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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 7
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0323

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derer, die den Siegeszug des douanier Rousseau mit Neid
beobachtet haben. Für Bilder von Boyer zahlte man hier
bereits iooo frcs. und mehr. Aber diese Versteigerung war
bescheiden in ihren Ergebnissen verglichen mit einer an-
deren, in der anscheinend ausschließlich Händlerware zum
Ausgebot gelangte. Denn hier kam ein Boyer bereits auf
3000 frcs., hier wurde ein Bild von Dufresne für 22500 frcs.
verkauft, das ein paar Wochen früher für den dritten Teil
des Preises im freien Handel Zu haben war. Hier kostete
eine kleine Landschaft von Marisse immerhin 10000 frcs.
Und auf der gleichen Versteigerung ließ man Theophile Ro-
bert mit 130 und 175 frcs. einen glatten Durchfall erleben.
Wer durchschaut noch alle diese Dinge? Und wer findet
sich in dieser Preisbildung zurecht, die gewiß nicht in allen
Fällen dem wahren Wert der Werke entspricht? Böse Zun-
gen behaupten, Segonzac selbst sei nicht unbeteiligt an der
Entstehung seines Rekordpreises auf der Auktion Poiret.
Man erzählt sich von einem anderen Fall, in dem einer der
bekanntesten Künstler gezwungen wurde, ein Bild zu einem
sehr hohen Preise selbst zurückzukaufen, unter der Drohung,
es werde sonst in eine Versteigerung gebracht werden. Das
sind üble Begleiterscheinungen eines durch ungesunde Kon-
junktur überreizten Kunstmarktes, dem ein scharfer Rück-
schlag nicht erspart bleiben wird, wenn die französische
Währung erst einmal stabilisiert ist. Sicher werden nicht
alle neuen Berühmtheiten die schöne Zeit des Papierfranken
überdauern. Wer weiß, ob man übers Jahr noch von Sou-
tine sprechen wird, der jetzt als der neue Van Gogh aus-
gerufen wird, oder von Boyer und seinen Verwandten wie
Emile Gody, dem Setzer Bombois und dem malenden Dienst-
mädchen aus Scnlis? Die Malerei der Jüngsten ist heut der
große Trumpf des Pariser Kunsthandels. Die Rue La Boetie
hat die Rue Laffitte vollkommen besiegt. Aber es ist nicht
schwer, vorauszusagen, daß es auch einmal wieder anders
kommen wird. Auf einer der letzten Versteigerungen kostete
ein Pissarro nicht mehr als ein Utrillo, und eine Italienerin
von Corot brachte ebenfalls nur 15 500 frcs. Zur gleichen
Zeit wurde in New York auf der Auktion Billings ein aller-
dings ungleich bedeutenderes Werk von Corot, die Badenden
auf den borromeischen Inseln, für — umgerechnet — etwa
1400000 frcs. und Bilder von Millet und Rousseau für
700000 und 680000 frcs. zugeschlagen. Werken von sol-
cher Klasse begegnet man im Hotel Drouot kaum mehr.
Hier ist jetzt das Feld der kleinen Spekulation, die sich
an scheinbar hohen Ziffern berauscht und mit billiger Ware
begnügt.

Der polnische Maler Eugen Zak ist, einundvierzig-
jährig, in Paris gestorben. Seine aus dem Frühstil Picassos
abgeleitete Kunst einer geschmäcklerisch kultivierten Neu-
romantik ist in Berlin durch eine Ausstellung der Galerie
Flechtheim bekannt geworden. Zak hatte sich in den letzten
Jahren auch als Kunstschriftsteller betätigt. Der Zeitschrift
„Deutsche Kunst und Dekoration" schrieb er lesenswerte
Berichte über das Pariser Kunstleben.

Die Berliner Kunstdeputation hat mit der Wahl
Dr. Walter Stengels zum Direktor des Märkischen Museums
unverkennbar zum Ausdruck gebracht, daß sie eine durch-
greifende Reorganisation der städtischen Kunstpflege nicht

wünscht. Stengel, der eine Zeitlang als Assistent am
Germanischen Museum in Nürnberg wirkte, gilt als Fach-
mann auf dem Gebiete des älteren deutschen Kunstgewerbes.
Er wird also vermutlich seine Aufgabe vor allem darin sehen,
das Märkische Museum im Sinne einer Provinzialsammlung
auszubauen. An der Tatsache, daß Berlin seit mindestens einem
Jahrhundert nicht mehr eine Provinzhauptstadt ist, daß es
kaum eine bemerkenswerte märkische, wohl aber seit hun-
dert Jahren eine bedeutende Berliner Kunst gibt, wird man,
so fürchten wir, weiter vorübergehen. Herr Boß wird auch
in Zukunft als Diktator auf dem Gebiete der Kunst schalten
und das Geld der Bürgerschaft für wertlose Ankäufe ver-
brauchen. Die Ära Wilhelms II. findet in der Berliner Kunst-
pflege ein höchst bedauerliches Nachspiel. Wieder glaubt sich
ein dilettierender Machthaber befugt und berufen, den Schutz-
herrn der Künste zu spielen. Wieder üben unverantwortliche
Ratgeber ihre verderbliche Wirkung. Schon droht sogar eine
neueReihe vonDenkmälern dasStadtbild weiter zu verunzieren.
Statuen von Lederer werden angekauft. Der klotzige Beet-
hoven von Robert Breuer soll, wie man hört, einen Platz im
Tiergarten erhalten. Matkowsky und Devrient sollen auf
einem gemeinsamen Denkmal verewigt werden, offenbar
in Anlehnung an das Schiller-Goethe-Denkmal in Weimar.
Wir fragen: darf die Öffentlichkeit zu diesen Dingen
schweigen? Wie lange noch wird sie diese Mißwirtschaft
ruhig mit ansehen?

Im englischen Parlament wird ein Kunstausfuhr-
gesetz beraten. Es ist ein Zeichen der Zeit, daß England,
das seit mehr als zwei Jahrhunderten ein Kunsteinfuhrland
gewesen ist, nun daran gehen muß, den aufgespeicherten
Besitz zu schützen. Seit Jahrzehnten lebte der internationale
Kunstmarkt zum guten Teil von dem Überfluß des englischen
Privatbesitzes, ohne daß im Lande eine Minderung spürbar
wurde. Nun ist die Geldmacht Amerikas so bedrohlich an-
gewachsen, daß selbst England dazu übergeht, die aus dem
übrigen Europa erworbenen Kulturgüter vor Abwanderung
zu schützen. Daß solche Schutzmaßnahmen ebenso bedenk-
lich wie vielfach nutzlos sind, haben wir in Deutschland er-
fahren. Dennoch wird auch unsere Gesetzgebung sich mit
der Frage erneut beschäftigen müssen, wenn die Geltungs-
dauer der berüchtigten Ausfuhrliste abgelaufen sein wird.

Der Reichtum amerikanischer Museen ist weiter
im Wachsen begriffen. Wir meldeten kürzlich die vierzig
Millionen-Dollar-Stiftung, die dem Metropolitan-Museum zu-
gefallen ist. Jetzt kommt die Nachricht, daß ein Mr. Libbey
dem Museum in Toronto seih gesamtes Vermögen in Höhe
von rund fünf Millionen Dollar vermacht hat. Geht es so
weiter, so wird die Konkurrenz der amerikanischen Museen
auf dem internationalen Kunstmarkt bald unüberwindlich sein.

Die Leihgalerie. Der Gedanke einer Leihgalerie
moderner Bilder, der bei uns mehrfach erörtert wurde, ist
jetzt in Philadelphia verwirklicht worden. Gegen die geringe
Gebühr von nur zehn Dollar jährlich verleiht das Unter-
nehmen an seine Mitglieder jährlich wechselnd entweder
sechs Bilder oder zwölf graphische Blätter aus seinem Be-
sitz. Es handelt sich nicht um eine Künstlergemeinschaft,
sondern um einen Klub, der die Kunstwerke erwirbt, um
sie auszuleihen.

Z$6
 
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