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Kunst der Zeit: Zeitschrift der Künstler-Selbsthilfe: Periodica — 1.1929/​1930

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Edon, Magda: Memoiren eines Berufsmodells, III
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https://doi.org/10.11588/diglit.55057#0070

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welcher durch sein lautes Debattieren und übermäßigen und wilden Haar-
wuchs im Romanischen Cafe sogar oft Aufsehen erregte. Er hatte scheinbar
wieder auf einige Zeit einen jungen Enthusiasten gefunden, der ihn nun
durchzufuttern hat in der Überzeugung, damit einem großen Künstler zu
helfen. Die suggestive Überzeugungskraft des Dichter-Malers war nämlich
viel größer als seine künstlerische Begabung, und dies wußte er immer
wieder von neuem auszunutzen. Er war kolossal liebenswürdig und freundlich
zu mir und bat mich, erst eine Tasse Kaffee zu trinken. Während ich mich
damit abplagte, diese von ihm gebrühte braune Soße herunterzuwürgen,
erzählte er, daß er mir notwendig erst sein Buch vorlesen müsse, damit ich
völlig im Bilde sei, was ich darzustellen habe. Er fing sofort an vorzulesen,
erst ruhig, dann immer steigend temperamentvoller, er schien sich nicht allein
Dichter-Maler, sondern auch Schauspieler zu fühlen. Eine Stunde las er —
die zweite ging ebenso vorbei —, ich fing an zu gähnen, wurde müde und
hörte gar nicht mehr zu, was er sprach Auf einmal schreckte ich aus
meinen Träumen auf, als ich ihn furchtbar auf mich lostoben hörte: „Aber
Sie, Sie hören ja gar nicht zu! Unerhört ist das Was denken Sie sich,
mit Ihnen soll ich arbeiten?.... Ausgeschlossen! Heraus!....“ Ich ließ
mir das nicht lange sagen und verschwand schleunigst. Hinter mir tobte der
verkannte Künstler empört weiter.
Vor einigen Wochen sah ich ihn wieder. Er sitzt jetzt täglich in einem
kleinen Kaffeehaus im Berliner Westen, dessen Wirt aus Reklamegründen gern
sein Lokal zu einem Treffpunkt von Künstlern machen möchte. Von morgens
bis abends sitzt er an seinem Tisch für Rechnung des Wirtes und liest,
schreibt oder redet und markiert, so immer interessant tuend, mit seiner
langen Mähne den großen Künstler, und dem Publikum genügt scheinbar
dieser Ersatz. Jede Kneipe kann sich eben keinen Gerhart Hauptmann oder
Liebermann leisten, und am Ende würden die wirklichen Künstler sich ja
auch gar nicht so interessant gebärden. Für mich aber hatte der beleidigte
Künstler nur einen vernichtenden Blick.


Die Ähnlichkeit.
Baron B., kurz und dick, auch sonst kein Adonis, hatte sich von Liebermann
porträtieren lassen. Das Werk war fertig, der Dicke stand bewundernd davor.
„Herrlich, herrlich, Herr Professor!“ rief er, „ganz wundervoll! Und so
ähnlich!“ „Zum Kotzen ähnlich,“ sagt Liebermann.

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