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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 7
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Scheffler, Karl: Ernst Barlach
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0315

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H I

ERNST BARLACH, DER BETER. HOLZ. 1925 ERNST BARLACH, STEHENDE BÄUERIN. HOLZ. 1931

AUSGESTELLT BEI PAUL CASSIRER, BERLIN. PHOTO PAUL CASSIRER

ohne Pose, von einem Heroismus voller Verlegenheit und
Blödigkeit.

Diese Verbindung von Dichtung und Skulptur, dieses
Wachsen des ausgesprochen plastischen Gefühls aus den
Gründen eines poetischen Weltgefühls gibt der Kunst Bar-
lachs das besondere Gepräge, macht sie einzig in ihrer Art
und weist ihr einen Platz an abseits von aller anderen Plastik.
Eine Caspar David Friedrich-, eine Millet-Natur bedient sich
hier der plastischen Form; und das ist seit den Tagen der
alten deutschen Holzschnitzer eigentlich nicht erlebt worden.
Die Stilisierung der Gewänder erscheint ja zuweilen etwas
gewaltsam lapidar und streift hier und dort an Kunstgewerb-
lichkeit; im allgemeinen ist aber die naive Ursprünglichkeit
des Naturgefühls, des Lebensgefühls und in Verbindung damit
der plastischen Form bewunderungswürdig und ohne Beispiel
in der gegenwärtigen europäischen Bildnerei. Ohne Beispiel
ist es, wie sich mit dem Schnitzmesser eine Persönlichkeit
ausspricht, wie sie ihre Geheimnisse bloßlegt. Man sollte
denken, ein so gearteter Künstler, den es, wie man weiß,
auch treibt, für das Theater zu dichten und der die eigenen
Dichtungen illustriert, müsse sein Bestes, sein Unmittelbarstes
als Zeichner leisten. So ist es aber nicht. Die Zeichnungen
Barlachs sagen nicht viel; sie sind viel weniger unmittelbar

als die Plastiken, obwohl sie diese in vielen Fällen doch
vorbereiten. Und die Illustrationen sind oft, was die Plasti-
ken nie sind: eklektizistisch oder doch in einem etwas äußer-
lichen Sinne altdeutsch. Wir stehen vor der sehr seltenen
Erscheinung, daß sich ein ausgesprochenes Talent für das
Plastische mit einer ebenso ausgesprochenen Begabung für
das Dichterische innig verbunden hat.

Die Art dieser Verbindung wirkt sehr deutsch, ohne das
Deutschtum irgendwie zu unterstreichen. Es ist das Ein-
malige dieser Begabung, was so deutsch wirkt, ihre Abseitig-
keit, der Sonderlingszug darin. Barlach sitzt in Güstrow wie
in einem freiwilligen Exil. Um das äußere Schicksal seiner
Arbeiten hat er sich nie groß gekümmert, sondern hat alles
seinem Kunsthändler und Freund Paul Cassirer überlassen.
Es soll nicht untersucht werden, inwiefern und warum dieser
Barlachs Arbeiten hartnäckig zurückgehalten hat; Tatsache
ist, daß bis heute nur ganz wenige dieser Holzplastiken in
öffentlichen deutschen Museen sind. Wenn irgendwelche
Werke neuer deutscher Kunst aber in öffentliche Galerien
gehören, so sind es die Barlachs. Diese Nuance modernen
Weltempfindens kann nicht wohl entbehrt werden, wo das
neue Weltgefühl in Kunstwerken dargestellt werden soll.
Es ist schade, daß diese schöne Gelegenheit, das Versäumte
 
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