WOLF RÖHRICHT, MÄDCHENKOPF
AUSGESTELLT IM KUNSTSALON VIKTOR HARTBERG, BERLIN
ist, wird er auch dem Corinthtaumel folgen. Der Künstler
selbst wird diese unvernünftige Übersteigerung bezahlen
müssen. Die Böcklinlehre hat keinen Erfolg gehabt; es
scheint, als ob keine Lehre der Geschichte genutzt wird.
Es ist leider auch kein Gefühl dafür vorhanden, daß es den
Mitlebenden überhaupt nicht ansteht, einem Zeitgenossen
den Ruhm Rembrandts und Grünewalds zu verleihen. Da-
für ist nur die Nachwelt zuständig. Der Vergleich ist schon
darum falsch, weil es sich um symbolisch gewordene Genies
handelt und um einen oft filtrierten, gleichnishaft gewor-
denen Ruhm.
Ludwig Justi hat in seiner Katalogeinleitung gesagt, es
käme ihm nicht zu, unter den Bildern Corinths eine Wahl
zu treffen und „einen solchen Meister zu schulmeistern".
Welch eine Verwirrung das ist, wird leicht erkannt, wenn
man die Konsequenzen zieht und sich vorstellt, dieser Stand-
punkt würde auch beim Ankauf für eine öffentliche Galerie
eingenommen. Ernste Kritik ist kein leerer Wahn, ist nicht
Schulmeisterei, sondern etwas ganz anderes.
Die Zeit sieht Corinth falsch; sie erinnert sich nicht,
wie sehr der Künstler die Berliner Gesellschaft mit feinem
Hohn immer gehänselt hat, wie selbst die Umwandlung des
ehrlichen Louis in Lovis zuerst nur ein Scherz war — den
Corinth dann allerdings, wie alle seine Scherze, im Alter,
nach der Krankheit selbst bitter ernst genommen hat —
und verliert allmählich jeden Maßstab, weil auch das Lebens-
werk Corinths wieder von allen Seiten zu kunstpolitischen
Zwecken, zu Zwecken überhaupt benutzt wird. Wo doch
das oberste Gesetz der Kunst ihre Zweckfreiheit ist. Ein
solcher Gebrauch ist Mißbrauch. Dem Kunstfreund mag
bange werden, wenn er heute beobachtet, wie sich überall
die zweckvolle Absicht einmischt. Darunter muß nicht nur
der als Mittel benutzte Künstler selbst leiden, sondern die
Kunst als Ganzes, die Kunstgesinnung. Sie hat auch schon
bedenklich gelitten.
Wenn Corinth uns, so wie er in seinen besten Jahren war,
über die Schulter blicken könnte, so würde er angesichts der
Heiligsprechung seines Lebenswerkes, die jetzt eben voll-
zogen worden ist, sein breitestes Lachen zeigen. Denn er
wußte in gesunden Tagen immer so ungefähr, wer er war.
Als ein Kollege mit einer „Salome" Erfolg in der Sezession
hatte, sagte er zu ihm: „Sie verdanken Ihren Erfolg dem
Stoff, ich werde auch eine Salome malen." In dieser Art
ungefähr ist er immer zu seinen Sujets gekommen. Das
verkleinert ihn nicht. Aber es zeigt, daß er nicht der visio-
näre Seher war, wozu man ihn stempeln möchte. Er hat
das Leben stets nüchtern — wie es einem Künstler, bei
aller Fülle der Phantasie, ziemt — genommen. Wie wäre es,
wenn auch seine Nekrologschreiber einmal mit phantasie-
voller Nüchternheit an ihre Arbeit heranträten?
Mit Sorgfalt und Liebe war eine Ausstellung von Bildern
und Zeichnungen Paul Klees bei Goldschmidt & Wallerstein
gemacht. Klee stellt sich nun klar in seinen Wesenszügen
dar; er ist eine deutsche — selbständige — Parallelerschei-
nung des Franzosen Odilon Redon. Nicht so gestützt von
klassischer Tradition, aber ebenso im Optischen grübelnd,
so musikalisch versponnen, so romantisch unwirklich. Klee
lebt in einer Welt des Sonderbaren, in der die Luft sehr
dünn ist und der artistische Geschmack regiert; doch ist es
eine Welt. Aus echtem Märchengefühl erwachsen. Klee
steht in der Nähe Kubins. Nur wirkt er neben diesem fast
frauenhaft zart; er ist ganz unbarbarisch und im Grotesken
kultiviert.
Der Bildhauer G. H. Wolff ist ein begabter Körperkon-
strukteur, dem dekorative Aufgaben scheinbar am besten
liegen. K. Sch.
Aus der Galerie Arnhold werden nach der testamen-
tarischen Verfügung ihres kürzlich verstorbenen Besitzers
vier der bedeutendsten deutschen Gemälde in das Eigentum
des preußischen Staates übergehen, nämlich Leibis Dorf-
politiker, Böcklins Prometheus, Thomas Bauernstube und
Liebermanns Altmännerhaus. Die Bilder sollen bei Lebzeiten
der Witwe des Verstorbenen an ihrer Stelle verbleiben und
erst später der Nationalgalerie zufallen.
Amerikanisches. John D. Rocketeller jun. hat dem König
Fuad von Ägypten zehn Millionen Dollar geschenkt, um in
Kairo ein archäologisches Institut und Museum zu gründen.
Das teuerste Buch ist die Gutenberg-Bibel, die vor
nicht langer Zeit von dem Kloster Melk in Osterreich ver-
äußert wurde. Auf einer Versteigerung in New York, deren
Verlauf höchst dramatisch gewesen ist, ging sie für den
Preis von 106000 Dollar in den Besitz des größten jetzt le-
benden Sammlers von Inkunabeln, des Dr. Rosenbach in
Philadelphia, über, der auch auf der Auktion bei Graupe in
Berlin vor einiger Zeit die kostbarsten Bücher ersteigerte.
Gegenbieter war eine Gruppe von Sammlern unter Führung
von Evart Benjamin, die das seltene Werk der Cathedrale
of St. John zu schenken beabsichtigte.
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AUSGESTELLT IM KUNSTSALON VIKTOR HARTBERG, BERLIN
ist, wird er auch dem Corinthtaumel folgen. Der Künstler
selbst wird diese unvernünftige Übersteigerung bezahlen
müssen. Die Böcklinlehre hat keinen Erfolg gehabt; es
scheint, als ob keine Lehre der Geschichte genutzt wird.
Es ist leider auch kein Gefühl dafür vorhanden, daß es den
Mitlebenden überhaupt nicht ansteht, einem Zeitgenossen
den Ruhm Rembrandts und Grünewalds zu verleihen. Da-
für ist nur die Nachwelt zuständig. Der Vergleich ist schon
darum falsch, weil es sich um symbolisch gewordene Genies
handelt und um einen oft filtrierten, gleichnishaft gewor-
denen Ruhm.
Ludwig Justi hat in seiner Katalogeinleitung gesagt, es
käme ihm nicht zu, unter den Bildern Corinths eine Wahl
zu treffen und „einen solchen Meister zu schulmeistern".
Welch eine Verwirrung das ist, wird leicht erkannt, wenn
man die Konsequenzen zieht und sich vorstellt, dieser Stand-
punkt würde auch beim Ankauf für eine öffentliche Galerie
eingenommen. Ernste Kritik ist kein leerer Wahn, ist nicht
Schulmeisterei, sondern etwas ganz anderes.
Die Zeit sieht Corinth falsch; sie erinnert sich nicht,
wie sehr der Künstler die Berliner Gesellschaft mit feinem
Hohn immer gehänselt hat, wie selbst die Umwandlung des
ehrlichen Louis in Lovis zuerst nur ein Scherz war — den
Corinth dann allerdings, wie alle seine Scherze, im Alter,
nach der Krankheit selbst bitter ernst genommen hat —
und verliert allmählich jeden Maßstab, weil auch das Lebens-
werk Corinths wieder von allen Seiten zu kunstpolitischen
Zwecken, zu Zwecken überhaupt benutzt wird. Wo doch
das oberste Gesetz der Kunst ihre Zweckfreiheit ist. Ein
solcher Gebrauch ist Mißbrauch. Dem Kunstfreund mag
bange werden, wenn er heute beobachtet, wie sich überall
die zweckvolle Absicht einmischt. Darunter muß nicht nur
der als Mittel benutzte Künstler selbst leiden, sondern die
Kunst als Ganzes, die Kunstgesinnung. Sie hat auch schon
bedenklich gelitten.
Wenn Corinth uns, so wie er in seinen besten Jahren war,
über die Schulter blicken könnte, so würde er angesichts der
Heiligsprechung seines Lebenswerkes, die jetzt eben voll-
zogen worden ist, sein breitestes Lachen zeigen. Denn er
wußte in gesunden Tagen immer so ungefähr, wer er war.
Als ein Kollege mit einer „Salome" Erfolg in der Sezession
hatte, sagte er zu ihm: „Sie verdanken Ihren Erfolg dem
Stoff, ich werde auch eine Salome malen." In dieser Art
ungefähr ist er immer zu seinen Sujets gekommen. Das
verkleinert ihn nicht. Aber es zeigt, daß er nicht der visio-
näre Seher war, wozu man ihn stempeln möchte. Er hat
das Leben stets nüchtern — wie es einem Künstler, bei
aller Fülle der Phantasie, ziemt — genommen. Wie wäre es,
wenn auch seine Nekrologschreiber einmal mit phantasie-
voller Nüchternheit an ihre Arbeit heranträten?
Mit Sorgfalt und Liebe war eine Ausstellung von Bildern
und Zeichnungen Paul Klees bei Goldschmidt & Wallerstein
gemacht. Klee stellt sich nun klar in seinen Wesenszügen
dar; er ist eine deutsche — selbständige — Parallelerschei-
nung des Franzosen Odilon Redon. Nicht so gestützt von
klassischer Tradition, aber ebenso im Optischen grübelnd,
so musikalisch versponnen, so romantisch unwirklich. Klee
lebt in einer Welt des Sonderbaren, in der die Luft sehr
dünn ist und der artistische Geschmack regiert; doch ist es
eine Welt. Aus echtem Märchengefühl erwachsen. Klee
steht in der Nähe Kubins. Nur wirkt er neben diesem fast
frauenhaft zart; er ist ganz unbarbarisch und im Grotesken
kultiviert.
Der Bildhauer G. H. Wolff ist ein begabter Körperkon-
strukteur, dem dekorative Aufgaben scheinbar am besten
liegen. K. Sch.
Aus der Galerie Arnhold werden nach der testamen-
tarischen Verfügung ihres kürzlich verstorbenen Besitzers
vier der bedeutendsten deutschen Gemälde in das Eigentum
des preußischen Staates übergehen, nämlich Leibis Dorf-
politiker, Böcklins Prometheus, Thomas Bauernstube und
Liebermanns Altmännerhaus. Die Bilder sollen bei Lebzeiten
der Witwe des Verstorbenen an ihrer Stelle verbleiben und
erst später der Nationalgalerie zufallen.
Amerikanisches. John D. Rocketeller jun. hat dem König
Fuad von Ägypten zehn Millionen Dollar geschenkt, um in
Kairo ein archäologisches Institut und Museum zu gründen.
Das teuerste Buch ist die Gutenberg-Bibel, die vor
nicht langer Zeit von dem Kloster Melk in Osterreich ver-
äußert wurde. Auf einer Versteigerung in New York, deren
Verlauf höchst dramatisch gewesen ist, ging sie für den
Preis von 106000 Dollar in den Besitz des größten jetzt le-
benden Sammlers von Inkunabeln, des Dr. Rosenbach in
Philadelphia, über, der auch auf der Auktion bei Graupe in
Berlin vor einiger Zeit die kostbarsten Bücher ersteigerte.
Gegenbieter war eine Gruppe von Sammlern unter Führung
von Evart Benjamin, die das seltene Werk der Cathedrale
of St. John zu schenken beabsichtigte.
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