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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0081

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139

Sammlungen

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singern« erinnert: »Das waren hochbedürftige Meister, Von
Lebensmüh' bedrängte Geister«, allein diese zumeist namen-
losen Bilder geben nicht nur ein getreues Kulturbild ihrer
Zeit, sondern auch Zeugnis von dem gewichtigen Einfluß der
alemannisch-schwäbischen Meister auf die Entwickelung
der deutschen Kunst. Da sind zwei große Bilder »Tod
der Mariw und »Krönung der Maria«, das letztere jetzt
unten beschnitten, beide aber ursprünglich wohl zwei sich
symmetrisch entsprechende Flügel eines Marienaltars. Es
sind die beiden ältesten Bilder der Sammlung, vielleicht
1440—50 entstanden, und sie erinnern in manchem an den
Schöpfer des Kölner Dombildes, Stephan Lochner. Out
erhalten in ihrer kräftigen Farbenwirkung, zeigen sie eigen-
tümlich schwülstige Formen vor allem in den Nasenbil-
dungen; gewisse Eigenheiten, so die Verzierung des Saums
durch goldene Schriften, erinnern an die Ulmer Schule.
Von ihrem Schöpfer wissen wir nichts Bestimmtes; wir
müssen uns begnügen, ihn als den -»Meister von Lichtenstein«
zu bezeichnen. — Hans Schiichlin (gest. 1505), der Ulmer
Meister und Schwiegervater von Bartholomaeus Zeitblom,
gilt heute für den Schöpfer des großen Altarwerkes von
Tiefenbronn, das früher Lukas Moser zugeschrieben wurde.
Er hat auf einer Predella das schmerzvolle Haupt Christi
gemalt, betrauert von Maria und Johannes, ein in seiner
Darstellung des Schmerzes höchst bedeutungsvolles Werk.
Bartholomaeus Zeitblom (gest. 1517) selbst ist mit den
Halbfiguren Maria, Christus und Johannes nicht sonderlich
bedeutend vertreten, weit besser dagegen Bernhard Strigel
(1460—1528), der Meister von Memmingen, mit einer kleinen
aber wirkungsvoll komponierten »Himmelfahrt der Maria«.
Auch sonst fehlt es an interessanten Werken der Ulmer
Schule nicht, während der »Meister von Meßkirch« (aus der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts) durch einige kleine,
koloristisch sehr reizvolle Apostelgestalten und der geborene
Gmünder/o/g Ratgeb (gest. 1526), bekannt auch durch ein
Werk in Frankfurt a. M., durch eine naiv unbeholfene
»Anbetung der Könige« vertreten sind.

Zu den wertvollsten Werken dieser Lichtensteingalerie
gehören die namenlosen, so das kleine Porträt eines bärtigen
Mannes, das man auf einige Entfernung gesehen fast für
ein Originalwerk Holbeins halten möchte und an dem auch
Einzelnes, wie das rechte Auge, eines Holbein nicht un-
würdig wäre, ferner das ungemein lebensvoll aufgefaßte
Doppelporträt eines Vaters mit seinem Sohne, wohl das
Bildnis eines Zellers von Loibersdorf, das gleichfalls
in seiner Naturtreue und Lebenswahrheit an Holbeins Art
erinnert. Auch von dem »Meister des Ehninger Altars«,
welch letzteres Werk eine Zierde der altdeutschen Ab-
teilung unserer Galerie bildet, wissen wir nicht viel mehr,
als daß der Einfluß der altniederländischen Malerei, der
Brüder von Eyck, Rogier van der Weyden, Dirck Bouts
auf ihn eingewirkt hat. Sein »Heiliger Benedikt«, der Lichten-
steinsammlung zeugt davon. In der »Legende des Heiligen
Franziskus«, von einem Schüler oder Nachahmer des
Herlin gemalt, zeigt sich dieser Einfluß gleichfalls in einer
gewissen Gereiftheit der künstlerischen Anschauung.

H. T.

Für die nächste Große Berliner Kunstausstellung,

die am 1. Mai eröffnet werden wird, ist wiederum O. H.
Engel zum Präsidenten gewählt worden. Daß demselben
Künstler zweimal hintereinander dieses Ehrenamt über-
tragen wird, ist die schönste Anerkennung seiner dies-
jährigen Leistung.

SAMMLUNGEN

Von den kgl. Sammlungen in Dresden. Wie wir

schon mitgeteilt haben, wird Geh. Regierungsrat Professor
Dr. Max Lehrs aus Berlin wieder nach Dresden übersiedeln,

und zwar wird er voraussichtlich am 1. Juli 1908 wieder
die Direktion des kgl. Kupferstichkabinetts übernehmen.
Diese Zurückberufung hängt zusammen mit dem Tode des
Geh. Hofrats Dr. Erbstein, durch den die Leitung des
Grünen Gewölbes, desMünzkabinetts und der kgl. Porzellan-
sammlung frei wurde Da Professor Dr. Jean Louis Sponsel
sich mehr auf den Gebieten der Architektur und des
Kunstgewerbes betätigt und hier ansehnliche Leistungen
zu verzeichnen hat — z. B. die Biographie Dinglingers —
so hat ihn die Regierung zum Nachfolger Erbsteins als
Direktor des Grünen Gewölbes und des Münzkabinetts
erwählt; Lehrs aber, der auch nach seiner Übersiedelung
nach Berlin durchaus an Dresden hängt, übernimmt an
seiner Stelle wieder die Leitung des Dresdener Kupferstich-
kabinetts. Es ist sehr anzuerkennen, daß Finanzminister
Dr. Riiger freidenkend genug gewesen ist, auf diese Weise
einen Fehler, der ihm viele Vorwürfe eingetragen hat,
wieder gut zu machen. In den Münchener Neuesten Nach-
richten konnte man jüngst lesen, Lehrs solle auch dem-
nächst zum Generaldirektor der kgl. Sammlungen in Dresden
ernannt werden. Diese Nachricht sollte von unterrichteter
Seite stammen, ist aber gänzlich falsch. Sachsen hat eine
Generaldirektion der kgl. Sammlungen für Kunst und
Wissenschaft, bestehend aus dem Finanzminister Dr. Rüger,
dem Geheimrat von Baumann (beide Juristen) und dem
Kunsthistoriker Geh. Regierungsrat Dr. von Seidlitz als
vortragendem Rate. Diese Einrichtung einer General-
direktion soll auch künftighin keineswegs geändert werden.
Dagegen hat die Regierung dem sächsischen Landtage
vorgeschlagen, in der Generaldirektion zwei Abteilungen,
eine für Kunst (Gemäldegalerie, Skulpturensammlung,
Kupferstichkabinett) und eine zweite für Kunstgewerbe
(Historisches Museum, Porzellansammlung, Grünes Ge-
wölbe, Münzkabinett usw.) zu errichten. Dem neu zu er-
nennenden Vortragenden Rate für Kunstgewerbe »könnte«
gleichzeitig bis auf weiteres auch die Stelle des Direktors
eines Museums übertragen werden. Die Regierung meint
offenbar das Historische Museum, dessen Leitung nach
Hofrat Kötschaus Weggang nach Weimar nur in Stellver-
tretung besetzt worden ist. Die Stelle des zweiten Vor-
tragenden Rates ist offenbar einem als Sammler bekannten
Dresdener Verwaltungsjuristen zugedacht. Ob der Landtag
darauf eingeht, ist abzuwarten. Jedenfalls aber ist keine
Rede davon, daß Max Lehrs Generaldirektor der kgl.
Sammlungen werden soll. Damit haben sich die Münchener
Neuesten Nachrichten einen gehörigen Bären aufbinden
lassen. ^

Aus der Sammlung Rudolf Kann hat das Städelsche
Museum in Frankfurt das sogenannte Porträt des
Kaisers Matthias Corvinus von Rubens als Geschenk
überwiesen bekommen. Es handelt sich um ein hervor-
ragendes Werk aus des Meisters bester Zeit, von wunder-
barer Erhaltung und höchster künstlerischer Qualität. Das
Gemälde zeigt das lebensgroße Brustbild eines alten
Mannes mit grauem Barte, im Pelz, mit goldener Kette
und hohem Hute. Das Werk wird erst im Januar 1908
der Gemäldesammlung einverleibt, da die Kannsche Samm-
lung vor ihrer Auflösung noch bis Ende dieses Jahres in
dem Hause des früheren Besitzers bleiben muß.

Als Leihgabe des bayerischen Museumsvereins ist der
Münchener Pinakothek das Fragment eines Schweiß-
tuches der Heiligen Veronika, gemalt laut Monogramm
von Michael Ostendorfer 1520, überwiesen worden. Das
Stück hatte 1002 auf dem Kunsthistorischen Kongreß zu
Innsbruck schon großes Interesse erregt, weil es wichtig
ist für die Kenntnis der alten bayerischen Malerei.

Die Jahresankäufe des bayrischen Staates sind
diesmal hauptsächlich die folgenden: Leibi: Bildnis einer
 
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