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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Singer, Hans Wolfgang: Max Klingers "Epithalamia"
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Bach, Max: Vom Ulmer Münster
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0072

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Vom Ulmer Münster

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Meister gegangen ist, die die Federzeichnung vom prak-
tischen Standpunkt einer Studienübung zur ästhetischen
Höhe eines Selbstzweckes hinaufzogen. Es gibt eine An-
zahl der beliebtesten Radierungen des Meisters, die jeder
° ihrer Fassung und Formengestaltung sowie ihres In-

a|ts bewundert, die aber gar nicht als Radierungen
empfunden sind. Sie fußen Strich um Strich auf zuvor

oilendeten Federzeichnungen, die sie nur, man möchte
sagen sklavisch wiederholen, und als Federzeichnung sind
diese Kompositionen konzipiert und künstlerisch aus-
gearbeitet worden. Künstlerisch aufgewachsen mit der

eder in der Hand, mußte in Klinger diese feine Emp-

indung für die Schönheit seines Materials ausreifen: in
innigster Verbindung mit ihm fortentwickelt mußte die
klarste Erkenntnis der Stilreinheit in ihm heranwachsen.

ausende haben die Zeichenfeder gehandhabt, die meisten
nur zu Studienzwecken, viele nur als Schritt zur Illustration.
Aber außer Menzel wäre mir gerade kein deutscher Meister
gegenwärtig, der die Kunst der Federzeichnung so hyposta-
siert hätte wie Klinger, und auch Menzel tat es, im Ver-
gleich zu Klinger, nur vereinzelt. In zahlreichen Feder-
zeichnungen hat Klinger die Kunst zu ebensolcher Höhe
getrieben wie irgend ein Maler die Arbeit seines Pinsels,
oder ein Bildhauer seinen Marmor. Sie runden und schließen
ln sich ab.

1 v, ^°'Se von Federzeichnungen, die Klinger mit An-
lehnung an die Amor und Psyche-Fabel schuf, sind das
schönste, das er in dieser Technik geschaffen hat. In
m(|H a'S e'ner Weise bilden sie eine Ausnahme. Sie
so Iten zu einem Höhepunkt werden, und trotzdem eine
Dewußte Absicht in diesen Fällen sonst den Künstler lähmt,
Tät'S'w •erre'c'1' worden. Ferner wiederholen sie eine
a lgkeit denn schon einmal zuvor hatte sich Klinger mit
Pu ejus' Märchen befaßt: aber obwohl sonst immer das
heitmCnt der Wiederholung die künstlerische Unbefangen-
em f.auot. ist hier eine Klärung, nicht wie sonst eine
Schwächung eingetreten.

Dies«

se zweite Folge hatte sich Klinger im Sinne der
neueren Illustration, die gewissermaßen ein »obligato« und
nicht wie die ältere nur eine Verbildlichung der Dichtung
lst> gedacht. Er schuf große Seitenumrahmungen, die jene
staunenswerte, phantasiereiche Liebe für die Ornamentik
der Antike zeigen, welche seine Jugendperiode auszeichnet.
Ohne uns in allen Einzelheilen an die Episoden des
Märchens zu gemahnen, versetzt uns hier das Kunstwerk
in die gleiche Stimmung, aus der heraus wir die Dichtung
genießen können.

Die größte Sorgfalt verbindet sich mit der größten
Freiheit. Kein einziges Ornament, geschweige denn etwas
Figürliches, erscheint gequält, überlegt oder unlebendig,
und doch ist eine Vollendung der Sorgfalt zur Richtschnur
erhoben, die auch keine genial sich gebärdende Zügel-
losigkeit durchläßt. Diese unglaubliche, entzückende Deli-
katesse der Technik, die hier wahrlich zur Empfindung
geworden ist, zeigt sich nun am herrlichsten in den Kopf-
leisten, die die Seiten oben, innerhalb des Rahmens zieren.
Welch ein Gefühl für den Zauber der Federzeichnung
herrscht hier vor! Mit welcher Einfachheit und Makel-
losigkeit sind diese Figürchen hingehaucht. Welche fabel-
hafte Beherrschung der Formen sieht man hier! Nur Rops
konnte das noch, und allenfalls die französischen Vignetten-
zeichner des 18. Jahrhunderts; doch deren Technik hatte
an sich nicht diesen eigenen Reiz.

Ende der achtziger Jahre war diese Folge weit über
le Hälfte gediehen, wurde aber dann vorläufig abge-
ochen. Äußere Ereignisse riefen diese Störung herbei,
nen bald die Entwickelung anderer Interessen folgte.
lnger widmete sich seinen philosophischen Radierungs-

folgen, dann der monumentalen Malerei und schließlich
fast ganz der Plastik. Erst vor ein paar Jahren entschloß
er sich, die Folge zu vollenden. Wie sehr sie sein eigenstes
Out war, zeigt sich darin, wie leicht und völlig er sich
wieder nach so langer Zwischenzeit in deren Geist hinein-
fand. Die Hand allerdings war unterdes eine andere ge-
worden, und namentlich die viele Bildhauerarbeit hat sie
schwerfälliger gemacht, so daß sie nicht mehr ganz so ge-
fügig dem künstlerischen Willen folgt. Immerhin lassen
gerade manche der kleinen Figuren in den Kopfleisten
wieder den Reiz der alten, vor mehr zwanzig Jahren ge-
zeichneten aufleben. Im ganzen, großen genommen fügt
sich das Werk, trotz der Zwischenpause, noch zu einem
Einheitlichen zusammen. Ich glaube, es wird noch nach
langer Zeit, auch nachdem manches, der Gegenwart wohl
wichtiger erscheinendes Werk etwas an Ruhm eingebüßt
haben könnte, noch ungeschwächte Bewunderung hervor-
rufen, da es in seiner Stilreinheit so bezaubernd dasteht.

Wir können uns daher nur freuen, daß es durch die
prächtige Veröffentlichung des Verlages Amsler & Ruthardt
zum Gemeingut der Kunstsinnigen geworden ist.

Da ihm dietatsächliche Verbindung mitdemgriechischen
Märchentext nicht mehr erwünscht war, hat Klinger die
Zeichnungen mit einem neuen Text von Elsa Asenijeff
ausstalten lassen Was Klinger gegenüber Apulejus getan,
das tat ihm gegenüber wiederum die Schriftstellerin. Ohne
sich an die Einzelheiten seiner Zeichnungen (geschweige
denn an die Amor und Psyche-Fabel) anzulehnen, suchte
sie eine ungebundene, aus freiem Empfinden heraus-
gewachsene, dichterische Begleitung zu schaffen. Wie un-
geheuer schwierig diese Aufgabe war, wird jedem leicht
erkennbar werden, der sie sich einmal vergegenwärtigt.
Da sie sich an Anhaltspunkte nicht klammern durfte, blieb
ihr nichts als eine großzügige Allegorie übrig. Man
empfindet bald, daß sie vag ist, während Klinger immer
präzis ist, wenn seine bestimmte Idee manchmal auch nicht
gleich auf der Hand liegt. Immerhin enthält diese Prosa-
dichtung, dieser Hochzeitsgesang große, einzelne Schön-
heiten und verrät einen feinsensitiven, klugen, auch kenntnis-
reichen Geist.

VOM ULMER MÜNSTER

Die Ulmer Münsterrestauration nimmt ihren steten
Fortgang. An dem Hauptturm werden die schon seit
mehreren Jahren notwendig gewordenen Erneuerungen
und Flickarbeiten fortgesetzt; es handelt sich dabei um
die Versetzung von nicht weniger als 350 Werkstücken
bis zum Schluß des Jahres. Ferner wird mit dem neuen
Bodenbelag der Kirche fortgefahren, ebenso mit der Her-
stellung der noch fehlenden Baldachine für die Statuen
an den Pfeilern des Mittelschiffs. Von solchen Statuen
wurden von der Hand des Bildhauers Federlen neu er-
stellt: Kaiser Konrad III., Aug. Hermann Franke und die
Apostel Matthias und Bartholomäus. Die geplante Neu-
herstellung des gesamten Gestühls ist infolge verschiedener
Gutachten künstlerischer Autoritäten vorläufig sistiert und
man ist damit beschäftigt, das Vorhandene auszubessern;
auch am Chorgestühl, welches an vielen Stellen sehr der
Verbesserung älterer verständnisloser Restauration bedarf,
werden Arbeiten vorgenommen, man verwendet dazu viele
Bruchstücke, welche hinter >dem Gestühl vorgefunden
wurden. Die Hauptportal-Vorhalle, welche längere Zeit
offen stand, ist jetzt wieder durch ein hübsches Gitter in
spätgotischen Formen, gefertigt von Schlosser Mack, ab-
geschlossen, ein ähnliches ist für das Brautportal geplant.
Von neuen Glasgemälden wurden aufgestellt, auf der
Nordseite, welche damit ihren Fensterschmuck vervoll-
 
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