Halbkreis hin- und her-
watschelte und so das gemalte Stilleben in die be-
lebte Natur hinüber fortsetzte.

Die Diezschule fühlte sich damals, wohl im
Stolz auf die überragende Persönlichkeit des Leh-
rers, wie eine Art Elitekorps an der Akademie;
etwa wie ein Garderegiment gegenüber der Linien-
truppe. Bei der großen kostümierten Faschings-
kneipe gab die Diezschule eine Kneipzeitung her-
aus. Es war ein großes Epos, das in launigen Ver-
sen, erläutert durch treffende Karikaturen, die
ganze Akademie und die Diezklasse im besonderen
vornahm.

Da hieß es: „Böcklin ruhig sterben kann,"

„es lebet ja der U-urban."
In der Illustration sah man Hermann Urban,

der damals stark unter dem Einfluß Böcklins stand,
mit dramatischem Gesichtsausdruck, einer Riesen-
palette und einem Lorbeerkranz den Fuß auf den
Sarg Böcklins setzen, der dadurch charakterisiert
war, daß zwischen Deckel und Sarg zwei große
Fischflossen heraushingen.
Ich kam auch daran:

„Der Offizier betracht' uns neidig,"

„Wird Maler und vergißt sein ,Schneidig'."

„Herr von Faber war auch Militär,"

„Jetzt ist er Akademiker."
Daneben war ich famos karikiert, wie ich mit
demonstrierender Geste dem kleinen Hell (Fried-
rich Hell stellte in der Sezession später feintonige
Stilleben aus), mit dem ich damals besonders viel
zusammen war, dozierte. Hell sah andächtig zu
mir hinauf, während hinter ihm an der Wand
mehrere Bilder, „Madonna in Rot", „Madonna in
Gelb", „Madonna in Blau" usw., seine damalige
Manie verulkten.

Ich glaube, daß jeder, der bei Diez gelernt hat,
Ursache hatte, ihm früher oder später dankbar zu
sein für die Anregung und Förderung, die er durch
ihn erfahren. Die Natur groß und einfach im Sinn
der Alten sehen lehren, den Sinn für das Male-
rische zu wecken oder zu steigern, großzügig und
sicher zeichnen lehren: dies waren die Momente,
auf die- er bei seinem Unterricht den Hauptwert
legte. Unermüdlich war er in seinem Bestreben,
das Modell möglichst malerisch zu stellen, wobei
Stellung, Beleuchtung und Hintergrund in den ver-
schiedensten Kombinationen ausprobiert wurden.
Es kam vor, daß er einen ganzen Vormittag von
8—12 Uhr damit zubrachte, um ein Modell zu
stellen und dann womöglich noch nicht ganz zu-
frieden war. Fand er ein Modell besonders inter-
essant und instruktiv, so behielt er es oft arg lange
bei; so hatten wir einmal ein und denselben weib-
lichen Akt in der gleichen Pose während zweier
Monate Vor- und Nachmittag, was mit sich brachte,
daß viele Arbeiten, weil das Auge die Frische ver-
lor, statt besser immer schlechter wurden. Da hatte
der Lehrer stets einen Trost oder eine Ermutigung
bei der Hand, die darauf hinauslief, daß man an
den verdorbenen Studien am meisten lerne. Ge-
radezu barbarisch kam mir später die Gewohnheit
vor, wie in den Pariser Ateliers im allgemeinen das
Modell von den Schülern gestellt wurde. Es ge-
hörte dort zum guten Ton, in möglichst wenig

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