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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Rubens' Decius-Zyklus in der Liechtensteingalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0084

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XIX. Jahrgang 1907/1908 Nr. 9. 20. Dezember.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgeweibeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

RUBENS' DECIUS-ZYKLUS
IN DER LIECHTENSTEINGALERIE

Im Jahre 1618 war Rubens, wie wir aus seinen
Briefen an Dudley Carleton wissen, damit beschäftigt,
für einige Oenueser Edelleute Kartons mit Darstellungen
der: Geschichte des Konsuls Decius Mus zu fertigen,
die als Vorlagen für Tapisserien dienen sollten. Kartons,
mit Kohle auf Papier gezeichnet, sind für kein Werk
Rubens' nachzuweisen; die Figuren der großen Decius-
Folge in der Liechtensteingalerie sind linkshändig,
und eine Reihe von Gobelins, die sich im Besitze
verschiedener Sammler befinden, stimmt mit den Ge-
mälden vollkommen überein, nur ist im Gewebe die
Übersetzung von rechts und links durchgeführt: es
kann also kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß
der Decius-Zyklus mit jenen Kartons identisch sei.
Als Rubens den'Auftrag der Genuesen erhalten hatte,
trat eben der junge van Dyck in die Antwerpener
Lukasgilde ein und kam wahrscheinlich schon damals
als Gehilfe zu Rubens. Van den Branden reiht nun
in seiner »Geschiedenis der Antwerpsche Schilder-
school« den Zyklus in das Oeuvre des van Dyck ein;
archivalische Nachrichten veranlaßten ihn dazu: das
Notariatsarchiv in Antwerpen bewahrt eine Urkunde
vom Jahre 1661, in welcher der Maler Gonzales
Coques und Jan Baptist van Eyck erklären, im Verein
mit I. C. de Witte fünf Gemälde mit »de Historie
van den Keyser Decius«, gemalt von Anthonio van
Dyck, gekauft zu haben; das sechste Bild der Folge
befand sich damals schon im Besitze der Käufer.
Etwa zwanzig Jahre später spricht dann Coques in
seinem Testamente von den Bildern und nennt sie
»geschildert van van Dyck naer de schetzen van
Rubbens«, und im Nachlaßinventar des van Eyckschen
Besitzes vom Jahre 1692 heißen sie »geordonneert
door den heere Rubbens ende opgeschildert door
den heere van Dyck«. Die Beschreibungen der in-
ventierten Gemälde stimmen mit den Sujets der
Liechtensteingalerie überein, nur fehlen die »Toten-
weihe« und die »triumphierende Roma«.

Im ersten gedruckten Kataloge der Liechtenstein-
galerie (1767) ist bereits der ganze Zyklus verzeichnet,
doch war bisher nicht nachzuweisen, wann und von
wem die Gemälde erworben wurden; eine Tradition
sagte, Fürst Joseph Wenzl (1704—1772) habe die
Gemälde in Brüssel von einer Familie Claes gekauft,

andere Nachrichten nannten- den Fürsten Hans Adam
als Käufer; und zwar hieß es, die Gemälde, seien um
72000 Vesp. 80000 Gulden in Brüssel aus dem Be-
sitze der Herzoge von Cleve gekauft worden.' Diese
urkundlich nicht zu stützenden Berichte mit ihren
für jene Zeit märchenhaften Preisnotierungen stammen
aus der Literatur der ersten Jahre des 19. Jahrhunderts
und finden sich auch in dem Rubenswerk von Max
Rooses reproduziert.

Die Vermutung, daß die Folge der Liechtenstein-
galerie mit den Gemälden aus dem Besitze van Eycks
identisch sei, hatte einen hohen Grad von Wahr-
scheinlichkeit, doch war für die Jahre 1692 bis 1767
kein Besitzer nachzuweisen und der Zeitpunkt der
Erwerbung für die Galerie der Fürsten von Liechten-
stein war nicht sichergestellt.

In einem ausführlichen Feuilleton der »Neuen
freien Presse« vom 7. Oktober 1907 teilt nun Dr.
Victor Fleischer einen Brief mit, den er bei Ordnungs-
arbeitenjm Hausarchive der regierenden Fürsten von
Liechtenstein gefunden hat, und der die Frage, nach
der Identität der Liechtensteinschen Bilder mit den
van Eyckschen beweist und zugleich die Zeit der
Erwerbung fixiert.

Am 7. Juli des Jahres 1692 —"zwei Tage vor
der Inventierung im Hause van Eycks — schreibt
der Kunsthändler Markus Forchondt an den Fürsten
Johann Adam Andreas von Liechtenstein einen Brief
aus Antwerpen, daß dortselbst in wenigen Wochen
eine Verlassenschaft zur Versteigerung gelangen werde,
die auserlesene Werke von van Dyck enthalte, und
zwar fünf oder sechs Stück »Die Historie von Desius«,
Gemälde, die in »Spalier« (Gobelins) vielfach nach-
gebildet seien. Die römisch kaiserliche Majestät
(Leopold I.), meint der Briefschreiber, dürfte »zu Hof
ein Zimber dar von« haben, das die kaiserlichen
»Tapitsierer« dem Fürsten zeigen könnten. Es seien
Gemälde mit lebensgroßen Figuren, aber ohne die
»Borten« der Gobelins.

Das Schreiben lautet:

»Durchleuchtig hochgebohrner Hertzog Gnadigister
Fürst vndt Heer Heer etc.: Ich bitte Eur Durchleucht
mich nicht in Vngnaden auf zu nehmen das ich aber
mahlen mit dise meyne geringe Zeylen come auf-
warten, die Oorsaech aber ist das eyne Verlassensiaft
vorhanden ist darinn viel rare Malerey von Antonius
 
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