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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Buchwald, Conrad: Tagungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0053

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Tagungen

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»grob« »gröblich« setzte, so wollte es einen Unter-
schied zwischen beiden Bezeichnungen feststellen.
Diesen aber hat leider die Regierung wieder ver-
wischt. Es wäre deshalb ein anderes Wort erwünscht.
Die Verbote baulicher Veränderungen, die das Straßen-
oder Ortsbild verunstalten, sollen durch Ortsstatut ge-
regelt werden mit besonderen Bestimmungen auf der
allgemeinen rechtlichen Unterlage des Gesetzes, da
jeder Ort ja ein anderes künstlerisch oder geschichtlich
wichtiges Bild oder auch eine besondere Art der
Bauweise zu schützen hat. Bei Erlaß dieser örtlichen
Bestimmungen werden Sachverständige gehört werden
müssen, bei ihrer Anwendung aber solle man damit
möglichst vorsichtig sein, um nicht zu stark und nur
in wirklich notwendigen Fällen in Privatrechte ein-
zugreifen. Unerläßlich aber sei ihre Zuziehung, wenn
es sich um Bauten fiskalischer oder kirchlicher Be-
hörden handelt. Denn auch sie stehen jetzt unter
diesem Schutzgesetz und haben einen sachverständigen
Rat ganz besonders nötig. Muster für diese Orts-
statute hat die Regierung nicht aufgestellt. Vielleicht
könnte hier der Tag für Denkmalpflege durch Ein-
setzung einer Kommission, wo es gewünscht wird
oder wo es wünschenswert ist, mit Rat und Tat den
Gemeinden helfend eingreifen. Im Gesetze ist nicht
berührt das Wegreißen bedeutender Bauwerke durch
einen Privatbesitzer und die Entschädigungsfrage,
Punkte, die dem zu erhoffenden Denkmalschutzgesetze
vorbehalten sind. Wenn die von der Baupolizei ver-
langten Änderungen eines Baues, der im wesentlichen
den Bestimmungen des Ortsstatuts entspricht, dem
Bauherrn bedeutende Mehrkosten verursachen, so kann
die Erfüllung dieser Wünsche durch einen Beitrag zu
den Kosten leicht erreicht werden. Reklameschilder
und Bauten, die die Gegend verunstalten, können ver-
boten werden, doch hat bei letzteren der Regierungs-
präsident in Verbindung mit dem Bezirksausschuß
das letzte Wort. Im allgemeinen kann man mit dem
Gesetze, durch das schon bestehende, weitergehende
Schutzbestimmungen nicht aufgehoben werden, zu-
frieden sein. Eine weise und wirksame Anwendung
ist ihm zu wünschen. Dafür haben namentlich die
interessierten Vereine zu sorgen.

Im Anschluß an diesen Vortrag berichtete Prof.
Stürzenacker-Karisruhe, auf Grund der am 1. November
in Kraft tretenden badischen Landesbauordnung, die
auch den Schutz der Denkmäler berücksichtigt und
mit deren Bestimmungen sich die in Württemberg
ziemlich decken, während sie in Hessen einigermaßen
abweichen, über die Zusammensetzung der Ortsbau-
kommission, ihre Aufgaben und die Mittel zu ihrer
Durchführung. Die Bauordnung — eine Ordnung,
kein Gesetz, aber hoffentlich eine Vorstufe dazu —
soll auch hier die Grundlage für Ortsstatute unter
Berücksichtigung örtlicher Verhältnisse bilden. Als
neue Gesichtspunkte brachte Prof. Stürzenacker den
Vorschlag, Sammelwerke der zu erhaltenden Bauten
womöglich mit Abbildungen zur Belehrung der Orts-
behörden zu veröffentlichen und Auskunftsstellen zu
errichten, die Rat in Denkmalfragen erteilen, aber auch
kleinen Leuten einen brauchbaren Entwurf für Neu-

bauten liefert. In wichtigen Fällen wird ja immer
das Eingreifen des Staates mit Geldhilfen nötig sein,
wenn etwas erreicht werden soll.

Beide Referate riefen eine lebhafte Aussprache
hervor. Von denen, die sich daran beteiligten, sprach
Geheimrat Freiherr von Biegeleben-Darmstadt, der
Schöpfer des hessischen Denkmalgesetzes, das Wich-
tigste zu dem wichtigen Thema: »Baupolizei und Denk-
malpflege«. Er war nicht für eine Verquickung beider,
weil er die Denkmalpflege dem Bureaukratismus mög-
lichst entzogen sehen will. Er befürwortet allgemeine
Bestimmungen, keine Muster für Ortsstatuten und vor
allem eine vorsichtige Auswahl der Persönlichkeiten
bei Entscheidung künstlerischer Fragen. In Betracht
kämen in erster Reihe die Denkmalpfleger (Konserva-
toren). Die Verhütung der Verunstaltung durch Um-
bauten hält er für ebenso wichtig wie den Schutz
der alten Denkmäler.

Das so viel erörterte Thema soll auch fürderhin
den Denkmalstag beschäftigen.

Den zweiten Punkt der Tagesordnung bildete ein
frischer und fesselnder Vortrag vom Landesbaurat
Rehorst-Merseburg, dem jetzt in Köln eine hoffentlich
gesegnete Tätigkeit winkt, über die »Erhaltung alter
Städtebilder unter Berücksichtigung moderner Verkehrs-
forderungen«. Leider — und das muß und kann in
Zukunft entschieden abgestellt werden — fehlten dem
Vortrage selbst die »schlagenden Beispiele« in Licht-
bildern. Denn diese wurden erst am Abend vor-
geführt, was dem gewandten Redner allerdings Ge-
legenheit zu allerhand neuen, amüsanten, kleinen Aus-
fällen gab, von denen der Vortrag selbst schon ein
berechtigtes Maß enthielt. Um alte Sfädtebilder zu er-
halten, muß man sich vor Überschätzung des Ver-
kehrs hüten, das war wohl die Summe des Vortrags.
Denn man kann es statistisch nachweisen, daß in
kleinen und mittelgroßen Städten dem Verkehr, wie
man ihn sich wünscht, und nicht wie er ist, geopfert
wird. Eine gute Straßenordnung ist zweckdienlicher
als eine Straßenverbreiterung. Diese ist selbst durch
die Anlage von Straßenbahnen, wenn sie geschickt
vorgenommen wird, nicht bedingt. Für Altstadtstraßen
von geringerer Bedeutung genügen Straßen von 5—7 m
Breite. Zu vermeiden sind die großen Kabelmaste
und massenhaften Leitungsdrähte, namentlich die Stark-
stromleitungen mit den scheußlichen Gittermasten,
die schon manches schöne Straßenbild verdorben
haben. Gute Kompromisse sind bei gutem Willen
hier immer möglich. In alten Stadtteilen sollte man
auch die alten natürlich gewordenen Fluchtlinien mög-
lichst beibehalten; der Verkehr wird dadurch nicht
geschädigt. Begradigte Straßen sind für den Verkehr
nicht nötig, krumme ihm nicht hinderlich. An ver-
kehrsreichen Punkten sollte man große Läden und
Warenhäuser, die Menschenansammlungen bewirken,
vermeiden, wenn es sich um die Erhaltung geschicht-
lich oder künstlerisch wichtiger Häuser handelt. Oft
ist dabei die Anlage von Laubengängen ein gutes
Mittel der Verkehrserleichterung. Freitreppen und Bei-
schläge fallen leider auch nur zu oft Verkehrsüberschät-
zungen zum Opfer, vermeintliche Verkehrshindernisse,
 
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