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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 7
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Faber du Faur, Hans von: Erinnerungen an Maler, [2]: Diez und die Diezschule
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Minuten mit der nächstbesten Pose vor dem ge-
rade zufällig angebrachten Hintergrund sich zu-
frieden zu geben.

Von Dürer las ich einst einen Ausspruch, der
den Sinn hatte: „Die Kunst steckt in der Natur;
reiße sie heraus und Du hast sie." Diez pflegte zu
sagen, die Kunst sei wie ein großer Kuchen. Da
müsse man sich eben durchfressen. Er regte jeden
dazu an, gemäß seiner Anlage seine persönliche
Ausdrucksweise zu finden; er stieß den Schüler
hinaus auf das Meer der unbegrenzten Möglich-
keiten; ob man von der Farbe, der Fläche oder
der Linie ausging, ob man auf absorbierender Lein-
wand, auf Olgrund oder geleimter Pappe, auf
hellem, dunklem, rotem oder schwarzem Grund
malte, alles mochte man versuchen; die Schule war
da, sich auszuprobieren, zu lernen, nicht um mit
möglichst vielen fertigen Arbeiten auf der perio-
dischen Schulausstellung zu paradieren. (In einer
anderen Malschule an der Akademie mußten die
Schüler damals alle ihre Arbeiten erst schön sauber
aufzeichnen, dann in Aquarellfarben fertigmalen und
sie dann nochmals durch völlige Übermalung zu
fertigen Olstudien zu machen.)

Ganz einzigartig war die unfehlbare Sicherheit
der großzügigen Zeichenkorrektur dieses geborenen
Lehrers.

Diez war ein ausgesprochener Feind jeder
Schablone. Öfters erzählte er mit Lachen und
Spott aus seiner Jugendzeit, wo ein Theatermaler
Anschütz die auf der Palette gemischten Lokaltöne
in Tuben füllen und dann damit malen lehrte.
(Zehn Jahre später in Paris erzählten mir Engländer,
wie in London, unter dem Einfluß von Whistler,
dortige Porträtisten, wobei die berühmtesten Na-
men genannt wurden, für ihre lebensgroßen Bild-
nisse die Lokaltöne für Fleisch, Haar, Kleid, Hin-
tergrund zu Beginn ihrer Arbeit in Tuben zu füllen
pflegten, um sicher im Kolorit zu bleiben.)

Viel Freude bereitete dem Künstler das rege
Interesse, das ihm der greise Prinzregent Luitpold
fortwährend erwies, indem er ihn oft im Atelier
besuchte und sehr viel zu Hofe einlud. Da tauchte
dann in der Schule oben die Kabinettsfrage auf,
ob der Herr Professor besser ein weißes oder
schwarzes Krawattl, schwarze oder weiße Hand-
schuhe nehme. In den Ruhepausen des Modells
pflegte Diez nämlich gemütlich Cercle mit den
Schülern zu halten. Da warf er dann hin und wie-

der, indem er ein wenig mit seiner Unkenntnis
der höfischen Etikette kokettierte, zwischen die üb-
liche Erörterung der künstlerischen Tagesfragen
hinein, auch derartige Fragen auf.

Einmal erhoben wir große Vorwürfe. Diez
war Mitglied des Preisgerichtes gewesen, das Whist-
ler, der zum erstenmal mit drei großen Bildnis-
arbeiten aufgetreten war, mit einer zweiten Medaille
bedacht hatte. (Whistler selbst soll damals ironisch
für dieses „second hand compliment« gedankt ha-
ben.) Der Professor suchte sich gutmütig zu recht-
fertigen, ein (ich glaube) Frank Hall, der die erste
Medaille erhalten, sei doch ein größerer Könner,
was wir aber gar nicht gelten ließen. Es hieß da-
mals, Whistler habe der Pinakothek das Bildnis
seiner Mutter zu verhältnismäßig niederem Preis
angeboten. (Es wurde nachher sofort vom Pariser
Luxembourg-Museum gekauft.) Auch diesen An-
kauf, meinten wir, hätte unser Lehrer durchsetzen
müssen.

Das große Professorenatelier, das Diez in der
Akadamie hatte, war in seiner Abwesenheit kennt-
lich durch ein kunstreiches Vorhängeschloß. Fehlte
dieses Vorhängeschloß, so war der Professor im
Atelier. Deswegen kam man aber noch lange nicht
hinein, wenn man nicht ausdrücklich in die ganz
bestimmte Art anzuklopfen eingeweiht war. Klopfte
man richtig an, so wurde man stets sofort einge-
lassen, auch wenn er gerade Modell hatte. Da gab
es dann zweierlei besonders Interessantes zu sehen.
Einmal seine meisterhaften Studienzeichnungen, die
er stets wesentlich größer als die Figuren im Bild,
für die er sie brauchte, mit einer ganz seltenen
Ursprünglichkeit und Leichtigkeit hinwarf. Dann
seine angefangenen Ölbilder. Diese in flüssigem
Braun aufgezeichneten Bilder, in denen nur da und
dort die malerische Intention durch ein paar leicht hin-
gesetzte Farbflecken angegeben war, hatten dadurch,
daß mit einem Minimum an Mitteln ein Maximum
von Ausdruck erreicht und der Phantasie des Be-
schauers ein weiter Spielraum gelassen war, einen
ganz eigenartigen künstlerischen Reiz. Eines, ein
Längenformat, stellte eine furiose Reiterschlacht bei
Nacht und Feuerbrand dar und ist, glaube ich,
glücklicherweise in diesem Stadium des Entwurfes
geblieben.

Als unermüdlicher Arbeiter nützte Diez das
Tageslicht vom frühen Morgen bis zum Abend
mit der Regelmäßigkeit eines pflichttreuen Beamten

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