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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 12
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Auktionsnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0517

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Guineas. Andere Studienblätter des Meisters kosteten etwa
100 bis 150 Guineas. Interessant ist es endlich, daß in
Amsterdam für durchschnittliche Zeichnungen von Menzel
450 und 500 fl bezahlt wurden.

Mitte Juli folgten in Amsterdam bedeutende Auktionen
von alten Gemälden aus verschiedenem Besitz sowie Teile
der einstmals berühmten Wiener Sammlung Castiglioni.
Diese enttäuschte allerdings sowohl in der Qualität wie in
den Preisen. Castiglioni hatte manches Stück seiner plasti-
schen und kunstgewerblichen Sammlungen um ein Vielfaches
der Summen erworben, die er jetzt zurückerhielt. Er hatte
beispielsweise bei Beckerath im Jahre 1916 ein Marmorrelief
des Tullio Lombardo für 6600 Mark erworben und mußte
es jetzt um nur 250 fl dahingehen sehen, er hatte bei Kauf-
mann im Jahre 1917 ein Paar kandelabertragende Engel aus
dem Florentiner Quattrocento für 32500 Mark gekauft, die
ihm jetzt 3000 fl brachten, ein Zeichen, daß an den in Kriegs-
zeit erworbenen Kunstwerken keineswegs immer verdient
wird, und wie sehr die Geldflüssigkeit die Preise damals in
die Höhe trieb, die Knappheit heute sie herniederdrückt. Das
bedeutendste Bild der zweiten Castiglioni-Auktion, ein männ-
liches Porträt des Mabuse, das, ebenfalls bei Kaufmann,
63000 Mark gekostet hatte, wurde jetzt mit 8000 fl, mit
ebensoviel der Marcusplatz Guardis, der früher bei Hollit-
scher hing, zugeschlagen.

Durchschnittlich bessere Preise wurden bei der Ver-
steigerung alter Gemälde erzielt, die am 13. Juli stattfand.
Ein Porträt des Jakob Cornelisz vom Jahre 1517 brachte
11 500, die Halbfigur einer anbetenden Maria von Gerard
David 19000, eine Madonna, ebenfalls in Halbfigur, von
einem Brügger Meister des fünfzehnten Jahrhunderts 18500,
eine Maria im Kreise weiblicher Heiliger von dem Meister
der Lucialegende 14500 fl. Ein Frühbild von Rembrandt,
Saskia als Prophetin gekleidet darstellend, wurde mit 30000 fl,
mit dem gleichen Preise ein ländliches Fest des Jan Steen zu-
geschlagen. Eine Dorf landschaft von Jakob Ruysdael kostete
16800, eine Wassermühle des Meisters 11 800, eine alte Frau
von Metsu 12600, das Mutterglück von Nikolas Maes 10000,
ein Familienbildnis von Jan Steen 13 500, eine Flußlandschaft
von Jan van Goyen, 1646 datiert, 10200, eine Mondland-
schaft des Aert van der Neer 12500, eine Winterlandschaft
des Meisters 8700, eine junge Patrizierin van Terborg 6000,
eine Ansicht aus Harlem van Berckheyde 7300, ein Porträt
des Thomas de Keyser 4800 fl.

Am gleichen Tage gelangte endlich eine Sammlung mo-
derner, vorwiegend holländischer Gemälde aus dem Besitz
des Herrn Fritz Meyer in Zürich ebenfalls bei Fr. Muller
zum Ausgebot, die drei Bilder von Van Gogh enthielt.
Darunter befand sich eines der bedeutendsten Eigurenbilder
des Meisters, das Bildnis der Frau Roulin mit ihrem Kinde,
das in Arles im Winter 1888/89 gemalt und unter dem
Namen „La Berceuse" bekannt ist. Der Preis von 21000 fl
für diese wohl schönste Fassung des Motivs erscheint nicht
hoch, wenn man hört, daß für die Arlesienne, die ehemals
Grönvold gehörte, in Amerika kürzlich mehr als die gleiche
Summe in Dollar bezahlt worden ist. Zwei Landschaften
aus St. Remy wurden für 12 000 und 8400 fl versteigert.

Van Gogh gehört heute zu den Künstlern, die einen
internationalen Markt haben. Seine Werke werden in drei

Weltteilen begehrt, und die Preise sind darum nicht er-
staunlich. Wie aber auch die kleinen Länder ihre nationalen
Größen hochzuhalten vermögen, das zeigte sich in Amster-
dam, als in der gleichen Sammlung Meyer ein Kirchen-
inneres von Bosboom mit 24000 fl den Höchstpreis dieser
Versteigerung erzielte. Auch der Preis von 6300 fl für einen
Mädchenkopf des Matthys Maris verdient wohl Beachtung.

Endlich ist der Preise für Millet zu gedenken, von dem
eine Kohlezeichnung „La Bergere" den erstaunlich hohen
Preis von 8000 fl, ein Aquarell, Holzsammlerinnen darstellend,
6400 fl erzielte. Eine Landschaft mit Regenbogen von Dau-
bigny wurde für n 300 fl verkauft.

In London wurden bei Christie mit der Sammlung des
Lord Burgh drei berühmte Bilder von Turner für zusammen
etwa 280000 Mark versteigert. Die Landschaft mit den
Wäschetinnen brachte allein an 6000 Guineas. In der an-
schließenden Auktion Morland Agnew erzielte ein Familien-
bildnis von Raeburn den Rekordpreis mit über 50 000 Pfund.
Die Sensation des Jahres brachte aber erst der 28. Juli mit
der Sammlung Davenport, in der das berühmte und von
vielen Ausstellungen bekannte Porträt der Mrs. Davenport,
das Romney um das Jahr 1790 gemalt hat, zum Ausgebot
gelangte. Es ist in der Tat eines der schönsten Frauen-
bildnisse des englischen achtzehnten Jahrhunderts, und es
stellt eine der schönsten Frauen ihrer Zeit in der gewähl-
testen Kleidung dar, ein Bild also, wie es ein angelsächsi-
scher Multimillionär für seinen elegantesten Salon nur in
seinen kühnsten Träumen ersehnen mag. Sir Joseph Du-
veen, der die Wünsche seiner amerikanischen Kundschaft
sehr genau kennt, war also in der Lage, für dieses Bild
jede Summe zu bezahlen, und so erklärt sich der Rekord-
preis, mit dem unter dem tosenden Beifall eines sonst sehr
zurückhaltenden, aber für jeden Sport begeisterten Publi-
kums Mrs. Davenport als Siegerin in den Rennen der Se-
ason durchs Ziel ging.

Mit 5000 Guineas wurde das Bild ausgerufen. Es stieg
langsam auf 10000. Als diese Summe überschritten war,
boten nur noch die Beauftragten der Firmen Knoedler und
Duveen, deren kaum merkliches Kopfnicken jedesmal 1000
Guineas bedeutete. Unter atemloser Stille aller Anwesenden
wurde die Summe von 38000 erreicht. Von hier an be-
deutete jedes Kopfnicken 2000. Bei 58000 endlich bewegte
sich der Gegner von Duveen nicht mehr. Das Bild wurde
Zugeschlagen, und nun brach ein Beifallssturm los, wie man
ihn bei Christie sonst nicht gewöhnt ist. Rund ein und
eine viertel Million Mark ist in der Tat ein Preis, wie er
vielleicht in öffentlicher Versteigerung überhaupt noch nicht
erzielt worden ist. Ein ebenfalls berühmter Romney, das
Bildnis der Lady Hamilton, das wieder Duveen ersteigerte,
erschien daneben mit 13 000 Guineas beinahe billig. Der
Tag brachte im ganzen 115532 Guineas, etwa zwei und
eine halbe Million Mark, auch dies eine Rekordsumme und
ein würdiger Abschluß der Season. Wieder aber ist Eng-
land an diesem Tage um ein paar berühmte Hauptwerke
seiner Kunst ärmer geworden. Das Porträt der Mrs. Daven-
port war seit mehr als einem Jahrhundert im Besitz der
Familie gewesen. Nun ist es denselben Weg gegangen wie
Gainsboroughs „Blue Boy", den der Duke of Wesrminster
schon vor dem Kriege für 150000 Pfund verkauft hat. —r.

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