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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0093

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163 Literatur 164

male im Kapitel über die Bildhauerei deutlich hervor; es
klärt in den sachlichen Erörterungen über die Malerei die
Wesensverschiedenheit zwischen der Kunst Böcklins und
dem Impressionismus und im Anhange »Kunststreit, Reichs-
tag und Liebermann« bekannte kunstpolitische Verhältnisse
des Tages, so daß am Ende der Eindruck überwiegt, die
bildende Kunst der Gegenwart sei der Anlaß gewesen, die
Hauptprobleme der Kunstwissenschaft in dieser neuen
Form zur Sprache zu bringen. Es ist ein System, das nie
erstarren kann, weil es jedem Kunstwerk in individueller
Anpassung gerecht wird; auch sagt der Verfasser selbst,
die Trennung jener Grundbegriffe sei nur deshalb vorge-
nommen, um sich klar über Kunst und Kunstwerk aus-
einandersetzen zu können; »in Wirklichkeit fluten sie beim
künstlerischen Schaffen durcheinander und sind oft auf das
engste ineinander verschlungen«. w7- Semetkowski.

Betrachtungen über die italienische Malerei im 17.

Jahrhundert von Dr. Hugo Schmerber. Straßburg,

Heitz, igoö.

Und es frug der Schüler den verehrten Lehrer: Meister,
was soll ich verarbeiten, ich möchte den Doktorgrad er-
langen. Und der Meister gibt den Rat: Schreiben Sie
über Ghibertis Jugendarbeiten, über Michelangelos letzte
Taten oder — zur Abwechselung einmal über Bernini oder
das Seicento. Und der Schüler, vortrefflich eingeführt in
die einschlägige Literatur, sitzt über den Büchern, exzer-
piert, kommentiert, macht den Schlachtenplan und wenn alles
fein säuberlich stimmt, macht er der Belegexemplare
wegen die Reise nach Italien. Hier nun sieht er nur, was
er sehen will, weiß viel zuviel, um reine Eindrücke zu
empfangen und die gesunde deutsche Empfindung läßt
ihn mitleidig lächeln über die geistige Inhaltslosigkeit der
italienischen Malerei. Aber kann's ihn wundern, nichts
anderes zu finden, weiß er doch aus den Schriftstellern
der Zeit, was ihre Ideen waren, daß die Maler nur lächer-
lichem Tand nachhingen, dem Streben nach »Grazie«, das
ist eine für den Deutschen unverständliche Überempfind-
samkeit, »Invenzione«, das ist ein Abmühen, einen Gegen-
stand so zu verposieren, daß man etwas anderes darge-
stellt glaubt usw.

Nun, kann's Wundernehmen, daß immer wieder der-
artige, in der Empfindung fremde Arbeiten den Markt
erreichen, wo eine der größten und kräftigsten Kunst-
strömungen unserer Zeit, die des Kunstwartes jene
Unterordnung aller fremden Kunst dem deutschen Emp-
findungsleben gegenüber en gros betreibt, nicht imstande,
das Wesentliche und Wertvolle eines Werkes zu erkennen,
weil die deutsche Brille nicht von den Augen will.

Ob Schmerbers Betrachtungen so zustande gekommen
sind, ich weiß es nicht. Die Wirkung jedenfalls auf einen
Menschen, der das Glück hat, italienischer Kunst näher zu
stehen, ist betrübend. Keine Ergriffenheit, kein Staunen
vor der Größe, dem Wohllaut der künstlerischen Sprache,
Zufriedenheit aber, wenn etwas ähnliches, wie deutsche
Märchenstimmung gefunden wird.

Kritiker ihrer Kunstepoche sind zu allen Zeiten gleich
dumm gewesen. Und wie dumm sie sind, erleben wir ja
heute im Laufe von wenigen Jahren. Propheten kommen
und gehen und im Februar 1906 ist alles falsch geworden,
was im Januar noch ausgezeichnet war. Man hat uns zu
dieser Zeit eine neue Richtschnur geschenkt und über-
morgen vielleicht, wird einer auftauchen, der mit heiserem
Hohnlachen die Dogmen verwirft. Und ein Triumphge-
heul wird wieder die Lande erfüllen.

Das gleiche ist von den Kritikern des Seicento zu halten.
Das einzige, was sie an Wertvollem geben, ist die Aufstellung
des Lebenswerkes der einzelnen Künstler. Ihre Weisheit ist
die der Mode. Und Schmerbers Buch sollte auch den anspruchs-

losen, anspruchsvollen Titel »Betrachtungen über die Malerei
usw.« ablegen und sich nennen: die Mode in der Kunst
des römischen Seicento. Wen diese interessiert, dem kann
man das Buch empfehlen; es ist sauber gearbeitet und
gut geschrieben, was bewiesen werden soll, ist mit be-
wundernswerter Rücksichtslosigkeit durchgeführt. Wer dem
Seicento aber näher kommen will, der soll die Finger da-
von lassen, denn noch fremder als der Autor kann italie-
nischer Kunst auch der deutsche Laie nicht sein. Buerkei.
Jahrbuch des Schlesischen Museums für Kunstge-
werbe und Altertümer. IV. (Schlesiens Vorzeit in
Bild und Schrift. N. F. IV.) Breslau 1907. Kommissions-
verlag Eduard Trewendt, Berlin.
Schon von Anbeginn seines nunmehr bald fünfzig-
jährigen Bestehens hat der Schlesische Altertumsverein
(früher »Verein für das Museum schlesischer Altertümer«)
neben vielen einzelnen für die Kunst- und Kulturgeschichte
Schlesiens wertvollen Veröffentlichungen auch eine Zeit-
schrift herausgegeben. Anfangs waren es nur Vereins-
berichte; bald aber wurden sie erweitert durch literarische
Beiträge mit Bildbeigaben aus dem Interessenreiche des
Vereins. Diese zu sieben Bänden (1859—1899) zusammen-
gefaßten Hefte führen den Titel: 'Schlesiens Vorzeit in
Bild und SchrifU. Ein großes, vielseitiges Forschungs-
material ist in ihnen aufgehäuft. Auch der Nicht-Schlesier
nimmt sie mit Interesse und Nutzen zur Hand.

Da kam mit dem Gründungsjahre des Breslauer Kunst-
gewerbemuseums 1899, dem Übergange der Vereinssamm-
lungen in städtischen Besitz und städtische Verwaltung,
auch für diese Zeitschrift ein Umschwung, nicht hinsicht-
lich ihrer Tendenz, ihres wissenschaftlichen, dabei allge-
mein verständlichen Inhalts aus dem weit verzweigten
Gebiete lokaler Kunst- und Kulturforschung, wohl aber
hinsichtlich ihrer Ausstattung. Als 1900 ein reich illu-
strierter Quartband von über 200 Seiten mit vielen, gut
ausgeführten Bildtafeln erschien, werden viele geglaubt
haben, es sei nur eine mit besonderer Freigebigkeit aus-
gestattete Festgabe zur Eröffnung des Museums. Aber
schon, daß ^Jahrbuch des Schlesischen Museums für Kunst-
gewerbe und Altertümer« neben dem alten Namen auf dem
Titelblatte stand, mußte belehren, daß es sich um eine
periodische Veröffentlichung, um die Fortführung der alten
Zeitschrift in gänzlich neuem Gewände handelte. Die
Herausgeber, die beiden Direktoren des Kunstgewerbe-
museums, Professor Dr. Masner und Dr. Seger, sagten ja
auch im Vorwort: »Die Absicht der Stadt, für das Kunst-
gewerbemuseum ein wissenschaftliches Organ zu gründen,
traf glücklich zusammen mit dem Wunsche des Vereins,
seine alte Zeitschrift fortzuführen.« Bei Aufwendung er-
heblich größerer Mittel, als der Verein sie für Veröffent-
lichungen zur Verfügung hatte, da ihm noch die Sorge
für die Sammlungen oblag, und mit Zuschuß eines für
Veröffentlichungen ausgesetzten Postens im Museumsetat
konnte die ziemlich kostspielige Herausgabe der Zeitschrift
in diesem Gewände in Aussicht genommen werden.

In der Tat sind auch seitdem auf jenen ersten Band
der Neuen Folge der Vereins- und Museums-Zeitschrift
drei weitere in dem ihm gleichen Umfange und eben der-
selben gediegenen und vornehmen Ausstattung gefolgt,
der vierte, aus dessen Inhalt hier einiges mitgeteilt werden
soll, erst ganz vor kurzem. Kein anderes nicht aus Staats-
mitteln erhaltenes Museum, das wird unwidersprochen
bleiben, kein anderer privater wissenschaftlicher Verein in
Deutschland kann einer Zeitschrift in dieser Form sich
rühmen.

Zu ihrem Mitarbeiterkreise gehören natürlich in erster
Reihe und ständig die wissenschaftlichen Beamten des
Museums, ferner eine Zahl hiesiger, auch einiger aus-
 
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