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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0090

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INSTITUTE

Florenz. Kunsthisiorisches Institut, Sitzung vom 16.
November 1907. Anläßlich des zehnjährigen Bestehens
des Institutes trug die Sitzung festlichen Charakter. Nach
der Begrüßung der Versammlung durch den Direktor und
einer Qlückwunschansprache des Herrn Dr. Hopfen gab
der Historiker von Florenz, Herr Dr. Davidsohn, einen
interessanten Überblick über die Entwickelung des Stadt-
bildes von Florenz, wie sie sich in der Errichtung immer
weiterer Mauerkreise zeigt, indem er auf die geschicht-
lichen Ereignisse hinwies, welche immer wieder zur Er-
bauung neuer Befestigungen 'den Anstoß ^ gaben. Seine
Ausführungen gipfelten in der Besprechung der gewaltigen
Porta Romana, die früher noch bedeutend höher als' jetzt
war, ihrer Erbauung und Ausschmückung. Drei Statuen,
Madonna und Heilige, gelangten von ,ihr in das Museo
Nazionale. Sie hatte ursprünglich noch eine Antiporta,
welche aber dem ersten Medicipapste Leo X. bei seinem
Einzüge in Florenz zum Opfer gebracht wurde. Aus einer
von dem Vortragenden gefundenen Urkunde geht;hervor:
das große marmorne Stadtwappen über dem Tor ist von
Giovanni Pisano gearbeitet worden, der dafür im Jahre
1331 die Zahlung von 4 Florenen (= 48 Lire) erhielt. Daraus,
daß die Urkunde den Namen des Vaters ausläßt, während
doch hochgebildete Männer wie Giovanni Villani die be-
treffende Baukommission bildeten, ist zu schließen, daß
Niccolö Pisano damals in* Florenz nicht besondere Berühmt-
heit besaß, und also die Zuschreibung so vieler Florentiner
Werke an ihn durch Vasari als Legende anzusehen sein
wird.

Herr Dr. Corwegh sprach über Donalello, zunächst
von dessen Aufenthalt in Rom im Jahre 1432. Zu den zwei
in Rom noch erhaltenen bisher bekannt gewordenen Werken
dieser Zeit fügt er als drittes eine Grabplatte in 5. Maria
del Popolo (am 2. Pfeiler rechts), welche der Grabplatte
in Arcoeli in Zeichnung und Stil gleicht und noch Spuren
der alten Inschrift aufweist, aus welcher hervorgeht, daß
der Verstorbene ein Geistlicher aus Utrecht war.

Des weiteren sprach derselbe von Donatellos Sänger-
kanzel des Florentiner Doms. Er glaubt die beiden Bronze-
köpfe, von denen eine Urkunde spricht, in zwei Köpfen
des Museo Nazionale wiederzuerkennen, in welchem sich
auch bis zur Zusammensetzung der Kanzel die einzelnen
Reliefs befanden. Die ganze Kanzel würde nun folgende
Ansicht bieten: oben auf der Brüstung als Leuchterträger
die beiden bronzenen Engel der Sammlung Andre in Paris,
von Professor Schubring als zugehörig vermutet, unten
in der Mitte zwischen den Kinderreliefs als Füllung der
leeren Medaillons die beiden großen Bronzeköpfe. Auch
das Gegenstück, die Kanzel Luca della Robbias, hat dann
gewiß zwei Leuchterträger besessen, es werden vielleicht
die beiden glasierten Engelstatuetten in der neuen Sakristei
des Domes sein.

Herr Dr. Bombe gab an der Hand einer großen Samm-
lung von Photographien einen Überblick über die soeben
geschlossene Ausstellung umbrischer Kunst in Perugia.
Er hat als Mitglied der Komission an der Ausstellung mit-
gewirkt und bot einen kritischen Kommentar zu dem ge-
druckten Katalog. Seine Ausführungen sind veröffentlicht
im Repertorium für Kunstwissenschaft.

Prof. Brockhaus sprach über das Grabdenkmal Michel-
angelos für Papst Julius II, wie es in seiner Gesamt-
anordnung in dem Beckerathschen Entwürfe des Berliner
Museums zu übersehen ist. Er brachte folgende Deutung
der ganzen Komposition zur Kenntnis der Versammlung:
Das Grabdenkmal faßt zusammen die Hauptgedanken der
Totenmesse (gedruckt im Missale Romanum), die Gedanken

von Kampf und Erlösung. Die sogenannten Gefangenen am
Terminus, sagen wir besser, die Gefesselten am Lebens-
ende, entsprechen dem Gebet: »Befreie, Herr, die Seelen
aller verstorbenen Gläubigen von jeglicher Fessel der
Sünden«. Die Siegesgestalten über Toten bedeuten nach
der Epistel den Sieg über den Tod (1. Korinther 15).
Die Engel betten den Verstorbenen angesichts des Herrn
zur ewigen Ruhe in der Gemeinschaft der Heiligen. Den
Namen Mosis trägt Psalm 89 (90) mit dem Verse: »Unser
Leben währet siebenzig Jahre, und wenn es hoch kommt,
so sind es achtzig Jahre, und wenn es köstlich gewesen
ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen«. Von Paulus,
welcher ebenfalls dargestellt werden sollte, stammt das
oben angegebene Wort vom Sieg über den Tod. Zu oberst
aber, noch über Madonna und Kind, sind Kandelaber für
Lichter sichtbar, welche dem Gebet für die Verstorbenen
entsprechen: >Ewiges Licht leuchte ihnen«. So offenbart
sich für das Juliusdenkmal ein klarer, schöner, passender
Sinn. h. b.

VEREINE

Der Sächsische Kunstverein hat in diesem Jahre
für annähernd 16000 Mark Kunstwerke zur Verlosung an-
gekauft, von denen rund 11000 Mark auf sächsische Künstler
entfallen sind. Auf den Ausstellungen des Vereins wurden
1907 bisher für rund 37000 Mark Kunstwerke verkauft.

In Kopenhagen hat sich unter dem Namen >Dansk
Skulpturforening« ein neuer dänischer Künstlerverein
gebildet, der dänischen Bildhauern bessere Ausstellungs-
und Verkaufsgelegenheiten zu bieten bezweckt als bisher,
wo sie stets als kleine Seitenabteilung bei den Gemälde-
ausstellungen auftraten. Der Verein will von den Künstlern
auch Arbeiten einkaufen, so weit es seine Mittel erlauben,
und unter die Mitglieder verlosen. Im dänischen Kunst-
industriemuseum hat er zurzeit eine große Anzahl kleinerer
Arbeiten seiner Mitglieder ausgestellt, die alle möglichen
Motive und Material aller Art, von Gips und Terrakotta
bis zu Marmor und Bronze, umfassen. bg.

VERMISCHTES
In der Kirche Notre-Dame zu Courtray in Belgien
ist ein gekreuzigter Christus von van Dyck gestohlen worden,
ohne daß es bis jetzt gelungen wäre, eine Spur der Diebe
zu finden.

In der Westpoint-Militär-Academy zu London ist ein
altes Taschenbuch aufgefunden worden, das gefüllt ist mit
vielen Skizzen. Eine große Wahrscheinlichkeit spricht dafür,
daß dies ein Skizzenbuch des jugendlichen Whistler
gewesen ist.

Über Rembrandts Vorstudien zur Radierung des

Jan Six machte Professor Jhr. Dr. Jan Six in der kürzlich
abgehaltenen Sitzung der Königlichen Akademie der Wissen-
schaften in Amsterdam einige sehr interessante Mitteilungen,
indem er gleichzeitig über zwei neuentdeckte Studien für
die Radierung berichtete.

Bisher waren bekannt die getuschte Federzeichnung
»Jan Six am Fenster mit dem Windspiel« im Besitze der
Familie Six (Hofstede de Groot Nr. 1235), sowie die geist-
volle kleine Ölskizze in der Sammlung Leon Bonnat in
Paris, die zuletzt noch auf der Rembrandtausstellung in
Leiden 1906 zu sehen war. Dazu erkannte nun der Direktor
des Fodor-Museums in Amsterdam, Herr 't Hooft, in einer
flüchtigen Zeichnung auf der Rückseite eines dort befindlichen
Blattes mit einer Bettlerfamilie von Rembrandt (Hofstede de
Groot Nr. 1223) eine Studie des Oberkörpers des Jan Six, der
hier einen Hut trägt und auf ein in der rechten Hand ge-
haltenes Blatt sieht. Herrn Professor Six selber gelang es
vor einiger Zeit, die Pause für die Originalplatte (die sich
 
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